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Türkei-Experte: "Kein Zufall, dass Touristen getroffen wurden"

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In Istanbul starben mindestens zehn Menschen. © AFP

Istanbul - Nach dem Attentat in Istanbul spricht ein Türkei-Experte in der tz über das Ziel und die Folgen für die türkische Regierung.

Der Selbstmordattentäter soll sich direkt in der Nähe einer deutschen Reisegruppe in die Luft gesprengt haben. War das auch eine Botschaft an Deutschland?

Prof. Udo Steinbach: In diesem Fall ist es sicherlich Zufall gewesen. Aber es ist kein

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Prof. Udo Steinbach. © IMAGO

Zufall, dass gerade Touristen getroffen wurden. Denn darum geht es: Den Strom der Besucher zu bremsen, und die Türkei dadurch ökonomisch zu schwächen. Und das Land damit auch anfälliger für Instabilitäten aller Art zu machen.

Der türkische Regierungschef Erdogan hat sich auffallend schnell geäußert, dass es sich um einen syrischen Attentäter handelte. Was halten Sie davon?

Prof. Steinbach: Eigentlich bedeutet dieses Statement nicht viel: Syrischer Attentäter – das kann ein Mitglied des Islamischen Staates sein, das kann ein syrischer Kurde sein, das kann aber auch ein Angehöriger einer linksextremen Organisation gewesen sein, die von Assad gegen Ankara unterstützt wird. Es ist eigentlich keine präzise Äußerung, welche politische Richtung wirklich hinter dem Attentat steht.

Welchen Eindruck vermittelt der Anschlag denn auf Sie?

Prof. Steinbach: Ich bin ziemlich sicher, dass es sich um eine Fortsetzung der IS-Attentate handelt, die wir im Juli in Suruc und im Oktober in Ankara erleben mussten. Der Unterschied ist, dass wir aktuell einen Anschlag an einem zentralen Platz des Tourismus haben und dass auch nicht türkische Bürger unter den Opfern sind. Und das ist eine neue Eskalation.

Die türkischen Behörden haben eine Nachrichtensperre verhängt, die sowohl türkische Medien als auch die örtliche Bevölkerung verärgert...

Prof. Steinbach: Das bestätigt meine Ansicht, dass die türkischen Behörden peinliche Überraschungen vermeiden wollen. Man will so ausloten, was man sagt oder besser nicht.

Wie schnell werden wir wissen, welche politische Botschaft tatsächlich hinter dem Anschlag steckt? 

Prof. Steinbach: Die türkische Regierung ist in der Regel sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, konkrete Hintergründe solcher Attentate zu benennen. In jedem Fall ist der Anschlag ein Angriff auf die politische Existenz der Türkei. Denn es zeigt – egal, welcher Name genannt wird –, dass die türkische Außenpolitik in eine Sackgasse geraten ist. Und dass sie sowohl in ihrem Handeln gegen den IS, den man zum Teil unterstützt hat, als auch in der Kurdenfrage kontraproduktiv gewesen ist und lediglich Gewalt erzeugt hat.

Wie muss die Reaktion der Türkei Ihrer Meinung nach aussehen?

Prof. Steinbach: Das Traurige ist, dass die Türkei im Moment kein Konzept hat. Weder zur Bekämpfung des Islamischen Staates, noch was die Gestaltung der Beziehung zu den Kurden anbelangt. Und solange Ankara hier keine Strategien hat, solange wird die Türkeit terroristischen Anschlägen ausgesetzt sein.

Werden wir nun ein verstärktes Engagement der Türkei in Syrien erleben? Und wie geht es mit den Kurden weiter?

Prof. Steinbach: In der Kurdenfrage ist der Rubikon längst überschritten. Hier ist ein Bürgerkrieg im Südosten im Gange, der so schnell nicht beizulegen ist. Im Kampf gegen den IS hat die Türkei sich jetzt Saudi-Arabien angeschlossen und dadurch zugleich eine konfessionelle Verwerfung zu den Schiiten im Iran produziert. Und das wiederum bedeutet eine Schwächung insgesamt im Kampf gegen den IS.

Interview: K. Basaran

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