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Vielen Bordellen in München droht Pleite: Domina lebt von 200 Euro im Monat - und muss Hund abgeben

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Nur unterwegs aber ohne Verdienst: Eine Domina aus München ist seit Beginn der Corona-Krise arbeitslos.
Nur unterwegs aber ohne Verdienst: Eine Domina aus München ist seit Beginn der Corona-Krise arbeitslos. © Klaus Hausmann

Seit Mitte März sind die Bordelle in Deutschland mittlerweile geschlossen. Einige Freudenhäuser sind von der Pleite bedroht. Deshalb regt sich nun Widerstand.

München - Seit vier Monaten lag niemand mehr auf der Streckbank im Bizarr-Erotik-Studio Castell Roissy in Sendling. Mitte März mussten Bordelle wegen Corona zusperren, seitdem warten die Betreiber auf grünes Licht fürs Rotlicht. Am Donnerstag protestierten deshalb Prostituierte und Betreiber in ganz Deutschland für die Öffnung.

Das Geschäft hat sich verlagert - in Hotels, ins Ausland oder auch in Wohnungen von Freiern. Grund sind die bayerischen Corona-Auflagen: Prostitution darf grundsätzlich stattfinden, nur eben nicht in Bordellen oder im Münchner Sperrbezirk. Ein Umstand, den die Damen im Castell Roissy nur noch mit einem resignierten Kopfschütteln kommentieren. „Hier sind wir sicher, wir passen aufeinander auf“, sagt die hauptberufliche Domina Ivana (Name geändert, Anm. d. Red.).

Diesen Anblick darf derzeit kein Kunde genießen: Das Domina Bizarr Studio Castell Roissy muss geschlossen bleiben.
Diesen Anblick darf derzeit kein Kunde genießen: Das Domina Bizarr Studio Castell Roissy muss geschlossen bleiben. © Michaela Rehle

Bordelle in der Corona-Krise: Domina lebt von 200 Euro Kindergeld und musste Hund abgeben

In Hotels sei das oft anders. „Ich weiß nicht, wer da auf mich wartet, mir ist es zu gefährlich.“ Ivana hat ein Kind im Ausland. Normalerweise arbeitet sie eine Woche im Münchner Bizarr-Studio und reist dann wieder für ein, zwei Wochen zu ihrem Kind. „Jetzt leben wir von 200 Euro Kindergeld. Ich musste sogar unseren Hund hergeben, weil wir kein Geld fürs Futter hatten“, sagt sie.

„Leute sagen oft: Warum gehen die nicht normal arbeiten - aber so einfach ist es nicht!“, meint Ivanas Kollegin, die sich Roberta Jones nennt. „Ich habe zwei gute Ausbildungen, trotzdem erhalte ich nur Absagen.“ Seit März sucht die 40-Jährige nach einem Job. In ihrem Lebenslauf klafft eine Lücke - 15 Jahre, die sie hinbiegen muss. „Wir kämpfen ohnehin mit Stigmatisierung, ich habe keine Wahl“, sagt Jones.

Bordelle in der Corona-Krise: Aus manchem Bordell wurde schnell ein Hotel

Die prekäre Corona-Situation hat zur Folge, dass immer mehr Prostituierte ins illegale Milieu abwandern. Das stellt auch Peter Witzl vom Kommissariat für Prostitution der Münchner Polizei fest. „Die Bordellbetreiber halten sich zwar gut an die Schließung, dafür erhalten wir Meldungen von Hoteliers, die illegale Prostitution in ihren Häusern feststellen“, so der Kommissar. Doch es gibt eine Grauzone: Einige Stundenhotels haben sich vom Bordell in ein Hotel umgemeldet. „Wenn die nicht im Sperrbezirk liegen, liegt da keine Ordnungswidrigkeit vor“, so Witzls Einschätzung.

Ein Umstand, den viele Betreiber kritisieren. „Wir bleiben hinter dem Deckmantel eines angeblichen Infektionsschutzes geschlossen, dabei haben wir hier auch schon vor Corona strenge Hygienevorschriften gehabt“, sagt Madame Yvonne, Betreiberin des Castell Roissy. Täglich erhalte sie verzweifelte Anrufe von Frauen, die sich in ihrem Studio Zimmer anmieten. „Die Frauen haben jahrelang selbstständig gearbeitet, Steuern gezahlt und jetzt stehen sie vorm existenziellen Ruin. Da läuft doch was verkehrt!“

Seit Mitte März haben Bordelle zu: Ein Umstand, den die Bordell-Betreiberinnen Andrea und Patricia von „Pearls24“ kritisieren.
Seit Mitte März haben Bordelle zu: Ein Umstand, den die Bordell-Betreiberinnen Andrea und Patricia von „Pearls24“ kritisieren. © Michaela Rehle

Bordelle in der Corona-Krise: Baldige Öffnung ist die letzte Hoffnung

Ähnlich denken Andrea und Patricia, die das Pearls24 in der Aschauer Straße betreiben. „Erst letzte Woche hat eine Prostituierte bei uns im Bordell übernachtet, weil sie kein Geld mehr für eine Unterkunft hatte.“ 7000 Euro koste die Miete des Hauses in Giesing. „Jetzt will der Vermieter sein Geld. Es kann sein, dass wir im August aufgeben müssen. Wir haben zum ersten Mal in unserem Leben Schulden“, sagt Patricia. Ihre letzte Hoffnung: eine baldige Öffnung. (Stéphanie Mercier) *tz.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks

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