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Handy am Steuer? tz ertappt elf Sünder pro Stunde

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Handy am Steuer
Fotograf Benjamin Fesl hat innerhalb von nur einer Stunde elf Handy-Sünder erwischt. Hier drei Beispiele: links: 12.35 Uhr; mitte: ; rechts: 12.35 Uhr. © Benjamin Fesl

München - Fotograf Benjamin Fesl hat sich für die tz auf die Lauer gelegt, um Handy-Sünder auf frischer Tat zu ertappen. Was tun die Fahrer mit ihren Telefonen – wohin geht ihr Blick? Schauen Sie sich das mal an!

Jeder Zweite nutzt das Handy während der Fahrt – das geben Autofahrer unverblümt zu. Aber Verkehrsexperten wissen: Die Dunkelziffer ist oft noch viel höher – auch bei den Unfällen, die infolge der Ablenkung durch Handys entstehen. Die tz wollte es genau wissen: Wie viele Münchner tun es – tippen, texten, telefonieren am Steuer? Und riskieren dabei gefährliche Unfälle? Fotograf Benjamin Fesl hat sich mittags auf die Lauer gelegt und von der Brücke am Petuelring aus den Verkehr beobachtet. Das Ergebnis: Rund alle fünf Minuten ein Treffer. Elf Handy-Sünder erwischte der Fotograf in nur einer Stunde – darunter auch den Fahrer eines Pflegedienstes. Was tun die Fahrer mit ihren Telefonen – wohin geht ihr Blick? Schauen Sie sich das mal an!

Besonders jüngere Autofahrer lassen sich vom Handy ablenken

Feierabend, der Stau nervt. Also, zack – Handy raus, um die neusten Nachrichten checken. Anruf auf der Autobahn? Kein Problem, geht ja schnell. So auch der Chat am Steuer. Sind ja nur ein paar Klicks.

Mit dieser Einstellung fährt mittlerweile jeder zweite Autofahrer durch die Stadt, ergab eine repräsentative Studie des Allianz Zentrums für Technik in Ismaning. Besonders Jüngere lassen sich ablenken: Im Alter zwischen 18 und 24 nehmen 56 Prozent der Fahrer Telefonate während der Fahrt an, 48 Prozent rufen selbst Freunde an, zwei von fünf SMSen und surfen nebenher. Aber auch bei 25- bis 65-Jährigen sind Werte nicht wesentlich niedriger!

Blick aufs Handy erhöht Unfallrisiko um das Dreifache

Die Polizei stellt das vor Probleme: Im vergangenen Jahr ahndeten Münchner Verkehrsbeamte 21.983 Handy-Sünder – 72.292 waren es in ganz Bayern. Die Strafe für Autofahrer: 40 Euro und einen Punkt in der Verkehrssünderdatei. Radler zahlen 25 Euro. Aber: Die Münchner Polizei kontrolliert nur nebenher – beim Blitzen oder auf Streife.

Studien belegen: Vier Sekunden dauert der Blick auf’s Smartphone – das Unfallrisiko erhöht sich ums Dreifache, schon bei Tempo 80 fährt man 90 Meter ohne aufzupassen. So bleibt keine Chance zu bremsen – schon gar nicht, wenn ein Kind auf die Straße tritt.

Verkehrsexperten gehen davon aus, dass Ablenkung mittlerweile jeden zehnten Unfall maßgeblich verursacht. Nur ein Beispiel: Allein in 2013 starben laut Innenministerium 230 Menschen, weil sie von der Fahrbahn abkamen. Neben Glatteis und Einschlafen gilt das Handy als Hauptgrund. Die Dunkelziffer ist hoch, Verstöße sind schwer nachzuweisen. Deshalb hat die tz selbst gestestet – mit einem Handy-Sünder-Blitzer!

Handy am Steuer: Was darf man und was nicht?

Telefonieren am Steuer ist europaweit verboten, das weiß jeder Autofahrer – auch wenn sich viele nicht dran halten. Aber welche Ausnahmen gibt es? Und was ist mit SMS? „Grundsätzlich gilt: Man darf das Gerät nicht in die Hand nehmen oder halten, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden“, sagt Verkehrsrechtsexperte Jost Kärger vom ADAC. Hintergrund: Der Fahrer soll durch die Nutzung nicht abgelenkt werden. Erlaubt hingegen ist es, zu essen oder zu trinken, auch die Nase darf man putzen – selbst Schminken ist nicht ausdrücklich verboten. „Wenn in der Folge ein Unfall passiert, wird die Versicherung aber genau prüfen, ob nicht fahrlässig gehandelt wurde“, so Kärger. Erlaubt sind viele Funktionen, wenn das Smartphone in einer Halterung hängt – so zum Beispiel Telefonate über die Freisprecheinrichtung. Auf diese Weise darf man auch das Navi nutzen, um die Routenführung zu verfolgen. Wer die Strecke ändern will, muss aber rechts ranfahren, um neue Daten einzugeben. Während der Fahrt darf man die App nicht bedienen – ebensowenig SMS oder E-Mails tippen. Selbst einen Anruf darf man nicht abweisen. „Der Blick sollte auf der Fahrbahn bleiben“, rät Kärger. Gut zu wissen: Neuere Smartphones können Kurznachrichten teilweise vorlesen. thi

Film: Texten bis zum Tod

Eine Sekunde kann ein Leben verändern – und im Straßenverkehr über Leben und Tod entscheiden. Der Münchner Regisseur und Produzent Werner Herzog (71) hat darüber einen eindrucksvollen Dokumentarfilm From one second to the next in den Vereinigten Staaten gedreht. Darin erzählen Menschen, die durch eine SMS am Steuer schwere Verkehrsunfälle mit Toten verursachten oder selbst Opfer wurden. Der 35-minütige, hoch emotionale Film wird an vielen Schulen zur Aufklärung gezeigt und ist auf Herzogs Homepage kostenlos in völler Länge abrufbar.

Andreas Thieme

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