Auch nicht. Die Antwort ist viel simpler: Ich habe gar kein Trikot. Das mit den drei Sternen auf dem Bild rechts, das uralte von der WM 2006, habe ich mir von meinem Mitbewohner geliehen. Weil es für das Blog-Bild aber natürlich ein aktuelles sein soll, war gestern Kollege Florian Weiß der Trikot-Spender - und so landete der Name "Weiß" auf meinem Rücken.
Hier geht's übrigens zu unserem aktuellen EM-2016-Ticker vom Mittwoch, damit Sie nichts verpassen.
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Dienstag, 14. Juni, 15 Uhr. Merja: Wie weise muss ein Fußball-Fan wählen, wenn er sich ein Trikot kauft? Offenbar sehr. „Warum hast Du das Auswärtstrikot? Und warum zur Hölle Khedira? Der sieht doch nicht mal gut aus. Dasselbe gilt fürs Trikot.“ Diese Sätze hörte ich von Männern in den letzten Tagen öfter, als ich #Hosengate auf Twitter las. Liebe Freunde, es ist ganz einfach. Auswärtstrikot: Gefällt mir (an mir) persönlich besser als das schlichte Weiße. Farbe und so. Bin halt dann doch ne Frau. Puh, jetzt ist es raus.
Und Khedira … nun, ihr denkt, er sieht nicht gut aus? Ok, es sei euch überlassen, wenn ihr das beurteilen mögt.
Ist mir eigentlich wurscht. Er kickt gut. Ganz nebenbei könnte er sicherlich Xherdan Shaqiri zum Frühstück verspeisen, bei 20 Zentimetern Größenunterschied. Aber es kommt ja nicht auf die Größe an, nicht wahr? Und ja, ich hätte auch meinen eigenen Nachnamen auf das Trikot setzen können. Aber mal ehrlich: Dass ich irgendwann mal noch in der deutschen Nationalmannschaft der Herren spiele, das nimmt mir ja dann doch keiner ab.
Ach ja, und hier noch der tatsächliche Grund, warum Khedira: Meine abstiegsgeschundene Seele muss doch irgendwo auch noch stolz auf den VfB sein können. Und wenn ich die Wahl hab' zwischen Gomez, Kimmich, Leno, Rüdiger (ja, ich weiß) und Khedira, dann wird’s halt am Ende doch der Sami. Ganz einfach, weil ich mag.
Sonntag, 12. Juni, 11.15 Uhr. Patricia: Die Public-Viewing-Kneipe ist die Verlängerung des Wohnzimmers. Dieser Satz stammt von meinem Mitbewohner Philip: Denn während der Europameisterschaft gehen Menschen auf die Straße, die sich sonst eher selten nach draußen wagen und lieber auf der heimischen Couch ihr Bier trinken. Zwischen Juni und Juli aber sind sie ständig in der nächsten Eckkneipe anzutreffen, jubeln vor Riesen-Leinwänden mit oder gehen gleich ins Olympia-Stadion, um dort mit allen anderen zusammen Jogis Jungs anzufeuern. Während der EM wird Deutschland wieder zu einer großen Familie. Deswegen sind die Kneipen, die den EM-Hype nicht mitmachen können oder wollen, die also keine Übertragungsrechte für die Spiele haben, die schwarzen Schafe der EM-Familie: Sie stehen während der Europameisterschaft leer. Wer will schon in ein Wohnzimmer, in dem es zwar Bier gibt, aber kein Fußball-Spiel? Das erste Spiel der DFB-Elf heute Abend ist obligatorisch. Es stellt sich nicht die Frage, ob man sich das Spiel anschaut. Jeder will nur wissen: Wo schaust du heute Abend? Den Auftakt der Familienfeier will eben keiner verpassen.
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Samstag, 11. Juni, 18.22 Uhr. Merja: "Der Julian Weigler, der wird mal ein ganz großer." Ein sehr prophetischer Satz eines gut-bebauchten Deutschland-Fans, der am Freitagmittag sein Helles im Café zischte. Und für mich am Nebentisch kaum zu überhören. Der Weigler. Da war im Kopf des Mannes offenbar zu viel los. Wieso heißen diese ganzen jungen Dinger aber auch Julian? Draxler, Weigl - dann wird daraus halt schnell mal der Weigler. Kaum auszudenken, wenn es damals im Jahr 2006 im Kopf des Mannes zu derartigen Namenssymbiose gekommen wäre, als die jungen Wilden noch Poldi und Schweini hießen. Wobei ... wäre ja durchaus interessant gewesen. Wer kennt ihn nicht, den Posteiger. Auch beliebt wäre sicherlich der Klomann (eine Mischung aus Klose und Klinsmann) gewesen. So schöne Symbiosen gibt es bei der EM 2016 leider nicht. Dafür aber den Weigler.
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14.34 Uhr. Patricia: England, dachte ich mir, ist bestimmt
im EM-Fieber. Ich habe dort von Montag bis heute Urlaub gemacht und weil die Briten manchmal ein bisschen spinnen, war ich mir sicher: Es wird bestimmt in jedem Pub speziell zur EM gebrautes Bier geben, die Scones werden in Fußball-Form gebacken sein und überall laufen Wayne-Rooney-Lookalikes herum, die schon mal ihre Trikots probetragen und Fangesänge üben. England jedoch ist alles andere als heiß auf Fußball, so scheint es. John, der Inhaber des Bed&Breakfast, in dem ich gewohnt habe, hat mich mit großen Augen angeschaut, als ich sagte, dass heute die Euro 2016 beginnt. "Is that right?", fragte er, was so viel heißt wie "Ach wirklich?". Es gab weder Doughnuts mit weißem Überzug und kleinen roten England-Kreuzen darauf noch Union-Jack-Flaggen zu kaufen. Überhaupt: Nicht mal den üblichen EM-Merchandise habe ich gesehen. Keine Armbänder, kein Nagellack, keine Fan-Schminke zum Aufmalen in den Landesfarben.
In München bin ich sogar am Flughafen erstmal in ein Meer aus
Schwarz-Rot-Gold-braucht-ihr-alles-unbedingt-Kram gewatet. Am Flughafen London-Heathrow dagegen: nichts. Schließlich entdeckte ich nach drei Tagen Panini-Bildchen an der Kasse in einem kleinen Laden irgendwo an der Westküste. Brauch ich, dachte ich, auch wenn's nicht wirklich typisch englisch ist. Robert Lewandowski und Florian Klein kamen raus, worüber sich vielleicht Merja freut, denn sie ist VfB-Fan. DFB-Spieler waren nicht dabei. Meine vor-der-EM-Woche war also wesentlich weniger Fußball-lastig, als ich gedacht hatte. Bis gestern. Ein Irish Pub in dem kleinen Westküstenstädtchen hatte auf einmal ein Banner aufgehängt: Alle Spiele werden live übertragen. Also doch ein bisschen Europameisterschaftsfieber. Immerhin einen Tag vor EM-Beginn.
Bilder
Freitag, 10. Juni, 9.44 Uhr. Merja: Heute beginnt sie also, die EM. Yay! Frankreich legt gegen Rumänien los. Die Franzosen. Weltmeister 1998. Im eigenen Land. Das waren noch Zeiten, und DIE Zeit von Zinedine Zidane. Schade eigentlich, dass der nicht mehr spielt.
Aber das Gute: Frankreich hatte oft ganz ansehnliche Spieler. So auch jetzt. Oh, là, là, da werden wir schon zwei Mal hinschauen, wenn Olivier Giroud, Antoine Griezmann und Kumpanen sich auf dem Platz abrackern. Ein Blick auf die Bank schadet auch nicht. Da sitzt nämlich Èquipe-Tricolore-Trainer Didier Deschamps. Uiuiui. Schade eigentlich, dass man über die Rumänen nicht so viel weiß. Gleich mal das Panini-Album durchblättern, noch sind ja ein paar Stunden Zeit bis zum Anpfiff. Was fürs Auge wird dann auch hoffentlich das Spiel sein.
Seit dem 10. Juni läuft sie, die EM 2016. Es ist der Monat, in dem Männer, Verlobte, Söhne und Väter nur noch auf Bildschirme starren. Vier Wochen Fußball - vier Wochen, die Männer vereinen. Vier Wochen, die Männer Männer sein lassen, in der einen Hand die Fernbedienung, in der anderen die Grillzange.
Männer. Nur Männer? Nein, so ist das nicht ganz. Spätestens seit dem Sommermärchen wissen auch Deutschlands Frauen, was Abseits ist (und um die Illusion gleich zu zerstören: Liebe Männer, viele von uns wussten das tatsächlich schon vorher). Auch wir Damen in der Redaktion fiebern mit, wenn der schöne Jogi seine Mannen auf den Platz schickt - wenn auch manchmal mit einem etwas anderen Blick auf die Dinge, als nur auf das Ergebnis nach 90 Minuten. Was uns während der Euro 2016 gefällt, begeistert, begegnet und beschäftigt halten wir, Patricia (seit kurzem sportbegeistert) und Merja (schon immer sport- und fußballbegeistert), in unserem EM-Blog fest.