Terror-Experte im tz-Interview: "Es sind nicht nur leere Drohungen!"

München - Rolf Tophoven ist seit den 70er-Jahren ein renommierter Terrorismus-Experte und Geheimdienst-Kenner. Das tz-Interview:
War dieser Terroralarm überzogen?
Terror-Experte Rolf Tophoven: Die Informationen, die die bayerische Polizei hatte, waren so konkret, dass die Behörden reagieren mussten. Hier war offensichtlich eine Aktion geplant, die jener von Paris ähnelte: An mehreren Orten der Stadt sollte gleichzeitig mit Kalaschnikows und Sturmgewehren zugeschlagen werden.
Wenn zwei Anschlagsorte von den Behörden konkret benannt werden: Warum haben die Terroristen nicht einfach an einem dritten Ort zugeschlagen? Warum haben sich die Terroristen ganz von der Tat abschrecken lassen?
Tophoven: Man muss wissen, dass der Terrorismus heute eine neue, innovative Struktur hat. Terroristen sind flexibel. Offensichtlich war durch die Kommunikation der Terroristen, die zwei ausländische Nachrichtendienste abgehört hatten, bekannt, dass der Hauptbahnhof und der Pasinger Bahnhof Ziele waren. Das schließt andere Ziele natürlich nicht aus! Nur durch die schnelle, besonnene und sehr effiziente Reaktion der Münchner und auch der bayerischen Polizei wurde die Tatausführung verhindert.
Ist solch ein Alarm an einem emotionalen Tag wie Silvester für die Terroristen nicht schon ein Erfolg?
Tophoven: Es sind nicht nur leere Drohungen! Die Terroristen versuchen schon, diese Drohungen in die Tat umzusetzen. Symbolträchtige Ereignisse und Tage wie Weihnachten oder Silvester bieten dem IS Anschlags-Daten, die den größten medialen Hype versprechen.
Ist die Gefahr für uns Münchner jetzt gebannt?
Tophoven: Natürlich ist nie auszuschließen, dass ein Einzeltäter oder eine bislang unbekannte Gruppe durch die Netze der Sicherheitsdienste schlüpft. Aber nach allem, was man derzeit sagen kann, ist die Gefahr vorerst gebannt. Die Münchner Polizei hat durch ihr besonnenes und wachsames Verhalten bewiesen, dass sie auch die künftige Lage angemessen bewerten und meistern wird. Die Münchener Polizei ist hier in Sachen Professionalität hervorragend aufgestellt, weil sie durch zwei alljährliche Großereignisse einen beispiellosen Erfahrungsschatz gesammelt hat: die Sicherheitskonferenz und das Oktoberfest.
Interview: Klaus Rimpel
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