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Breitner: "Habe immer gesagt: 'Im Fußball wird gedopt!"

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Paul Breitner.

München - "Der Fußball lässt sich nichts vorschreiben, der lebt in seiner eigenen Gesetzgebung", weiß Paul Breitner. Im tz-Interview spricht der ehemalige Klümper-Patient über Doping, Lügen und eine heilige Kuh.

Herr Breitner, die Sportwelt ist in Aufruhr, im Fußball soll gedopt worden sein. Ihre Meinung?

Breitner: Ich habe mich schon zu diesem Thema geäußert, als alle gesagt haben, dass es im Fußball kein Doping gibt. Fußball sei eine Mannschaftssportart, da würde es keinen Sinn machen, hieß es. Ich habe als Aktiver und auch nach meiner Karriere immer gesagt, dass im Fußball gedopt wird. Außer mir hat Toni Schumacher darüber gesprochen, ganz schlicht und nüchtern, dennoch haben wir beide viel Kritik deswegen abbekommen.

Im Zuge der Berichterstattung zu Herrn Doktor Klümper fällt auch Ihr Name.

Breitner: Es ärgert mich, dass ich in diesem Zusammenhang immer wieder auftauche. Ich war ein einziges Mal bei Herrn Klümper, damit er meinen eingerissenen Meniskus untersucht. Aber nicht weil er ein Dopingpapst war, sondern weil er mir als Spezialist für diese Verletzung empfohlen wurde. Das ist mein einziger Berührungspunkt mit ihm.

Sie sollen neben anderen ehemaligen Fußballgrößen für ihn gespendet haben. Ist das korrekt?

Breitner: Das stimmt. Mich hat ein Kollege aus der Nationalmannschaft darauf angesprochen. Herr Klümper war nett, höflich und hatte sofort einen Termin für mich möglich gemacht, deshalb habe ich gespendet.

Warum gibt nie jemand Doping im Fußball zu?

Breitner: Weil es im Fußball „elf Freunde“ sein müssen. Diese verlogene Mentalität wird seit Jahren gelebt. Fußball ist eine heilige Kuh, die nicht angekratzt werden darf. Zur Zeit von Schumacher hatte man zudem Angst, dass sich Dopingfälle ähnlich negativ auf das Image und die Zuschauerzahlen der Bundesliga auswirken würden wie der Bestechungsskandal 1971. Deshalb wurde das Thema unter den Teppich gekehrt.

Im Moment wird unter dem Teppich nachgeschaut.

Breitner: Ich spreche über dieses Thema vollkommen emotionslos und mache niemandem einen Vorwurf, weil ich mir Situationen vorstellen kann, in denen Menschen schwach werden und zu Doping greifen. Das passiert überall in unserer Gesellschaft, nicht nur im Sport. Wenn ein Mensch zehn Stunden Höchstleistungen abliefern muss, greift er womöglich zu Aufputschmitteln. Nichts anderes ist es im Fußball. Wir sollten zu dieser Dopingvergangenheit stehen und fertig. Heute sind wir dopingfrei, das können wir sagen.

Wieso hat der Fußball Dopingkontrollen eingeführt, wenn es doch gar kein Doping gibt?

Breitner: Ziemlich widersprüchlich, oder? Warum sollte ich etwas kontrollieren, von dem ich sicher bin, dass es das gar nicht gibt. Ich kontrolliere doch nur, wenn ich etwas befürchte.

Vielleicht wurden die Kontrollen auf politischen Druck eingeführt?

Breitner: Nein, der Fußball lässt sich nichts vorschreiben oder verordnen, der lebt in seiner eigenen Gesetzgebung. Fußball macht sein eigenes Ding und kümmert sich nicht um den Rest der Welt. Bestes aktuelles Beispiel ist die Dreifachbelastung für ein elfmeterwürdiges Foul im Sechzehnmeterraum. Schon in der römischen Gesetzgebung steht geschrieben, dass niemand für die gleiche Tat zweimal bestraft werden sollte, der Fußball bestraft sogar dreimal.

Bei Weltmeisterschaften führt die FIFA die Dopingkontrollen durch, die Weltantidopingagentur WADA hat keinen Zugriff. Müsste man das ändern?

Breitner: Doping im Fußball ist ein hausgemachtes Nicht-Problem. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass die FIFA in ein paar Jahren beschließt, dass der Kampf gegen Doping gewonnen ist und dass es diese Problematik im Fußball einfach nicht mehr gibt und Dopingkontrollen abgeschafft werden. Das ist nur Theorie, aber ich halte das für realistisch. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

Hin und wieder tauchen aber doch Berichte oder Gerüchte auf.

Breitner: Eines haben die weltweiten Fußball-Verantwortlichen, die seit Jahrzehnten die Geschicke lenken, nicht bedacht, und das ist ein menschlicher Faktor. Jedes Jahr gibt es etliche Spielerwechsel, manche Spieler wechseln in ihrer Karriere sogar sechs oder siebenmal. Und in jedem neuen Verein erzählen sie, was im alten Verein so abging. Da erfährst du Dinge, die kannst du nicht glauben.

Sie sprechen aus eigener Erfahrung?

Breitner: Ja, aber worüber ich nicht aus eigener Erfahrung sprechen kann, ist, wie sich Doping ausgewirkt hat, weil ich es nie probiert habe.

Gab es denn mal die Versuchung oder ein Angebot?

Breitner: Nein, aber wahrscheinlich hat sich auch keiner getraut, mir so etwas vorzuschlagen. In meiner Sturm-und-Drang-Phase wäre ich demjenigen an die Gurgel gesprungen. Ich wurde so erzogen, niemals zu betrügen oder zu unlauteren Mitteln zu greifen.

Nicht alle teilen diese Einstellung.

Breitner: Das kann ich nicht beeinflussen, das muss jeder für sich entscheiden. Was mich an den Erkenntnissen der vergangenen Monate und Jahre freut ist, dass endlich rauskommt, dass auch im Westen gedopt wurde. Zu meiner aktiven Zeit hat man mit erhobenen Finger in den Osten gezeigt und gesagt: Die sind voll wie eine Haubitze. Und wir nicht? Pustekuchen! Jetzt stellt sich heraus, dass damals niemand das Recht hatte, auf andere zu zeigen.

Interview: Mathias Müller

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