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tz-Kommentar zur Silvester-Terror-Warnung: Feiern als Waffe

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Klaus Rimpel
Klaus Rimpel © Westermann Michael

München - Nun ist der Terror des IS also auch auf eindringliche Art zumindest in den Köpfen der Münchner angekommen. Doch davon sollte man sich nicht beeindrucken lassen. Ein Kommentar.

Traue ich mich noch, um Mitternacht auf die Leopoldstraße oder auf den Olympiaberg zu gehen, um mir das Feuerwerk anzuschauen? Und was ist mit den Kindern, die irgendwo in der Innenstadt mit Freunden Silvester feiern und dann mit der S-Bahn heimkommen wollten? Was wir Münchner beim Terror von Paris oder beim abgeblasenen Länderspiel in Hannover noch aus der Ferne beobachteten, rückte an diesem Silvesterabend erschreckend nahe an uns heran. Die „abstrakt erhöhte Gefahr“, von der Politiker so gerne sprechen, war plötzlich verdammt konkret, trug vertraute Namen wie „Pasinger Bahnhof“.

Terror, das ist nicht nur die brutale Gewalt von Anschlägen, sondern generell das Verbreiten von Angst und Schrecken. So gesehen ist auch solch ein Alarm, bestimmte Bahnhöfe und öffentliche Orte zu meiden, Teil des Konzepts der Verbrecher. Gehen Polizei, Politik und wir Medien den Terroristen also auf den Leim, wenn wir solch eine Terrorwarnung verbreiten? Nein, nicht wenn so besonnen reagiert wird, wie wir es an diesem Silvesterabend in München erlebten. Die Münchner ließen sich trotz der Warnung nicht vom Feiern abhalten. Und die Polizei vermittelte ein Gefühl der Sicherheit, ohne allzu martialisch aufzutreten und Quasi-Kriegs-Hysterie zu schüren.

Wenn konkrete Hinweise auf Anschlagspläne da sind, müssen die Behörden reagieren und die Gefahr möglichst deutlich benennen – das ist, um das Lieblingswort der Kanzlerin zu zitieren, alternativlos. Umgekehrt wäre es skandalös: Wenn ein Anschlag gelingen würde, von dem die Geheimdienste gewusst, uns aber nichts mitgeteilt hätten.

Es ist noch einmal gut gegangen. Aber spätestens jetzt ist klar, dass jedes Großereignis, ob Rockkonzert oder Parteitag, ob Fußballspiel oder Oktoberfest, in diesen IS- und Al-Kaida-Zeiten unter dem Vorbehalt der Terrorgefahr steht. Eigentlich leben wir damit schon seit dem 11. September 2001. Weiterfeiern, weiterleben auf unsere Münchner Art: Das ist wohl die beste Waffe gegen die Feinde unseres Lebensstils, den IS.

Den Live-Ticker mit allen Informationen vom Sonntag nach der Terror-Warnung an Silvester lesen Sie hier bei tz.de.

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Klaus Rimpel

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