Lorin Maazel († 84): Der bewegende Abschied

München - In der Michaelskirche fand am Montagabend die bewegende Trauerfeier für Lorin Maazel statt, der am 13. Juli im Alter von 84 Jahren verstorben ist.
Renaissance bedeutet Wiedergeburt – und ist die schönste Epoche der Kulturgeschichte, weil der Mensch hier heraustritt aus vielen Zwängen und sich seiner selbst bewusst wird. Die Michaelskirche ist im Renaissance-Stil erbaut. Welcher Ort könnte würdiger, menschlicher sein als Münchens schönste Kirche? Hier fand am Montagabend die Trauerfeier für Lorin Maazel statt, der am 13. Juli im Alter von 84 Jahren verstorben ist.
München ehrt einen

der größten Pultstars der Welt – und garantiert den technisch perfektesten, bei dem sich jeder Musiker sicher und geborgen fühlte. Und so war es eine ebenso schöne wie logische Sache, dass Maazels zwei einstige Orchester und Chöre zusammen Brahms’ Deutsches Requiem zelebrierten. Es ist nicht hoch genug zu loben, dass etliche Münchner Philharmoniker nebst Philharmonischem Chor und BR-Symphoniker nebst Chor in ihrer Urlaubszeit Maazel einen ergreifenden Abschied bereiteten. Ein tiefer Dank an alle Musiker, die tollen Solisten Christiane Karg und Georg Zeppenfeld und alle, die das Konzert ermöglicht haben – bei freiem Eintritt. Großer Respekt vor der Leistung des Philharmonischen Chorleiters Andreas Herrmann, der das Werk einstudierte. Dafür blieb dem Dirigenten des Konzerts, dem künftigen Philharmoniker-Chefdirigenten Valery Gergiev, keine Zeit. Er reiste zum Konzert an. Und erhielt eine Deutschstunde, weil sich die Choristen ohne Anleitung des Pultstars allein durch den Text bewegen mussten. Bis auf kleine unterschiedliche Tempo-Auffassungen (vor allem in den Fugen) hatte Valery Gergiev, der ohne Stab dirigierte, alles im Griff.
D

ie Musiker spielten und sangen für Lorin Maazel, in tiefem Respekt, mit Wehmut und Wachsamkeit. Der Geist des toten Maestro durchwehte die Aufführung – und wir dürfen annehmen, dass der Geehrte vom Himmel herab sein verschmitztes, hellwaches und warmes Lächeln gesendet hat. In etwa so, wie es die Besucher auf dem Schwarz-Weiß-Porträt auf der Bühne sehen konnten.
Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?, heißt es im dramatischsten, sechsten Teil des Deutschen Requiems, das mit archaischer Wucht und größter Passion durch die Halle donnerte. Es gibt keinen Stachel, es gibt keinen Sieg der Hölle. Hier, in der schönsten Renaissancekirche nördlich der Alpen, spürte man die Kraft der Klassik: Hier wurden Trauer und Tod beim Wort genommen, sich dem Dunklen gestellt – und das Leid überwunden. Mit aller Liebe, Kraft und Schönheit, die Brahms’ unsterblicher Totengesang uns geschenkt hat.
Matthias Bieber
Auf www.br-online.de können Sie das Konzert im Internet sehen, und am 27. Juli um 10 Uhr sendet das Bayerische Fernsehen einen Mitschnitt.