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Todkranke Nina Zacher (46) verfasst ihre letzte Botschaft

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Von: Jasmin Menrad

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Nina und Karl-Heinz Zacher sind die Wirte von der Emmeramsmühle und sind seit 22 Jahren ein Paar. Die todkranke Nina hat ihre letzten Kräfte zusammengenommen, um auf Facebook eine letzte Botschaft zu hinterlassen. © Morosini

München - Nina Zacher leidet an ALS - die heimtückische Krankheit ist unheilbar, die Patientin ist in ihrem Körper gefangen. Auf Facebook hat die Wirtin von der Sankt Emmeramsmühle nun ihre Abschiedsbotschaft gepostet.

Update vom Mai 2016: Am Ende verlor sie den aussichtslosen Kampf gegen die unheilbare Nervenkrankheit ALS. Nina Zacher, deren Schicksal viele Leute bewegte, ist tot.

Buchstabe für Buchstabe, zweieinhalb Tage lang, hat Nina Zacher (46) ihre wahrscheinlich letzte Botschaft geschrieben. Mit einem augengesteuerten Computer hat sie jeden Buchstaben einzeln ausgewählt, Fehler verbessert, an ihren Worten gefeilt. Zwischendrin musste sie immer wieder Pausen machen. Am Samstag um 19.53 Uhr veröffentlich sie auf Facebook ihre voraussichtlich letzte Nachricht.

Nina Zacher, die Wirtin von der Sankt Emmeramsmühle, ist seit 2012 unheilbar an ALS erkrankt (tz berichtete). Ihr Geist ist wach, doch Nina ist gefangen in ihrem Körper. Ihre Muskeln sind verkümmert, die Gelenke sind erstarrt, der ganze Körper krampft. „Meine Sprache ist bis auf ein unverständliches nicht mehr wahrnehmbares Krächzen unwiederbringlich verstummt“, schreibt Nina. Über 2300 Mal wurde dieser Facebook-Post binnen 24 Stunden geteilt. Freunde – und auch Fremde – schreiben Nina, dass sie ein Vorbild ist und sie täglich an sie denken.

Nina will sterben und ihrem Leiden ein Ende setzen

Nina und ihre Familie wissen, dass ihre Zeit gekommen ist. „Wir rechnen täglich damit, dass sie morgens nicht mehr aufwacht“, sagt ihr Mann Karl-Heinz Zacher (46), dem Nina unlängst einen rührenden Brief geschrieben hatte. Ninas Körper funktioniert nicht mehr, aber ihr Geist ist gesund. „Sie kann sich nicht mehr selbst bewegen. Jede Bewegung muss von außen durchgeführt werden. Die Kommunikation ist schwierig geworden, doch wir haben eine Routine darin. Ich frage ab, was ihr fehlt, was sie möchte“, erklärt Karl-Heinz Zacher.

Seit 22 Jahren sind Nina und Karl-Heinz ein Paar. Ihre vier Kinder

St. Emmeramsmuehle
© Götzfried

sind 4, 7, 12 und 14 Jahre alt. Manchmal erzählt eines der Kinder eine lustige Geschichte aus der Schule. Dann muss die ganze Familie lachen. „Diese Momente des Glücks dauern nur einen Augenblick. Meine Frau erträgt den Horror in ihrem Körper 24 Stunden täglich“, sagt Karl-Heinz Zacher. Nina wünscht sich, dass dieses Leiden bald vorbei ist. Sie will sterben. „Wir sind diesen langen Weg gemeinsam gegangen. Natürlich will ich nicht, dass Nina stirbt, aber auch nicht, dass sie das alles noch länger erleiden muss. Ich respektiere, was meine Frau möchte“, sagt Karl-Heinz Zacher.

Als Nina noch sprechen konnte, hat sie ein Video aufgenommen und Ende 2015 im Internet veröffentlicht. „Manches zu toppen was ich erlebt habe, wäre fast unmöglich. Deshalb kann ich rückblickend sagen, es war ein gutes Leben“, sagt sie darin. Dieses Leben soll nicht durch Maschinen verlängert werden. So wünscht es sich Nina. Und bis zum Ende will sie bei ihrer Familie daheim sein.

Nina Zacher entschuldigt sich bei all jenen, denen sie nicht mehr auf ihre Nachrichten antworten kann. Sie wird es nicht mehr schaffen. „Mit den meisten meiner Gedanken bin ich jetzt alleine und ich kann sie nicht mehr mitteilen“, schreibt Nina. Dabei sind gerade jetzt so viele Menschen wie noch nie mit den Gedanken bei ihr.

Nina schreibt über...

… Ihren Zustand: „Ich bin täglich auf ein Neues überrascht, wie es möglich ist, immer noch am Leben zu sein. (…) In der Kommunikation mit mir und meinen bereits auf ein unerträgliches Minimum reduzierten Bedürfnissen, ereignen sich oft wahre Dramen, weil man mich nicht mehr versteht.“ Bei einer Größe von 1,78 Metern wiegt Nina Zacher noch knapp 35 Kilo. „Meine spitzen Knochen bohren sich durch das Liegen langsam durch meine Haut und ich kann nicht mal mehr schreien. Ich bin verzweifelt, leide aber an solcher Atemnot, dass ich mir – um nicht Panik zu bekommen – Tränen nicht erlauben darf.“

… Freunde und Nachbarn: „Mein Geburtstag vor zwei Wochen war eine extrem bittere Enttäuschung.“ Nina beklagt, dass selbst an ihrem offensichtlich letzten Geburtstag die Menschen nur eine elektronische Nachricht schreiben. „Dennoch hätte ich mich so sehr über ein, zwei kleine, bunt verpackte Sinnlosigkeiten gefreut.“ Die Nachbarn passen Besuche ab, um zu erfahren, wie es Nina geht. Aber sie waren noch nie bei den Zachers, um zu helfen. „Ich würde mich schämen.“

… das Sterben: „So leicht stirbt man nicht, sagte meine Mutter immer. (…) Nicht nur das, den Tod muss man sich verdienen, das weiß ich jetzt. Denn zwischen der Erkenntnis, dass man bald sterben wird, bis man es tatsächlich geschafft hat, liegt ein meist langer, qualvoller Weg.“ Nina erinnert daran, dass täglich Menschen diesen letzten Weg gehen – oft allein und hinter verschlossenen Türen, so dass es niemand mitbekommt. Eine Seelsorgerin hat Nina besucht, obwohl sie vor vielen Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten ist. Dafür ist Nina dankbar. „Nächstenliebe, Mitgefühl und etwas für jemanden tun, ohne stets nur an seinen eigenen Vorteil zu denken, können nur die wenigsten Menschen, die ich einmal kannte.“

Liebe Botschaften für todkranke Nina: "Du bist so stark"

Seit Wochen verfolgen Menschen in Deutschland die Facebook-Botschaften der todkranken Nina Zacher. Vor allem auf ihre letzte bekommt sie herzliche Nachrichten zurück.

tz-Stichwort ALS

Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) tötet nach und nach die Nerven, die Muskeln steuern. Die Krankheit lähmt Arme, Beine, Zunge – später auch die Atmung. Geistig bleiben die Patienten voll da. Die Ursachen der Krankheit sind unerkannt, überhaupt ist ALS wenig erforscht. In Deutschland leiden etwa 7000 Menschen an der unheilbaren Nervenkrankheit. Der Maler Jörg Immendorff († 61) starb 2007 an ALS. Der Astrophysiker Stephen Hawking (74) leidet an einer Form mit einem extrem langsamen Verlauf. Den meisten Patienten bleiben nach der Diagnose vier bis sechs Jahre zu leben.

Nina Zacher bittet um Spenden für das Palliativteam, das sie betreut: „Behütet leben und sterben“,

IBAN:DE957025 0150 0010 546604,

Kreissparkasse München Starnberg, BIC: BYLADEM1KMS

Jasmin Menrad

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