Affenpocken: Queer-Beauftragter der Bundesregierung warnt vor Stigmatisierung – „Kann jeden treffen“
Immer mehr Menschen erkranken weltweit an den Affenpocken. Besonders drei europäischen Länder sind betroffen. Derweil wird eine Stigmatisierung Infizierter befürchtet. Der News-Ticker.
- Die Affenpocken breiten sich außerhalb Afrikas aus, vor allem in drei europäischen Ländern.
- Derweil wird eine Stigmatisierung homo- und bisexueller Männer befürchtet.
- In Afrika befürchtet man eine einseitige Verteilung der Impfstoffe zugunsten westlicher Länder.
Update vom 27. Mai, 13.28 Uhr: Aufgrund der ungewöhnlichen Verbreitung von Affenpocken außerhalb Afrikas dringt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zwar auf verschiedene Maßnahmen. Sie sieht aber keinen Grund für eine allgemeine Alarmstimmung. „Das ist keine Krankheit, die die Öffentlichkeit besorgt machen sollte. Es handelt sich nicht um Covid“, erklärte WHO-Expertin Sylvie Briand am Freitag in Genf bei einem Briefing für WHO-Mitgliedsländer.
Dennoch sollten die betroffenen Staaten Erkrankte schnell erfassen und die Infizierten isolieren. Die WHO rechnet mit überwiegend milden Krankheitsverläufen. Das Risiko eines schweren Verlaufs sei aber bei Schwangeren, Kinder und Menschen mit schwachem Immunsystem erhöht. „Wir haben ein gutes Zeitfenster, die Übertragung nun zu stoppen“, ergänzte Briand. Die Lagerbestände an Impfstoffen gegen Pocken, die auch gegen Affenpocken wirksam sind, seien jedoch noch unklar.
Die WHO geht von einer weiter steigenden Zahl an Fällen aus. Die Affenpocken seien inzwischen in mehr als 20 Ländern aufgetreten. „Wir wissen nicht, ob wir gerade nur die Spitze des Eisbergs sehen“, so Briand. Die Ursache für die Affenpocken-Ausbreitung müsse noch genauer erforscht werden.
Affenpocken: Afrikanische Behörde befürchtet Impfstoffhortung in westlichen Ländern
Update vom 26. Mai, 15.39 Uhr: In Afrika befürchtet man offenbar, dass westliche Länder wegen der Ausbreitung der Affenpocken Impfstoffe horten könnten. Der stellvertretende Direktor der Afrikanischen Gesundheitsbehörde für ansteckende Krankheiten (CDC), Ahmed Ogwell, sagte: „Wir hoffen, dass Impfstoff vor allem dort verfügbar ist, wo das Risiko am höchsten ist - nicht dort, wo man besonders viel für ihn bezahlen kann.“ Er appellierte an den Westen, Lehren aus der Anfangszeit der Corona-Pandemie zu ziehen.
Aktuell verfügen die Gesundheitsbehörden in den afrikanischen Ländern nur über wenig Pocken-Impfstoff, meinte der CDC-Vizechef. In Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik, der Demokratischen Republik Kongo sowie Nigeria kommen Affenpocken endemisch vor. Seit Anfang 2022 wurden 1.405 Fälle in diesen Ländern bestätigt. Es gab 62 Todesopfer zu beklagen. Allerdings sieht das Robert Koch-Institut (RKI) die afrikanischen Todesraten als zu hoch an. Das RKI bemängelt, dass mildere Verläufe oft nicht erfasst werden.
Affenpocken in Deutschland: Aids-Hilfe und Queer-Beauftragter befürchten Stigmatisierung
Erstmeldung vom 26. Mai: München - Die Affenpocken breiten sich in mehreren Ländern aus. Nach Angaben von EU-Gesundheitsbehörden sind mittlerweile (Stand: 26. Mai) über 200 Fälle des Virus außerhalb Afrikas bestätigt worden. Demnach infizierten sich Menschen in insgesamt 19 Ländern, in denen die Krankheit normalerweise nicht vorkommt. Das erklärte das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC).
„Die meisten Fälle sind junge Männer, die sich selbst als Männer identifizieren, die Sex mit Männern haben. Es gab keine Todesfälle“, gab die europäische Agentur mit Sitz in Stockholm an. Unterdessen mehren sich Stimmen, die eine Vorverurteilung homo- und bisexueller Männer im Zusammenhang mit dem Virus befürchten.

Affenpocken in Deutschland: Gesundheitsminister Lauterbach warnt, es könne „jeden treffen“
„Panikmache und Stigmatisierung müssen unbedingt vermieden werden“, sagte Sven Lehmann, Queer-Beauftragter der Bundesregierung, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Ähnlich äußerte sich die Deutsche Aidshilfe. Diese kritisierte die Kommunikation des Bundesgesundheitsministeriums, demzufolge von den Affenpocken vor allem Männer betroffen sind, die Sex mit anderen Männern haben.
Vor diesem Hintergrund müssten Begriffe wie „Risikogruppe“ unbedingt vermieden werden. „Formulierungen wie ‚Risikogruppe‘ wirken stigmatisierend, die vereinfachende Erwähnung anonymer Sexkontakte bedient ein abwertendes Klischee - zumal Affenpocken auch ohne Sex übertragen werden können“, mahnte Holger Wicht von der Aidshilfe. Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach betonte zuvor, die Affenpocken könnten „jeden treffen“.
Affenpocken: Bislang vor allem drei europäische Länder betroffen - über 200 Fälle außerhalb Afrikas bestätigt
Derzeit wurden Affenpocken-Fälle außerhalb der elf afrikanischen Länder, in denen die seltene Krankheit als endemisch gilt, überwiegend in drei europäischen Ländern registriert: Großbritannien (71 Fälle), Spanien (51) und Portugal (37). Insgesamt wurden in Europa 191 Fälle bestätigt. Dazu kommen 15 in Kanada, neun in den USA, zwei in Australien und je einer in Israel sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten. Verdachtsfälle wurden in dieser Bilanz nicht mitgezählt.
Am Montag (23. Mai) hatte das ECDC in seiner ersten Risikobewertung die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung mit Affenpocken in der Allgemeinbevölkerung als „sehr gering“ eingestuft. Bei Personen mit mehreren Sexualpartnern sei diese jedoch als „hoch“ zu bewerten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte sich optimistisch gezeigt, dass die Ausbreitung der Krankheit gestoppt werden kann.
Bei Affenpocken handelt es sich um eine weniger gefährliche Verwandte der seit rund 40 Jahren ausgerotteten Pocken. Symptome der Krankheit sind zunächst hohes Fieber und danach ein sich schnell entwickelnder Hautausschlag mit Krustenbildung. (kh mit afp)