In Extremo über neue CD: "Kunstzähne ausgespuckt!"

München - In Extremo melden sich mit einer neuen CD zurück. Zum Release von "Quid pro quo" sprechen die Musiker im Interview über das CD-Cover und ihren ganz eigenen Stil.
Mittelalterrock ist ein Nischenprogramm, klar. Es ist aber eine recht lukrative Nische. Zumindest für Bands wie In Extremo, die gerade erst wieder bei Rockavaria im Olympiastadion zu erleben waren. Die Berliner mit Wurzeln in der DDR haben vor 21 Jahren angefangen und sind populärer als je zuvor. Heute erscheint das neue Album "Quid pro quo". Wir baten Sänger Michael Rhein, Gitarrist Sebastian Lange und Schlagzeuger Florian Speckardt zum Interview.
Wird das Herausbringen einer CD irgendwann Routine?
Sebastian Lange: Nein. Ich freue mich immer auf den Augenblick, wenn die ersten Pressungen da sind. Man öffnet das Paket von der Plattenfirma, und dann kommt dieses Ding raus, an dem man ein Jahr lang gearbeitet hat.
Florian Speckardt: Man ist auch stolz. Es fließt nicht nur viel Herzblut in so ein Album, es gibt viele Kämpfe und schlaflose Nächte. Wir sind monatelang im Studio. An einem Tag denkt man, dass man auf dem falschen Weg ist, am nächsten ist wieder alles anders. Wir sind sieben Leute mit sieben Meinungen. Entweder wir machen es zusammen gut oder verbocken es zusammen.
Macht ihr auch Ruhephasen während der Aufnahmen - bevor ihr euch am Ende noch an die Gurgel geht?
Michael Rhein: Wir machen das von Hause aus. Wir haben die

erste Produktionsphase im Studio. Dann haben wir uns zwei Wochen Zeit gegeben und sind wieder rein. Da bekommt man auch ein wenig Abstand.
Lange: Da kann man sich wieder um die Familie kümmern und Mensch sein.
Rhein: Wenn man so ein normales Arbeitsjahr zusammenrechnet, sind es schon so über 200 Tage, die wir 24 Stunden aufeinandersitzen. Das ist mehr Zeit, als man mit seiner Familie verbringt oder mit seiner Freundin. Da muss man sich schon gut verstehen und an einem Strang ziehen.
Was war das Ziel, das ihr euch am Anfang eurer Karriere gesetzt habt?
Rhein: Wir haben ganz klassisch im Übungsraum angefangen und mittelalterliche Musik mit Rock gepaart. Was dann wirklich daraus wird, daran hat niemand gedacht.
Lange: Es hat auch niemand etwas darauf gegeben. Überall hieß es: Was wollen die Typen mit ihren Mittelalterrüstungen? Was ist das für ein Spiel?
Wolltet ihr jemals aus der Mittelalterecke raus?
Rhein: Warum denn? Das sind die Wurzeln der Band. Warum sollte man die verlassen? Das ist, als würde man nicht dazu stehen.
Lange: Und diese Wurzeln haben uns so erfolgreich gemacht. Also: Schuster, bleib bei deinen Leisten!
Das CD-Cover zeigt euch bei einer wüsten Schlägerei …
Rhein: Das ist ein richtiges Foto, keine Montage!
Lange: Kunstzähne und Kunstblut wurden wirklich in diesem Moment so ausgespuckt. Ein paar Mal geprobt, und dann hat es gleich funktioniert. Auf der Vorderseite wird ausgeteilt, auf der Rückseite verbrüdern wir uns. Quid pro quo.
Gab es schon Proteste - wegen der Gewalt und so?
Lange: Nein. Das ist ja kein gewaltverherrlichendes Cover. Da sieht man schon den Schalk in den Gesichtern.
Wenn's auf Tour geht: Spielt ihr das neue Album komplett?
Lange: Bei einem zweieinhalbstündigen Konzert kannst du nicht eine ganze Stunde nur das neue Album spielen. Da musst du ein paar rauskicken.
Spannend ist bei euch auch immer, welche Instrumente ihr wieder ausgrabt. Ergibt sich das von alleine?
Rhein: Je nachdem, was ein Lied verlangt.
Speckardt: Wir fahren immer von Berlin ins Münsterland ins Studio mit einem 7,5-Tonner. Und der ist voll mit verstaubten mittelalterlichen Instrumenten. Irgendwann kommt wieder der Punkt, wo man einen ganz bestimmten Sound haben will. Dann muss man diese Rumpelkammer durchsuchen. Der allererste Ton der Platte ist ein Trumscheit. Sehr schwer zu spielen und sehr archaisch.
In eurem Musikbereich und im Metal kaufen die Fans ja tatsächlich noch Alben, während in anderen Bereichen nur gedownloaded wird.
Speckardt: Es ist schade, dass Musik oft den Stellenwert, den sie einst innehatte, verloren hat. Für mich ist es nach wie vor die geilste Kunstform. Musik entsteht gemeinsam. Musik beeinflusst dich außerdem ganz unmittelbar, bringt dich sofort in eine ganz bestimmte Stimmung. Wir haben das Glück, dass unsere Fans unsere Alben haben wollen und keine Downloads, die wollen etwas in der Hand halten.
Auch auf Vinyl?
Rhein: Sowieso.
Speckardt: Diese kommt sogar als Doppelvinyl heraus. 180 Gramm.
Rhein: Da wirkt das Cover natürlich ganz anders. Der Hammer!
Interview: Antonio Seidemann