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Klage gegen Flaschensammlerin sorgt für Empörung

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Bonn - Mit einer Berufungsklage gegen eine Flaschensammlerin hat ein Bonner Staatsanwalt die Wut der Bürger auf sich gezogen. Die Frau hatte eine gefundene Opernkarte im Internet verkauft.

In Bonn sorgt derzeit ein übermotivierter Staatsanwalt für gewaltigen Aufruhr. Er hat eine 41-Jährige Frührentnerin, die sich ihren kärglichen Lebensunterhalt durch Flaschensammeln aufbessert, vor Gericht gezerrt, weil sie im Müll eine Opernkarte fand und diese anschließend auf Ebay verkaufte. Die Dame wurde zwar freigesprochen, doch der Staatsanwalt lässt nicht locker. Das erhitzte Volk geht auf die Barrikaden. Doch der Reihe nach.

Laut dem Express durchwühlt Petra L. (Name geändert) täglich die städtischen Mülleimer in Bonn, auf der Suche nach alten Pfandflaschen. Dabei fand sie vor einiger Zeit eine „Anatevka“-Karte, die noch Gültigkeit besaß. Also beschloss Petra L., die Karte auf Ebay zu verkaufen. Sie bekam 20 Euro dafür.

Karte war Diebesgut

Was Petra L. nicht wissen konnte: Die Karte hatte in einem Notizbuch gesteckt, das einer Dame samt Portemonnaie aus einem Café gestohlen worden war. Der Dieb hatte die für ihn uninteressante Karte daraufhin im Müll entsorgt. Als nun der Ebay-Käufer sich die Oper anschauen wollte, traf er an seinem vermeintlichen Sitzplatz auf die bestohlene Dame, die sich ihre Karte hatte ersetzen lassen - und klärte sie darüber auf, wie er an das Original gekommen war.

Die eingeschaltete Staatsanwaltschaft fand schnell heraus, dass Petra L. nicht die Café-Diebin gewesen sein konnte. Dennoch wurde sie wegen Unterschlagung angezeigt. „Wenn jemand etwas in den Mülleimer wirft und einer holt es raus, warum ist das dann Unterschlagung?“ fragte die 41-Jährige fassungslos.

So sah es auch die Richterin und sprach die Angeklagte frei. Doch das wollte der Staatsanwalt offenbar nicht auf sich sitzen lassen - und ging mit dem Fall in Berufung.

Facebook-User empören sich

Nachdem der entsprechende Bericht dazu auf der Express-Facebookseite veröffentlicht worden war, machten zahlreiche User ihrer Wut über den Staatsanwalt - der nicht mal selbst am Prozess teilgenommen, sondern einen Referendar geschickt hatte - Luft.

„Wo leben wir eigentlich??? Die arme Frau soll noch bestraft werden, weil sie arm ist. Toll, lieber Staatsanwalt“, echauffiert sich ein User. Marc L. fragt sich: „Angeblich sind Staatsanwaltschaft und Gerichte überlastet und (…) da wird bei einem solchen Bagatellfall Berufung eingelegt?“ „Da fällt einem doch nichts mehr zu ein! Das ist ja an sich schon eine Posse aber die Berufung ist schon lächerlich“, meint Jessica S. Und Vincent R. fordert: „Man sollte die Staatsanwaltschaft wegen groben Unfugs anzeigen!“

Berufung noch nicht sicher

Dr. Sebastian Buß, Sprecher der Behörde, versucht zu erklären: „Der staatsanwaltschaftliche Sitzungsvertreter war auch nach Durchführung der Beweisaufnahme offenbar weiterhin zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Verurteilung wegen Unterschlagung gerechtfertigt gewesen wäre.“

Ob die Berufung tatsächlich durchgeführt wird, werde allerdings vorher noch geprüft, sobald die Urteilsbegründung schriftlich vorliegt, meint Buß weiter, und macht so einen vagen Schritt zur Besänftigung der harschen Kritiker. Denn somit kann es passieren, dass die Berufung nicht zugelassen wird.

Besser für den zuständigen Staatsanwalt wäre es wohl, man würde die Berufung selbst zurückziehen. Mit seiner Hartnäckigkeit zu Ungunsten einer verarmten Ex-Drogenabhängigen hat er sich in Bonn definitiv keine Freunde gemacht.

kah

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