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Der lange Abschied vom Kinderwunsch

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Starke Frau: Franziska Ferber hat sich jahrelang Nachwuchs gewünscht – vergeblich. Heute unterstützt sie Frauen, die den gleichen Weg gehen. © Schmidt/Fkn

Mit Mitte 20 denkt Franziska Ferber: Das mit den Kindern, das hat noch ewig Zeit! Mit Mitte 30 hat sie dann den richtigen Partner – und wird nicht schwanger.

Sie und ihr Mann lassen sich ärztlich behandeln, doch der Kinderwunsch bleibt unerfüllt. Es beginnt der lange Abschied von der Sehnsucht nach einem Baby – und irgendwann entdeckt Franziska Ferber, dass ihr Leben auch ohne Nachwuchs glücklich sein kann. Heute arbeitet sie als „Kinderwunsch-Coach“ in Planegg bei München. Gerade ist ihr neues Buch „Unsere Glückszahl ist die Zwei“ erschienen. Ein Gespräch über ein Tabu-Thema – das schon längst keines mehr sein sollte.

Sie sind „Kinderwunsch-Coach“. Was heißt das genau?

Als ausgebildeter Coach unterstütze ich Menschen, die einen unerfüllten Kinderwunsch haben. In dieser Lebensphase ist es für viele psychisch besonders schwierig, Monat für Monat wieder nicht schwanger geworden zu sein – während im Umfeld ein Kind nach dem anderen auf die Welt kommt ...

Wie kommt man zu so einem Beruf?

Ich kam aus meiner Lebensgeschichte heraus dazu: Mein Mann und ich wünschten uns sehnlichst ein Kind. Jahrelang! Wir versuchten reproduktionsmedizinisch alles, was hierzulande möglich ist. In dieser Zeit ging es mir seelisch sehr schlecht – und ich bemühte mich, Hilfe zu finden. Ich fand aber niemanden, der das Thema auf eine Art und Weise begleitete, die zu mir passte.

Was passierte dann?

Irgendwann mussten wir unseren Kinderwunsch verabschieden. Da habe ich beschlossen, ein Angebot zu schaffen: Ich will nicht, dass noch mehr Menschen derart leiden müssen, nur weil sie den Eindruck haben, dass es niemanden gibt, der fachlich fundiert ausgebildet ist und aus dem eigenen Erleben heraus weiß, wie sich diese Phase im Leben anfühlt.

Kinderlosigkeit gilt bis heute oft als Tabu-Thema – warum eigentlich?

Wir leben in einer Zeit und in einem Land, in dem aus medizinischer Sicht sehr viel möglich ist. Pro Jahr werden hier etwa 80 000 Kinderwunschbehandlungen durchgeführt. Wer jedoch das Gefühl hat, nicht alle medizinischen Optionen ausreizen zu wollen, muss sich seine eigenen Wertegrenzen eingestehen. Und: Er muss Wege im Umgang damit finden, wenn ihm das dann vorgehalten wird. Deshalb wählen viele lieber den Weg, gar nicht erst über das Thema zu sprechen.

Was muss sich ändern?

Wenn wir als Gesellschaft eine höhere Geburtenrate fordern, müssen wir uns auch damit auseinandersetzen, was es bedeutet, dass so viele Paare in Deutschland erst gar keine Kinder bekommen können. Für viele Menschen in meinem Umfeld war ich die Erste, die das Thema der ungewollten Kinderlosigkeit offen ansprach! Mir ist es ein Herzensanliegen, dass die ungewollte Kinderlosigkeit einen Platz im kollektiven Bewusstsein bekommt. Hier geht es nicht darum, dass sich jemand gegen ein Kind entscheidet – sondern darum, dass sich jemand sehnlichst ein Kind wünscht und dieses nicht bekommt.

Wie lange dauerte es bei Ihnen, bis Sie ohne Kinder glücklich sein konnten?

Es war ein langer Weg. Natürlich beschäftigt man sich schon in der aktiven Kinderwunschzeit mit der Frage, was wäre, wenn... Aber: Solange Hoffnung besteht, ist das in Teilen eine theoretische Überlegung. Irgendwann merkt man allerdings, dass die Hoffnung schwindet. Bei mir war der letztliche Auslöser für das langsame Herantasten an ein Leben ohne Kind der viel zu frühe Tod meiner Schwiegermutter – und ein Zitat, das ich las: „Erfolg bedeutet, dass man bekommt, was man sich wünscht. Glück bedeutet, das zu schätzen, was man hat.“ Das hat etwas zum Schwingen in mir gebracht. Und langsam habe ich mich in das „neue kinderlose Leben“ vorgetastet.

Wer war Ihre größte Stütze in dieser Zeit?

Zuallererst mein Mann und danach meine Familie und die eingeweihten Freunde. Ich habe unglaublich viel emotionale Unterstützung erfahren, als ich mich endlich traute, über die Hoffnung, die Trauer, die Einsamkeit und teilweise auch den „guten Neid“ zu sprechen. Auf einmal musste ich nicht mehr schauspielern.

Hand auf Herz: Wie geht es Ihnen heute?

Ich bin glücklich, fühle mich zufrieden und dankbar – aber es hat Jahre gedauert, bis ich das aus der Tiefe meines Herzens sagen konnte!

Zusammenfassung: B. Nazarewska

Kontakt zu Franziska Ferber unter: www.kindersehnsucht.de Sie bietet auch einen Online-Kurs zum Umgang mit dem Kinderwunsch an.

Künstliche Befruchtung 

Paare mit unerfülltem Kinderwunsch setzen oft große Hoffnungen in eine Fruchtbarkeitsbehandlung. In Deutschland sind nach Expertenangaben etwa sechs Millionen Frauen und Männer ungewollt kinderlos. Allein im Jahr 2014 gab es knapp 88 000 Behandlungen zur künstlichen Befruchtung. 

Seit der Zeugung des weltweit ersten Retortenbabys Louise Brown

Franziska Ferber „Unsere Glückszahl ist die Zwei“; Eden Books; 14,95 Euro
Franziska Ferber „Unsere Glückszahl ist die Zwei“; Eden Books; 14,95 Euro. © Verlag

1978 können Ärzte Eizellen auch außerhalb des Körpers befruchten. Diese In-vitro-Fertilisation (IVF) nutzen Mediziner bei bestimmten Fruchtbarkeitsproblemen der Frau wie etwa einem Eileiterverschluss. Zunächst wird mit Hormonpräparaten die Eizellreifung stimuliert. Die gereiften Eizellen werden dann abgesaugt und im Labor mit den Samenzellen des Mannes befruchtet. Der entstehende Embryo wird in die Gebärmutter der Frau eingepflanzt. Die anderen befruchteten Eizellen können für spätere Behandlungen tiefgefroren werden. 

Die Methode, die inzwischen am weitaus häufigsten genutzt wird, ist die Intra-Cytoplasmatische Sperma-Injektion (ICSI). Sie kommt bei Fruchtbarkeitsproblemen des Mannes zum Einsatz. Der Ablauf ist zunächst derselbe wie bei der IVF, zur Befruchtung wird jedoch eine Samenzelle unter einem Mikroskop direkt in die Eizelle gespritzt.  In Deutschland setzt das Embryonenschutzgesetz den Rahmen für die Reproduktionsmedizin. Demnach dürfen innerhalb eines Zyklus höchstens drei Embryonen auf eine Frau übertragen werden.

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