Die denkwürdigsten Autos des Jahres 2018

Das Autojahr 2018 war geprägt von elektrischen Neuheiten und Gespenstern aus der Vergangenheit. Wir blicken ganz subjektiv auf die letzten zwölf Monate zurück.
Was waren die denkwürdigsten Autos des Jahres 2018? Der Gipfel der Unvernunft, ein Cadillac mit 649 PS? Oder doch der elektrische Niro von Kia, der mit einer Reichweite von über 400 Kilometern glänzt? Unser völlig subjektiver Auto-Rückblick über die Zünftigen, die Zukünftigen und die Vernünftigen.
Ordentlich PS unter der Haube: McLaren 570S Spider
Fangen wir mit den Zünftigen an, mit der Spaßgesellschaft aus Hubraum, PS, Drehmoment, roten Bremssätteln, Spoilern und Sportauspuffanlagen. Wer genügend Geld im Beutel hat, der ist oft auch ein wenig geschmäcklerisch, auch bei der
Wahl des richtigen Sportwagens
. Da ist der Porsche 911 vielleicht schon zu banal. Ein Mercedes AMG GT zu pubertär, und ein Lamborghini zu vulgär. Wie wäre es mit einem waschechten Briten, einem McLaren zum Beispiel?
Die kleinen Autobauer aus dem englischen Woking haben mittlerweile sogar eine richtig kleine Familie am Laufen. Vom Einstiegsmodell dem 540er bis hin zum 1,1 Millionen teuren P1 und dem aktuellen Supersportwagen "Senna". Wir durften das 570er S Cabriolet, den Spider, ausprobieren.
Und waren überrascht. Nein nicht über das tolle Handling des Mittelmotor-Sportwagens, nicht über die wunderbar geschwungenen Formen des Curacao blauen Testwagens. Und schon gar nicht über die lineare Leistungsentfaltung, die uns in drei Sekunden von 0 auf Tempo 100 oder in knapp unter zehn Sekunden auf 200 Stundenkilometer gebracht hat.

Nein es war die Welle der Sympathie, die einem entgegengebracht wird, wenn man mit einem McLaren aufkreuzt. Wenn man sich in so ein Auto setzt, nimmt man üblicherweise und schon ganz automatisch eine Büßerhaltung ein. Ja es ist unvernünftig so ein teures Auto (ab 200.000 Euro) zu fahren, ja es braucht zu viel Sprit, es stößt zu viele Schadstoffe aus, es hat eigentlich keinen über- oder untergeordneten Sinn und wer diese Art von Autos fährt: Man kennt diese Herren ja und welchem Broterwerb sie sonst so nachgehen.
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Das alles begegnet einem nicht in einem McLaren. Mitleid schlägt einem nur entgegen, wenn man wie am ersten Tag der Testfahrt in ein Schneegestöber kommt und sich wie ein 570 PS starker Schneeräumer durch Zentimeter hohen Matsch pflügt. Sonst aber gehen die Daumen nach oben. Man muss gönnen können. Und das tun die Zeitgenossen beim 570er.
Liegt es daran, dass man ihn so selten sieht? Am Sound des Auspuffs, der zwar röhrt aber nicht nervt? Apropos: Wer das Geräusch gerne im Inneren des Autos hat, kann die kleine Stummelheckscheibe öffnen, dann kommt der Sound des Achtzylinders ganz pur.
Oder liegt es daran, dass Träumen manchmal doch erlaubt ist. Zum Beispiel von einem reinrassigen Sportwagen, der so viel Spaß macht wie der McLaren 570. Und wenn mal wieder Sommer ist, dann probieren wir das ohne Mütze aus. Im Schnee war uns das einfach zu kalt.
Der Bodybuilder auf der Straße: Chevrolet Camaro
Hat der McLaren noch den ein oder anderen aristokratischen Zeug, so ist sein amerikanischer Cousin, der Camaro, mehr ein Naturbursche. Ein "Muscle Car", seit Mitte der 60er Jahre im Betrieb und ursprünglich als Konkurrent des Ford Mustang auf die Straßen geschickt.
Das typisch amerikanische "Muscle Car" kann man mit einem Bodybuilder vergleichen, der zuviel Anabolika erwischt hat und deshalb ein wenig aufgepumpt durch die Gegend eiert. Und so fuhren sich viele "Muscle Cars" auch oft. Kerniger Sound, viel Hubraum und PS - aber ein Fahrwerk so schwammig und indifferent wie ein Ritt auf einem alten Kamel.
Beim aktuellen Camaro sollte man all diese Vorurteile gleich über Bord kippen. Vergesst das alles, denn der Camaro fährt sich messerscharf und präzise wie ein Schweizer Uhrwerk. Und das, obwohl der Achtzylinder mit seinem 6,2-Liter-Hubraum-Monster und den dazugehörigen 453 PS wahrlich kein Leichtgewicht ist. 1,8 Tonnen müssen erst einmal elegant bewegt werden.

Rund viereinhalb Sekunden benötigt unser ungestümer Ami von 0 auf 100 Kilometer, 290 Stundenkilometer sollen drin sein. Aber wer das herausfordert, der fordert auch seinen Geldbeutel heraus. Denn 17 Liter Super sind schnell durchgegurgelt.
Dafür aber ist der Preis beim Camaro heiß. Mit allem, was das Herz begehrt - also die große Maschine, das Automatik-Getriebe, dazu geschliffene Alufelgen - da kostet der Camaro neu knapp über 55.000 Euro. Und landet damit bei einem Preis-Leistungsverhältnis von 122 Euro pro PS. Zum Vergleich: der brandneue Porsche 911 S bringt es schon in der "nackten Variante" auf 266 Euro pro Pferdestärke. Und hier noch ein kleiner Gebrauchtwagentipp: Exemplare mit Tageszulassung oder wenigen Kilometern findet man schon für rund 40.000 Euro.
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Der Unvernünftige: Cadillac CTS-V
Noch viel unvernünftiger und für umweltbewusste Zeitgenossen ein noch breiteres rotes Tuch dürfte der Cadillac CTS-V sein. Ein Urviech, ein Monster im Blechkleid. Aus dem ebenfalls 6,2 Litern Hubraum schöpft der Luxus-Ami unvernünftige 649 PS mit einem sagenhaften Drehmoment von 855 Nm und Fahrleistungen eines Supersportwagens. 3,7 Sekunden von null auf 100.
Wer sagt denn, dass man Amerika wieder great machen muss. Dieses Auto ist great, vielleicht sogar zu great. Vor allem beim Verbrauch, der leicht bei über 20 Litern liegen kann. Der CTS-V ist eine spritsaufende aber scharfe Limousine, ausgestattet mit allen Annehmlichkeiten, die so ein Cadillac zu bieten hat, viel Luxus, gepanzerte Stille im Wagen. Das Head-up-Display und der Kamera-Rückspiegel zählen zu den High-Tech-Leckereien, die aus dem Auto einen Caddy machen.

Letzteres ist übrigens superpraktisch, da auf Wunsch ein breitformatiges Bild gezeigt wird, mit dem man den nachfolgenden Verkehr wirklich lückenlos kontrollieren kann. 300 Prozent mehr Sichtfläche und das Ganze in HD. Alles in allem kostet das Schlachtschiff natürlich auch ordentlich Geld. Ab rund 107.000 Euro ist man dabei. Aber dafür ist erstaunlich viel Protz, Pomp und Prunk an Bord. Von daher musste der CTS-V auch auf die völlig subjektive Liste der denkwürdigsten Autos des Jahres 2018 kommen.
Fahrbericht: Cadillac Escalade im Test - ein Auto wie Trump.
Die Zukunft: Kia E-Niro und der Audi e-tron
Wenden wir uns von der Unvernunft ab und kommen zu den Zukünftigen: Unter den Autos, mit denen wir in die emissionsfreie Zukunft fahren wollen, gibt es einen eindeutigen Sieger. Den elektrischen Kia Niro. Ein Auto, das nichts zu wünschen übriglässt. Die Reichweite liegt tatsächlich bei weit über 400 Kilometern, der Verbrauch bei 16 Kilowattstunden (fünf Euro auf 100 Kilometer), und das Auto kostet, die Umweltprämie abgezogen, knapp 34.000 Euro. Wer viel fährt, wird viel Geld sparen.

Mehr als beim Diesel und deutlich sauberer. Der Elektro-Niro ist ein kultivierter umweltfreundlicher Fahrspaß, der leider nur einen kleinen Nachteil hat. Für den deutschen Markt sind im nächsten Jahr nur rund 3.000 Exemplare vorgesehen. Man muss sich also sputen, wenn man eines der seltenen Modelle ergattern will.
Fahrbericht: Unterwegs mit dem e-Niro - Mia san Kia!
Dass elektro in ist, weiß man jetzt auch bei Audi. Der neue e-tron, ein Luxus-SUV, ist nämlich schon Vorbestellungs-Meister. Rund 20.000 Kunden haben sich schon das Minimum 80.000 Euro teure Elektromobil bestellt. Sie können sich freuen. Denn sie bekommen einen flotten Technologieträger, der mit allerhand Energierückgewinnungs-Leckerbissen ausgestattet ist: Bis zu 30 Prozent der Energie wird durch Rekuperation beim Bremsen zurückgewonnen.

Das braucht der e-tron aber auch, weil der Verbrauch auf unserer Testfahrt immerhin bei 26 Kilowattstunden lag, das sind zehn mehr als beim e-Niro von Kia oder rund drei Euro mehr pro Kilometer. Damit ist der E-Audi schon etwas teurer unterwegs, was aber angesichts von 2,5 Tonnen Gewicht und einer Systemleistung von 408 PS (0 auf Tempo 100 in 5,7 Sekunden) logisch ist. Stellt sich nur die Frage, ob das der ökologische Sinn der Sache ist: hohe Verbräuche, zwar elektrisch, aber trotzdem energieintensiv. Anyway, sagt der Ingolstädter, und verweist auf das zweifelsohne gelungene Elektro-SUV, das Jagd auf Tesla und Jaguar I-Pace machen soll.
Fahrbericht: Audi e-tron - Kann der Elektro-SUV Tesla Konkurrenz machen?
Der Innovative: Mercedes GLC F-Cell
Das vielleicht innovativste Auto des vergangenen Jahres stammt aus dem Hause Daimler. Der GLC F-Cell fährt mit Wasserstoff und wird mit einer Brennstoffzelle angetrieben. Zwar haben die Koreaner von Hyundai mit ihrem Nexo ebenfalls ein Wasserstoff-Auto im Angebot, und auch Toyota liefert mit dem Mirai so ein Produkt aus. Doch haben die Entwicklungsingenieure von Daimler etwas geschafft, das die flexible Massenproduktion eines solchen innovativen Antriebs möglich machen könnte. Die Brennstoffzelle ist so groß wie ein normaler Verbrennungsmotor und kann deshalb auch unkompliziert und auf ein und derselben Produktionslinie in fast jeden Wagen eingebaut werden.

Außerdem ist der F-Cell ein Plug-In-Hybrid, das heißt er kann bis zu 50 Kilometer rein elektrisch fahren, wenn er aufgeladen wurde. Und damit kann man auch etwaige Lücken im Wasserstoff-Tankstellennetz elegant umgehen. Leider gibt es den F-Cell nur im Leasingverfahren und leider wird er nur an ein ausgesuchtes Publikum vergeben. An dieser Stelle möchte man Mercedes mehr Mut wünschen. Gerade als börsennotiertes Unternehmen muss man zwar auf die Renditen schauen, aber man darf und soll den Aktienkurs auch durch große Ideen und Innovationskraft stimulieren.
Fahrbericht: Null Emission, volle Power - Jetzt gibt es den Wasserstoff-Bomber von Daimler.
Lasst die Vernunft walten: Fiat Tipo
Nach den Zünftigen und den Zukünftigen nun zu den Vernünftigen. Und da kommen wir zu einem ganz und gar unspektakulären Sieger. Dem Fiat Tipo. Eines gleich mal vorneweg: Man muss schon eine gewisse Gelassenheit an den Tag legen, wenn man sich auf den Tipo einlässt. Er ist nicht schön, sondern auf eine unaufdringliche Art und Weise hässlich. Wer Tipo fährt, ist ein besonderer Typ. Er braucht einen fahrbaren Untersatz und kein Auto.
Dabei ist der Tipo mit dem Basispreis von rund 25.000 Euro ein wirklich praktischer Kombi mit bester und bewährter Fiat-Technik. Die 120 PS aus dem Diesel-Triebwerk sind zwar durchzugskräftig mit dem typischen Leistungsabfall in den höheren Drehzahlen, reichen aber völlig aus. Mit rund sieben Litern Verbrauch sind wir unseren Tipo gefahren, der 28.660 Euro gekostet hat, dafür aber noch Sitzheizung, Lounge-Paket mit Parksensoren, Rückfahrkamera, Navi und DAB aufwies.

Dafür verlangen die Italiener 990 Euro Aufpreis. Vergleichsweise günstig ist das Sicherheitspaket mit Notbremsassistent, Geschwindigkeitsbegrenzer und adaptiver Geschwindigkeitsregelanlage. Macht nochmal 600 Euro. Warum wir das erwähnen: Weil man für gutes Geld eine gute Menge Auto bekommt. Und wenn es auch keine Liebe auf den ersten Blick war, so hat sich der Tipo doch im Alltag so bewährt, dass wir ihn glatt mit einer Träne im Knopfloch verabschiedet haben.
Ähnlich erging es uns mit dem Rio, mit dem Kia es noch mal in meine ganz persönliche Bestenliste schafft. Und zwar mit dem ganz und gar unspektakulären Rio. Drei Zylinder und trotzdem jede Menge Fahrspaß. Das kann nur Kia. Mit 120 PS hat man fast schon Sportwagen-Feeling, obwohl man "nur" in einem Korea-Polo unterwegs ist, der bei 19.950 Euro startet. Die von uns gefahrene hochwertigere Ausstattung GT-Linie kostet 20.650 Euro. Der Rio ist wendig wie ein kleiner rio, das Fahrwerk steif und direkt, in knapp über zehn Sekunden ist Tempo 100 geschafft. Das reicht zwar nicht unter die Top Ten der Landstraßen-Kapitäne, aber dafür ist man in der Stadt ein König.
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Der Klassiker: Audi A1
Wer es ein wenig deutscher mag, der muss auf den A1 zurückgreifen. Eigentlich fanden wir den Kleinwagen immer schon ein wenig. Ein kastrierter Audi Avant halt, aber die neue Generation hat uns jetzt restlos davon überzeugt, dass hier ein ganzes Auto vor uns steht. Ab 20.000 Euro kann man den A1 erwerben und für den, der ein bisserl mehr finanziell stemmen kann, gibt es mit dem 200 PS starken 40 TFSI schon ein kleines Rennwägelchen, das sich erst in der Kurvenlandschaft so richtig wohlfühlt (0 auf 100 in 6,5 Sekunden).

Muss aber nicht sein, denn schließlich geht es hier um die Vernunft und da sprechen wir über einen Liter Hubraum und 95 PS. Und damit auch über einen Verbrauch, der wirklich unter vier Litern liegen könnte. Vier Liter Benzin, das wären zwischen fünf und sechs Euro Spritkosten bei 100 Kilometern und damit fast auf Augenhöhe mit der elektrischen Konkurrenz. Was uns beim neuen Audi A1 noch überzeugt hat: Das Auto besticht durch ein feines Design, üppig Platz und es hat mit dem von der Fraunhofer-Gesellschaft erfunden 3-D-Sound namens Symphoria ein Klangerlebnis wie in der Oberklasse.
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Rudolf Bögel