Tiere als Besucher im Krankenhaus

München - Wenn Krankenhäuser Tiere erlauben wollen, müssen sie das genau planen. Aber es gibt auch Grenzen, die man akzeptieren muss. Das erklärt Dr. Armin Claus im tz-Interview.
Wenn Tierbesitzer für längere Zeit ins Krankenhaus müssen, sehnen sie sich nach der gewohnten Umgebung, der vertrauten Familie – und nach ihrem geliebten Hund, der verschmusten Katze oder nach ihren munteren Vögeln. Gerade für Alleinstehende sind tierische Mitbewohner ein wichtiger Ansprechpartner, der dann schmerzlich vermisst wird. In immer mehr Kliniken in Deutschland gibt es Projekte, in deren Rahmen speziell ausgebildete Tiere mit ihren Führern die Patienten besuchen.
Die Erfahrungen zeigen, dass vermutete Probleme in Bezug auf Hygiene leichter lösbar sind als gedacht. Und so weicht das Tabu immer mehr auf, dass private Hunde oder Katzen im Krankenhaus nichts zu suchen haben. Auf der Palliativstation der Uniklinik Göttingen dürfen Tierbesitzer nun ihre Hunde bei sich behalten – eine große Freunde und Trost für die todkranken Patienten. Wenn Krankenhäuser Tiere erlauben wollen, müssen sie das genau planen. Aber es gibt auch Grenzen, die man akzeptieren muss. Das erklärt Dr. Armin Claus im tz-Interview, er ist beides: Arzt für Tiere und für Menschen und lotet schon seit über 15 Jahren die Möglichkeiten aus, Tierbesuche in Kliniken zu ermöglichen.
Großes Potenzial für die Genesung
Wenn ein Tierbesitzer stationär im Krankenhaus liegt, kann er sein Tier nur sehen, wenn er vor die Tür gehen kann, oder?
Dr. Armin Claus: Ja, meistens ist das so. Der Besuch von eigenen Tieren wird zwar in den allermeisten Kliniken nicht mehr so kategorisch abgelehnt wie noch vor zehn oder 15 Jahren. Denn es ist klar, dass in dem engen emotionalen Verhältnis von Mensch und Tieren ein großes Potenzial steckt. Aber damit alle ein gutes Gefühl dabei haben können, ist der Kontakt meist nur in den allgemeinen Kontaktbereichen des Krankenhauses erlaubt, also im Garten oder in Vorhallen. Im Krankenhaus gibt es einen stark durchstrukturierten hocheffizienten Ablauf. Von extremen Ausnahmen abgesehen, kann man es dort gar nicht riskieren, private Tiere zu erlauben.
Hunde sind vom Charakter, vom Erziehungs- und Ausbildungsstand sehr individuell. Therapiehunde jedoch dürfen sogar in die Krankenzimmer. Warum wird so ein Unterschied gemacht?
Claus: Ein Tierbesuch im Krankenhaus muss sehr gut vorbereitet werden. Die Probleme der Hygiene sind gut beherrschbar, aber man muss natürlich Regeln einhalten. Grundsätzlich weiß man, dass die Übertragung von Keimen durch menschliche Besucher die größere Gefahr darstellt, weil diese Keimwelt sehr viel besser auf den Menschen spezialisiert ist als die Keimwelt, die ein Tier mitbringt. Dennoch werden bei bettlägrigen Patienten entsprechende Schutzdecken verwendet. Jeder, der mit den Tieren Kontakt hatte, muss sich vor und nach dem Besuch die Hände desinfizieren. Hunde, die im Rahmen von tiergestützten Maßnahmen und Therapien in Kliniken kommen, sind speziell ausgebildet. Sie sind optimal tierärztlich versorgt und gesund. Der Besuchshundeführer weiß, wie er seinen Hund vorbereiten muss. Er weiß auch, wenn sein Tier nicht in einer guten Verfassung ist, und merkt, ob es eventuell krank wird. Dann wird er den Besuch absagen oder, wenn er spürt, dem Hund wird der Kontakt zu viel, den Termin abbrechen. Das Wohl des Hundes hat Vorrang. All diese Vorbereitungen kann man einem Angehörigen, der mit dem Familienhund, einen Kranken besuchen möchte, gar nicht zumuten. Und es gibt auch Bereiche, wo Tiere ein No-go sind, z. B. auf Stationen mit Brandverletzten oder bei Patienten mit schwachem Immunsystem. Das sind Grenzen, die man akzeptieren muss. Und man selbst kann noch so sehr von tiergestützten Aktivitäten überzeugt sein, weil sie die Stimmung verbessern, den Tag strukturieren und Gesprächsstoff schaffen, man muss auch akzeptieren, dass es Menschen gibt, die mit Tieren nichts anfangen können. Das kann z. B. auch beim Personal der Fall sein.
Auf einer Palliativstation der Uniklinik Göttingen dürfen Tierbesitzer jetzt ihre Hunde mitbringen.
Claus: Eine Palliativstation ist ein Bereich in einer Klinik, wo man Tierhaltung sicher vernünftig organisieren kann. Aber das kann nicht jedes Krankenhaus leisten, und das kann man auch nicht von jedem Krankenhaus erwarten. Das verlangt viele Überlegungen sowohl hinsichtlich des Menschenschutzes als auch des Tierschutzes. Ich als Tierarzt fordere natürlich, dass Privattiere im Krankenhaus genauso gut ärztlich versorgt, geimpft und entwurmt sein müssen wie Therapiehunde. Unter Umständen bringen mehrere Menschen ihre Tiere mit. Was macht man, wenn einer einen Hund, der zweite Katzen und der dritte Vögel in seinem Zimmer hält? Wie verhält man sich, wenn jemand allergisch reagiert? Das sind Herausforderungen, die früher kategorisch abgelehnt wurden. Da hat sich sehr viel geändert. Wenn ein Krankenhaus so etwas installieren will, muss man sich mit dem üblichen Schriftwerk des Qualitätsmangements darauf vorbereiten, auch auf eventuelle schwierige Dinge. Das ist natürlich ein Riesenaufwand für die Krankenhäuser.
Schon vor 15 Jahren haben Sie festgestellt, dass ziemlich viele Kliniken Tiere halten.
Claus: Und diese Zahl hat sich seitdem bestimmt verfünffacht. Damals hat mich besonders die Variationsbreite der gehaltenen Tiere überrascht: Hunde und Katzen natürlich, Aquarien waren stark vertreten, aber auch Pferde, Kängurus und Strauße. Bestimmt so um die 25 Arten. Die grundsätzliche Ablehnung aus Hygienegründen, weil Tiere die Arbeitsabläufe stören, weil es Eifersucht unter den Bewohnern geben könnte, hat sich gewandelt: Immer mehr Pflegeheime und Jugendhilfeeinrichtungen reagieren aufgeschlossen, wenn jemand sein eigenes Tier mitbringen möchte. Viele Hochbetagte haben ja das Problem, dass es ihnen schwer genug fällt, aus der gewohnten Umgebung wegzuziehen, wenn sie mehr Pflege benötigen. Wenn sie dann ihr Tier behalten können, ist das eine große Motivation. Ich bin Beratungsarzt in einer Einrichtung für suchtkranke Kinder und Jugendliche, und dort hat man jetzt auch den Schritt gewagt. Eine Bewohnerin durfte mit ihrer Katze einziehen. Das ist natürlich eine besondere Herausforderung, da Tiere sehr individuell sind und nicht geprüft werden konnte, ob das Tier überhaupt dafür geeignet ist, in einer solchen Einrichtung zu leben. Aber mich freut dieser Schritt. Ich habe in 15 Jahren ärztlicher Tätigkeit schon so oft erlebt, welch wichtige Stütze Tiere für Menschen sein können – sowohl das private Tier, als auch der Therapiehund, der zu Besuch kommt.
Tiere in Münchner Kliniken
Dass der Kontakt zu Tieren einen großen -Beitrag zur Genesung von Menschen leisten kann, ist auch in Münchner Kliniken Alltag: Allerdings werden dafür entweder eigene oder engagierte Therapietiere eingesetzt. Private Tiere müssen leider draußen bleiben. Pressesprecher Raphael Diecke vom Städtischen Klinikum München: „Bei besonderen Umständen empfehlen wir, sich vorher bei der jeweiligen Klinik zu informieren. Wenn z. B. ein Besucher einen Blindenhund braucht, wird sich vom Personal -jemand um den Hund kümmern, und jemand wird dem Besucher innerhalb der Klinik zur Seite stehen.“ Carolin Weidmann von den Schön-Kliniken berichtet, dass selbst der Kliniktherapiehund Gioa auch nicht in alle Räume darf, sondern immer auf bestimmten Wegen und Schleusen zu den Kranken gebracht wird. Im Klinikum rechts der Isar werden immer mal wieder Therapiehunde eingesetzt, die Anschaffung eines eigenen Hundes wurde aber gerade abgelehnt. Auch hier gilt, so Sprecherin Eva Schuster, dass die Tiere nur in die Abteilungen kommen können, auf denen die Hygiene nicht das beherrschende Thema ist.
Dr. Armin Claus hat in München ein Veterinärmedizinstudium absolviert und sich als Tierarzt das Studium der Humanmedizin finanziert. Er ist Kinder- und Jugendpsychiater sowie Familientherapeut und stellvertretender Chefarzt einer großen Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Köln.
sus