Landauer-Neffe erzählt: So war mein Onkel Kurt

München - Uri Siegel ist der Neffe des legendären Bayern-Präsidenten Kurt Landauer. Die tz traf den 91-Jährigen zum Interview - und erfuhr dabei die eine oder andere spannende Geschichte.

Bis vor Kurzem habe ich gedacht, mich kann nichts mehr verwundern oder überraschen.“ Uri Siegel, Rechtsanwalt und stolze 91 Jahre, sitzt aufrecht in seinem Sessel und schmunzelt. Der Neffe des ehemaligen FC-Bayern-Präsidenten Kurt Landauer hat viel von der Welt gesehen und erlebt. Da waren gute und schöne Ereignisse, wie die erste Meisterschaft des Vereins seines Onkels im Jahr 1932, und solche, die es nie hätte geben dürfen: Siegel erlebte auch die dunklen Jahre der deutschen Geschichte. Nach der Machtergreifung durch Adolf Hitler wanderte er 1934 gemeinsam mit seiner Familie nach Palästina aus, erfuhr von unzähligen Morden, auch an Angehörigen seiner Familie, und sah, wie sein Onkel Kurt den Posten als FCB-Präsidenten aufgeben musste und ins Exil in die Schweiz ging – um zu überleben.
"Landauer - der Präsident" am Mittwoch im Ersten
„Vor einiger Zeit hat mich dann aber doch etwas überrascht und erfreut“, berichtet Siegel heute. „Das plötzliche Interesse an meinem Onkel.“ Alles begann damit, dass sich die Münchner Fangruppierung „Schickeria“ an Siegel wandte. „Man bat mich um die Erlaubnis, T-Shirts mit dem Konterfei von Kurt Landauer anzufertigen“, berichtet der Neffe des ehemaligen FCB-Präsidenten. „Dieses Projekt wurde umgesetzt. Ich denke, das war der Anfang von allem.“ Denn bei den T-Shirts blieb es nicht. Die Münchner Schickeria startete mehrere Stadion-Choreografien zu Ehren Kurt Landauers. Ein Regisseur wurde aufmerksam. Was folgte war zunächst eine Reportage, daraufhin sogar ein Spielfilm: Landauer – der Präsident. Ein Drama, das die ARD und der BR gemeinsam produzierten und das am Mittwoch um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen sein wird.

Siegel war bereits bei einer der Premieren. „Der Film als solcher ist gut“, sagt der 91-Jährige. „Nur erkenne ich in ihm meinen Onkel Kurt nicht so richtig wieder.“ Aber warum? Wie war Kurt Landauer, der Mann, der mit dem FC Bayern den ersten Titel feierte und der den Verein nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufbaute? Siegel: „Er war nicht so verbissen, wie er im Film dargestellt wird.“ Der Onkel habe nie viel über seine bedeutende Tätigkeit gesprochen, so Siegel. „Mir kam es damals gar nicht in den Sinn mit meinem Onkel, dem Bayern-Präsidenten, anzugeben“, erinnert sich der 91-Jährige. Wie er Kurt Landauer beschreiben würde? „Er liebte gutes Essen, einen guten Wein – die schönen Dinge im Leben“, lacht Siegel.
Der Landauer-Neffe und gebürtige Münchner wird ebenfalls im Film dargestellt. Gleich zu Beginn wird der junge Uri gezeigt, wie er mit neun Jahren vor dem Radio sitzt und gespannt das Finale um die Meisterschaft 1932 verfolgt. „Das war wirklich so“, sagt Siegel. „Die gesamte Familie hatte sich im Haus der Tante versammelt. Ob die Erwachsenen sich das komplette Spiel angehört haben, weiß ich nicht mehr … Ich habe allerdings keine Sekunde verpasst.“ Stolz sei er auf den Onkel gewesen, sagt Siegel. „Ich bin kein FC Bayern-Mitglied und war es auch nie. Aber das war etwas ganz Großes.“

Heute trinkt Uri Siegel auf jedes Tor des Vereins seines Onkels einen Enzian-Schnaps. Hin und wieder ist er bei den Spielen in der Allianz Arena dabei. Auch Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge & Co. kennt er persönlich. Was es für ihn bedeutet, dass sein Onkel, der nach seiner Abwahl 1951 etwas in Vergessenheit geriet, nun wieder in aller Munde ist? An dieser Stelle sind wir erneut bei der Aussage vom Anfang. „Dieser große Zuspruch, auch der, den ich durch die Münchner Fan-Gruppierungen erfahre, hat mich überrascht und sehr gefreut.“
Und auch wenn der am Mittwoch in der ARD laufende Spielfilm nicht alle Erinnerungen Siegels zu hundert Prozent bestätigt, wird er eines mit Sicherheit bewirken: Noch mehr Menschen mit dem Wirken Kurt Landauers zu faszinieren und zu begeistern – um ihn so auch in Zukunft in Ehren zu halten.
Landauer – eine Legende lebt …
Der Film: Mit der Machtergreifung der Nazis verliert Kurt Landauer, Bayer und Jude, seinen Posten als Vereinsboss des FC-Bayern. Er flieht ins Schweizer Exil und kehrt nach Kriegsende nach München zurück, um sich ein Visum für Amerika zu besorgen. Als er die alten Vereinskameraden (u.a. Herbert Knaup, erstes Szenenfoto, li.) trifft, packt ihn erneut das Fußballfieber. Landauer beginnt mit dem Wiederaufbau seines zerstörten Lebenswerkes. Es ist vor allem der grandiosen schauspielerischen Leistung von Josef Bierbichler zu verdanken, dass im TV-Drama „Landauer – der Präsident“ ein ganz besonderer Mensch zum Leben erwacht. Unter der Regie von Hans Steinbichler ist ein stimmungsvolles, mitreißendes Porträt entstanden.
Lena Meyer