Darum macht Stress dick

München - Wissenschaftler stellen immer häufiger fest: Stress macht dick! Wer unter Druck gerät, ändert seine Essgewohnheiten. Schuld daran sind Hormone. Trotzdem können sie unnötige Kilos vermeiden.
Manchmal ist das Leben einfach ungerecht: Man steht den ganzen Tag unter Strom, rackert sich im Job und im Haushalt ab – und zu allem Überfluss nimmt man auch noch zu. Was viele Betroffene buchstäblich am eigenen Leib erfahren, kristallisiert sich jetzt auch bei den neuesten Forschungsergebnissen der Wissenschaftler immer klarer heraus: Stress macht dick!
„Wenn man unter Druck gerät, ändern sich meistens auch die Ernährungsgewohnheiten“, erklärt Professor Martin Halle, der Chef des Zentrums für Prävention und Sportmedizin der Technischen Universität München. So steigert Stress den Appetit und begünstigt Heißhungeranfälle auf kalorienreiche Nahrungsmittel. „In einer angespannten Situation sagen sich die wenigsten Menschen: Jetzt beiß’ ich in einen Apfel statt in einen Schokoriegel“, weiß Professor Halle.
Dieses Verhalten hängt zu einem wesentlichen Teil mit bestimmten Hormonen zusammen. Bei Stress wird in der Nebennierenrinde unter anderem Cortisol gebildet und ausgeschüttet. Es versetzt den Körper in Alarmbereitschaft und veranlasst die Fettzellen, schnell Energie für die Muskeln bereitzustellen. Gleichzeitig sorgt das Cortisol dafür, dass der Körper laufend seine Fettdepots wieder auffüllt.
Um den Nachschub sicherzustellen, bevorzugt der gestresste Körper Nahrungsmittel, die schnell viel Energie freisetzen – vor allem Kohlehydrate wie Zucker. In der Praxis bedeutet dies: Der Schokoriegel während des E-Mail-Lesens oder der nebenbei am Schreibtisch verdrückte Kuchen setzt besonders an.
Macht Müsli schlank? Die größten Diät-Lügen
Macht Müsli schlank? Die größten Diät-Lügen
Wehe, wenn der Stress zum Dauerzustand wird! „Über einige Jahre hinweg kann selbst ein nur leicht erhöhter Cortisolspiegel im Blut eine deutliche Gewichtszunahme bewirken. Zudem schadet der Stress dem Herzkreislauf-System und den Blutgefäßen. Stress lässt uns schneller altern“, warnt Halle. „Deshalb ist es so entscheidend, dass wir regelmäßig daran arbeiten, Stress zu vermeiden oder zumindest zu verringern.“ Dazu sollte man feste Rituale in seinen Alltag einbauen, rät der Mediziner (siehe Kasten).
Ein wesentlicher Punkt ist regelmäßige Bewegung. Und dabei müsse man keineswegs zur Sportskanone werden. Halle: „Schon wenige Minuten täglich können sich positiv auf die Gesundheit auswirken, beispielsweise ein zügiger Spaziergang in der Mittagspause oder eine intesive Viertelstunde auf dem Radl beziehungsweise Heimtrainer. Wichtig ist allerdings, dass man sein Programm durchzieht und keine Ausreden vorschiebt.“
Der Merkzettel für den Alltag
Professor Martin Halle hat eine Anti-Stress-Liste erstellt – quasi eine Art Merkzettel mit den zehn wichtigsten Grundsätzen für den Alltag:
1 Mindestens 10 Minuten pro Tag für mich!
2 Mindestens 10 Minuten pro Tag für meine Familie!
3 Mindestens 10 Minuten pro Tag für meine Freunde!
4 Zeitmanagement – keine Hektik!
5 Lieber Weniges gut machen als Vieles mäßig!
6 Mindestens ein Mal pro Tag lachen!
7 Entspannung, mindestens einmal pro Woche!
8 Sieben Stunden Schlaf pro Nacht!
9 Rauchen ist Stress für die Gefäße!
10 Alkohol ist Stress für das Gehirn!
Neben den Hormonen aus der Nebenniere sorgt übrigens auch der Kopf dafür, dass der Körper bei großer psychischer Belastung nach Energie schreit und Hungersignale aussendet. Das Gehirn ist nämlich einer der größten Energiefresser des Menschen. Es verbraucht 18 Prozent des Grundumsatzes des menschlichen Körpers, nur die Leber und die Skelettmuskulatur benötigen mit jeweils 26 Prozent noch mehr. Der Grundumsatz ist die Energiemenge, die der Körper für Zellen und Organe im Ruhezustand benötigt. Er macht 70 bis 80 Prozent der Kalorien aus, die der Mensch an einem Tag verbraucht. Andreas Beez
Clever sporteln: So haben Sie mehr davon
Im Kampf gegen den Stress und unkontrollierte Gewichtssprünge spielt der Sport eine Schlüsselrolle. Wer mit Köpfchen trainiert, der kann schon mit relativ geringem Zeitaufwand große persönliche Erfolge erzielen. In der tz erklärt Susanne Priebs, Leiterin des Fitnesscenters „Body + Soul“ in Brunnthal, worauf es beim Sporteln ankommt. Ihre goldenen Regeln:
In der Ruhe liegt die Kraft: „Wer völlig gestresst aus dem Büro rennt, in seine Sportschuhe springt und wie ein Wahnsinniger Gewichte stemmt, der erreicht genau das Gegenteil“, warnt Susanne Priebs. „Der Freizeitstress erhöht dann den beruflichen Stresspegel noch weiter.“ Der Tipp der Expertin: „Laufen Sie sich zu Beginn Ihres Trainings erstmal zehn bis 15 Minuten ganz locker ein.“
Diese Aufwärmphase hilft dem Körper dabei, Stresshormone ganz natürlich abzubauen. Danach ist er wieder viel besser in der Lage, größere Belastungen zu bewältigen, etwa ein intensives Training (neudeutsch: Workout) im Fitnessstudio.
Durch Muskeltraining den Grundumsatz erhöhen: „Wer abnehmen will, sollte nicht nur seine Ernährung umstellen, sondern zwei bis drei Mal pro Woche nach dem Aufwärmen ein Muskeltraining einplanen“, rät Priebs. Mehr Muskeln verbrauchen nämlich auch mehr Energie, erhöhen damit den Grundumsatz. Das ist die Kalorienmenge, die der Körper im Ruhezustand verbrennt. „Diese Energieverbrennung läuft rund um die Uhr“, erklärt Susanne Priebs. „So gesehen schützen uns Muskeln sogar im Schlaf vorm Zunehmen.“
Der große Frische-Test: So finden Sie die besten Lebensmittel
Beim Muskeltraining – früher hat man von Krafttraining gesprochen – muss man sich gar nicht ewig schinden. Eine halbe Stunde pro Trainingseinheit reicht völlig aus. Denn der Körper ist nur begrenzt in der Lage, nach dem Training die Muskeln wachsen zu lassen. „Diesen Effekt kann man durch Kohlenhydrat-Eiweiß-Ernährung nach dem Sport noch verbessern. Wichtig ist: Essen Sie nicht nur Eiweiß! Der Körper braucht für den Muskelaufbau und zum Fettverbrennen unbedingt auch Kohlenhydrate“, weiß Priebs.
Vergessen Sie übertriebene Hungerkuren: „Jede Diät, bei der man hungern muss, ist zum Scheitern verurteilt. Dann baut der Körper nämlich aus seiner Not heraus Muskeln ab und wandelt sie in Energie um“, so die Body-and-Soul-Expertin. „Dadurch sinkt der Grundumsatz. Man müsste noch weniger essen, um abzunehmen.“ Wer das macht, gerät früher oder später in einen Teufelskreis: Wenn man irgendwann wieder normal isst, schießt das Gewicht wegen des dann geringeren Grundumsatzes nach oben – der sogenannte Jo-Jo-Effekt!
Dehnen direkt nach dem Sport bringt nichts: „Im Gegensatz zu früheren Empfehlungen wissen wir heute, dass Dehnen direkt nach der Belastung nicht sinnvoll ist“, erläutert Priebs. „Das sollte man besser unabhängig vom Training machen – am besten an einem Ruhetag.“
Cool Down zum Trainingsende: „Eine Auslaufphase ist sehr wichtig“, so Priebs. Dieses sogenannte Cool Down unterstützt den Körper dabei, Stresshormone, die beim Training entstanden sind, wieder abzubauen.“