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Uli Hoeneß und die Bayern: Es gibt eine klare Tendenz

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Von: Andreas Werner

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Führungsduo: Rummenigge (r.) mit Hoeneß
Führungsduo: Rummenigge (r.) mit Hoeneß © dpa

München - Ende Juli will Uli Hoeneß seine Entscheidung bekannt geben, ob er wirklich als Präsident des FC Bayern München zurückkehrt. Es gibt eine klare Tendenz.

Da stand er nun. Zwar nicht mitten im Geschehen, aber endlich wieder auf dem Rasen der Allianz Arena. Als der FC Bayern am letzten Spieltag dieser Saison seine Meisterspieler ehrte, half Uli Hoeneß beim Spalier aus ehemaligen Leistungsträgern mit, die Philipp Lahm und Kollegen auf ihrem Weg zum Anstoß abklatschten. Franz Beckenbauer zählte zum erlesenen Kreis, Paul Breitner und weitere hochdekorierte Granden – doch auch Männer wie Daniel van Buyten, die schon zu aktiven Zeiten eher belächelt wurden. Hatte sich Uli Hoeneß einen Gefallen getan, indem er sich einreihte? Oder lief er nun Gefahr, zum Grüßgott-Onkel abzudriften?

Nun, zum einen war er bloß für den Meisterjahrgang von 1932 eingesprungen, für den kein Vertreter aufgetan werden konnte. Zudem war ihm persönlich seine Außenwirkung ziemlich wurscht. Er gehörte nun wieder zur Familie.

Und nur das zählte.

Die Geschichte des großen FC Bayern ist derzeit von vielen kleinen Stilfragen durchsetzt. Es geht um Kompetenzen hinter den Kulissen, um Münchner Machtspiele – der verstorbene Regisseur Helmut Dietl, der den Möchtegerns in der Landeshauptstadt so gern aufs Maul geschaut hat, hätte diebische Freude an einer Inszenierung. Seit jeher wollten beim FC Bayern alle dabei sein, Kir Royal, das gehört zur Isarmetropole wie einmal eine Flasche Schampus im P 1 zu ordern. Doch die Dramaturgie hat sich zugespitzt: Nicht wenige wollen jetzt nicht nur dabei sein. Der Klub steckt seit langem bereits im Umbau; erst letzte Woche nahmen Sportchef Matthias Sammer und der über Jahrzehnte treue Mediendirektor Markus Hörwick ihren Abschied, es war der Gipfel zahlreicher Rochaden. Und genau in diese Phase fällt nun die Entscheidung, ob Uli Hoeneß, 64, zurückkehrt.

Quo vadis, FC Bayern?

Im Grunde ist es eine Frage, die sich der Fußball generell stellt: Wohin geht die Reise? Eine Entfremdung von ungeahnter Tiefe schreitet voran. Schon jetzt ist die Fußball-EM nur noch eine blasse Erinnerung an höchstens eine Handvoll guter Halbzeiten. Die Isländer mit ihren wehenden Mähnen hatten leichtes Spiel, Freunde zu finden, und weil sonst nicht viel los war, fiel den Fans am Ende sogar auf, dass auch Cristiano Ronaldo ein Mensch sein kann. FIFA-Skandale, selbst der DFB im Zweilicht, mal ehrlich, richtig weh tat das Halbfinal-Aus der DFB-Elf nicht. Was ist faul im Fußball-Staate Deutschland?

Geschäftemacher diktieren die Branche immer mehr. Internationalisierung lautet das Schlagwort, man muss sich dieses Wort mal in Ruhe vorsagen: In-ter-na-tio-na-li-sie-rung. Sperrig, nicht griffig, seit wann prägen nicht mehr Begriffe wie Blutgrätsche und Lattenkracher die Szene, Vokabeln, die nach frischer Erde riechen und nach Spektakel klingen? Die Jahreshauptversammlungen des FC Bayern werden heute von Folien mit Daten, Diagrammen, Kursverläufen unterlegt. Früher sagte Uli Hoeneß, man gehe vor Transfers an den Festgeldschalter, nicht wie andere in die Kreditabteilung. Das war die Sprache der Fans. Aber es herrschen neue Zeiten.

Uli Hoeneß hat sich nach seiner Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung die Frage gestellt, ob er noch mal zurück in diese Zeit soll. In den zwei Jahren seiner Pause ging es in der Branche abseits der Plätze wechselhafter zu als bei einer Partie zwischen Bayern gegen Barcelona: Neue finanzielle Dimensionen, aggressivere, moderne Medien, sogar in der eigenen Bayern-Familie stand die Zeit nicht still. Einst kurbelte Hoeneß alles an, er sorgte bereits als Spieler für den ersten Vereinshauptsponsor – hat ihn jetzt die Zeit überrundet? Nein, es gibt sogar Stimmen, die meinen, diese Zeit, und dieser FC Bayern, braucht genau so einen Typen wieder.

"Er hat eben auch Menschenverstand“

An der Basis, bei den Fans, herrscht eh Konsens. Als Uli Hoeneß im Viertelfinale der Champions League in Lissabon neulich erstmals wieder dabei war, konnte er die Anwesenden beim Mitternachsbankett erst nach zwei Minuten Applaus zur Ruhe rufen. Die Anhänger spüren, sagt einer aus der Führungscrew, dass der Ex-Präsident wie kein zweiter wirtschaftliche Qualitäten mit Empathie und Leidenschaft kombiniert. „Er hat nicht nur Business-, sondern er hat eben auch Menschenverstand“, sagt er, „er nimmt einen Franck Ribery in den Arm, wenn der es braucht.“

Hoeneß weiß, was er will. Intern finden derzeit viele Gespräche statt, wie die Re-Integration abgewickelt wird. Bei Karl Hopfner, der als Präsident und Chef des Aufsichtsrats einsprang, laufen nächste Woche die Fäden zusammen. Der 63-Jährige hat schon angekündigt, den Vereinsvorsitz zu räumen, sollte es Uli Hoeneß zurückdrängen. Offen ließ er allerdings die Führung des Aufsichtsrats, er hat nämlich durchaus Gefallen gefunden an seinen Tätigkeiten.

Tatsächlich strebt der Rückkehrer auch dieses Amt an. Allerdings stellt sich diese Frage noch nicht akut. Der grobe Plan sieht so aus: Sollte es keine Widerstände geben – Tendenz: es gibt keine – soll Ende des Monats die Kandidatur als Präsident bekannt gegeben werden. Die Wahl ist für November terminiert. Laut Satzung sind im Aufsichtsrat zwei Plätze für Vertreter des Vereins reserviert: Für den Präsidenten und seinen Vize. Wer letztlich den Vorsitz erhält, bestimmt dann das Gremium.

„Einwandfreie Resozialisierung“

Einige vermuten, dass hier der Teufel im Detail steckt. Im Aufsichtsrat sitzen die Vorstände von adidas, Telekom, Audi, VW – und börsennotierte Unternehmen könnten Bedenken anmelden, sollte ein verurteilter Steuersünder den Vorsitz führen. Juristisch aber, das wurde bereits geprüft, gäbe es da keine Einwände.

Edmund Stoiber, der Uli Hoeneß mehrfach in der JVA besucht hat und als Boss des Verwaltungsbeirats die Kandidaten vor einer Präsidentschaft prüft, sagt, ein Veto würde den Gedanken einer Resozialisierung ohnehin ad absurdum führen. Im Zusammenhang von Hoeneß’ Steueraffäre ist der frühere bayerische Ministerpräsident durch etliche TV-Studios getingelt. Gerade außerhalb des Freistaats gab es Kontra, wenn er Hoeneß verteidigte. „Aber ich konnte die Leute immer mit einem simplen Beispiel überzeugen: Sobald ein Freund einen Fehler macht, ihn eingesteht und dafür geradesteht – dann kündigen Sie ihm doch nicht die Freundschaft!“

Uli Hoeneß sollte die faire Chance auf eine Rückkehr in seine beiden früheren Ämter haben, findet Stoiber: „Er ist ein einwandfreies Beispiel für eine erfolgreiche Resozialisierung.“ Ein Fußballverein sei ein Sonderfall, lautet die Meinung im Aufsichtsrat; anders als bei einer Firma ist sein Kontrollorgan den Fans verpflichtet. Und die haben Hoeneß verziehen, weil er den Klub ja nicht geschädigt hat.

Aufgaben sind nicht kleiner geworden

Der Berg an Aufgaben ist indes in letzter Zeit nicht kleiner geworden. Mehr denn je gilt es, eine Generation zu finden, der Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge den Verein anvertrauen können. Irgendetwas fehlte zuletzt, wurde vielerorts geraunt. Rummenigge ist vielleicht der Kopf, aber nicht das Gesicht des Rekordmeisters. Jedenfalls haben die Anhänger bisher nie „Kalle, Kalle“ skandiert, sie riefen schon immer: „Uli, Uli.“

Bis Nachfolger – womöglich Max Eberl von Mönchengladbach oder Philipp Lahm nach seinem Karriereende in zwei Jahren – gefunden sind, dürfte eine Rückkehr des Patriarchen also guttun. Zumal in einer Zeit, in der der „Spiegel“ die „Bierhoffisierung des Fußballs“ beklagt: Alles glatt gebügelt, nur nie anecken, so stellt sich die Branche heute dar. Das ist nicht in Uli Hoeneß’ Sinne, und man kann ihn sich recht gut vorstellen, wie er murrt: „Alles so eine Masse an Hackfleisch, das schmeckt allen – aber es fehlt irgendwas, und das merkt jeder.“

„Game over“. Von wegen

Als er verurteilt wurde, titelte „ntv“ forsch: „Karriere beendet – Lebenswerk zerstört“. Der „Spiegel“ erschien mit einem Cover, das ein versteinertes Gesicht des Bayern-Bosses zeigte, darunter stand dann noch in roten Großbuchstaben: „Game over“. Von wegen. Er steht vor der Rückkehr, zurück ins große Spiel. „Unter Uli wäre das nicht passiert“, hieß es in jüngster Zeit immer wieder, wenn der Klub ein schiefes Bild abgab, zuletzt bei den verstörenden Irritationen um die Übertragungsrechte der Titelfeier am Rathaus. Es war eine Kunst, als Doublesieger sogar die eigenen Fans zu verprellen. Auch das war ein Stück, Helmut Dietl hätte es bissig in Szene gesetzt. Und ein Zeichen, dass wieder andere Regie führen sollten.

In diesem Sinne: Patron ante Portas.

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