Was ist nur mit Lewandowski los?

München/Hamburg - Robert Lewandowski wurde in Hamburg in der 66. Minute eingewechselt. Der Knoten ist immer noch nicht so recht geplatzt beim Polen. Thomas Müller verging am Samstag sogar der Humor.
Die Tage im Jahr, an denen Thomas Müller nicht zu Scherzen aufgelegt ist, sind äußerst rar. Der vergangene Samstag aber war einer von ihnen. Der Nationalspieler kam mit bierernster Miene aus der Kabine marschiert. Geduscht hatte er in Rekordzeit, und auf die Journalisten lief er zu, obwohl ihn niemand explizit heran gewunken hatte. Müller wollte etwas los werden nach dieser Nullnummer des FC Bayern beim Hamburger SV. Und stellte gleich klar: „Für Ironie bin ich heute ausnahmsweise mal nicht zu haben.“ Der letzte Clown im Team verliert den Humor. Ein sicheres Zeichen dafür, dass die Stimmung beim deutschen Rekordmeister derzeit alles andere als gut ist.
Vier Spiele, acht Punkte – das ist keine schlechte Liga-Bilanz. Aber dieser Auftritt in der Hansestadt gab doch Anlass zur Sorge. „Wir haben die erste Halbzeit im Tiefschlaf verbracht“, sagte Müller und redete sich regelrecht in Rage. „Die Spannung, die man in einem Bundesliga-Spiel braucht“, habe gefehlt. „Der Zug aufs Tor“. Kurzum: „Die Tore. Und dann stehen wir jetzt da und müssen uns ärgern.“ Und wie. In Wiesn-Stimmung war niemand, der bei strahlenden Sonnenschein im Hamburg in den Bus einstieg.
„Es ist noch nichts passiert. Aber wir müssen die Situation nun ernst nehmen“, sagte Torhüter Manuel Neuer. Die Bayern hatten nach der wohl besten Saisonleistung gegen Manchester City (1:0) gedacht, die WM-Nachwehen seien überwunden. Die Zeit für die Regeneration war nach dem kraftraubenden Auftakt der Champions League kurz, Pep Guardiola hatte einige seiner Stars deshalb draußen gelassen. „Aber es zählen keine Ausreden“, sagte Jerome Boateng: „Es muss von uns einfach mehr kommen.“ „Mehr“, damit meinte der erneut beste Mann im Bayern-Dress in der ersten Halbzeit alle Attribute, die guten Fußball ausmachen. In den zweiten 45 Minuten arbeitete sich das Offensiv-Ensemble, in dem Guardiola mit den Einwechslungen von Mario Götze und Robert Lewandowski das 100. Bayerntor unter seiner Regie und damit den Sieg erzwingen wollte, immerhin Möglichkeiten. Aber das Tor fiel nicht.
Es ist schon ein bisschen kurios, dass dieser auf Offensiv-Fußball ausgerichteten Bayern-Mannschaft in den ersten Liga-Spielen ausgerechnet die Torgefahr abgeht. Mit ein paar Wacklern in der Abwehr hatte man eher rechnen können. Aber die steht sattelfest. „Die Abläufe, der letzte Pass, die Genauigkeit, die Konzentration“, all das fehle derzeit, sagte Boateng mit Blick auf seine Vordermänner. Philipp Lahm ergänzte: „Es ist nicht so, dass wir zu wenig Torchancen haben. Wir haben genug. Nur machen wir die nicht rein.“
Schon gegen ManCity musste Boateng in letzter Sekunde einspringen, in der Liga haben die Bayern in den ersten vier Spielen gerade mal fünf Treffer erzielt. Zum Vergleich: Im letzten Jahr waren es sieben, im vorletzten sogar 14. Die Überraschungsmomente der verletztem Franck Ribery und Arjen Robben fehlen. Aber auch der Rest schwächelt.
Was ist nur mit Lewandowski los?
Vor allem Robert Lewandowski wirkt nach wie vor, als sei er noch nicht bei seinem neuen Arbeitgeber angekommen. „An ihm liegt es nicht. Er ist ein Weltklasse-Stürmer und wird noch viele Tore schießen“, sagte Boateng zwar. Die Frage, die auch Lewandowski selbst beschäftigt, ist aber: Wann? Denn auf Aktionen wie in den letzten Jahren im Dortmunder-Trikot wartet man beim polnischen Nationalspieler seit der zweifellos vielversprechenden Vorbereitung vergeblich.
„Bis Dezember wird es eine schwere Zeit“, sagte Guardiola sichtlich angefressen. Direkt nach dem Abpfiff war der Trainer in die Katakomben geeilt, hatte nicht mal seinem Gegenüber Josef Zinnbauer zu dessen erfolgreichem Einstand beim HSV gratuliert. Es wirkte, als wolle er keine Sekunde verlieren, um die Partie zu analysieren. Denn schon morgen (20 Uhr) reist der SC Paderborn an. Und der steht in der Tabelle vor den Bayern.
Lustig? „Nein“, sagte Müller, stockte, und fügte hinzu: „Gar nicht.“
Hanna Schmalenbach