Experten suchen Lösung gegen Geisterfahrer

Tübingen - “Achtung, Geisterfahrer!“ Fast täglich läuft diese Warnung im Radio. Immer wieder gibt es schwere Unfälle auf der Autobahn. Seit Jahren versuchen Experten, das Phänomen zu verstehen und suchen nach einer zündenden Idee, um Falschfahrer zu stoppen.
Für einen Familienvater, der im April auf der Bundesstraße 27 in Baden-Württemberg unterwegs war, kam hingegen jede Warnung zu spät: Der 43-Jährige starb, als ein Geisterfahrer frontal in sein Auto krachte. Der 35-jährige Falschfahrer steht dafür seit Freitag in Tübingen wegen Mordes vor Gericht. Bei solchen Unfällen stehen Experten häufig vor vielen Rätseln, denn längst nicht immer ist klar, weshalb Menschen zu Falschfahrern geworden sind. Und noch schwieriger ist die Frage, wie man Geisterfahrten verhindern kann.
Das sind die nervigsten Autofahrer
Bei dem 35-jährigen Angeklagten ist sich die Staatsanwaltschaft sicher, dass er mit voller Absicht zum Geisterfahrer wurde - um sich selbst das Leben zu nehmen. Gegen solche Amok-Fahrten lasse sich kaum etwas machen, sagt Ralf Bettermann, Verkehrssicherheitsmoderator beim Auto Club Europa (ACE). Doch solche Fälle sind eher die Ausnahme. “In den meisten Fällen haben Geisterfahrer schlichtweg die Orientierung verloren“, sagt er.
Besonders häufig komme das nachts bei starkem Regen vor, wenn man schlecht sieht, erklärt Reimund Elbe, Sprecher des Automobilclubs ADAC Württemberg. Nach einer Pause am Rastplatz oder an der Autobahnauffahrt fahren Autofahrer über die eigentliche Ausfahrt direkt in den Gegenverkehr hinein. Auch Alkohol spiele häufig eine Rolle für den Orientierungsverlust.
“Aber man geht andererseits auch davon aus, dass annähernd die Hälfte der Geisterfahrer das Risiko ganz bewusst in Kauf nimmt. Wenn sie zum Beispiel ihre Ausfahrt verpasst haben, dann drehen sie auf der Autobahn um und denken: Da passiert schon nichts, wenn ich die paar Meter zurückfahre“, sagt Elbe.
Das Bundesverkehrsministerium schätzt die bundesweite Zahl der Geisterfahrten auf 1700 im Jahr. Erstaunlich oft passiert dabei nichts, doch immer wieder kommt es auch zu tödlichen Unfällen. Verkehrsexperten suchen deshalb seit Jahren nach Möglichkeiten, wie man Geisterfahrten verhindern kann.
Für Autofahrer, die schlichtweg die Orientierung verloren haben, stellen einige Länder große Warnschilder an gefährlichen Autobahnauffahrten auf - sie sollen verhindern, dass Autofahrer aus Versehen in den Gegenverkehr geraten. Auch in Deutschland wird darüber nachgedacht. In Bayern läuft im Moment ein Pilotprojekt auf der Autobahn 8. Im kommenden Jahr sollen erste Ergebnisse vorliegen.
Doch Experten sind skeptisch. “In Österreich gibt es solche Schilder seit fast 20 Jahren. Aber die Zahl der Geisterfahrer ist trotzdem nicht zurückgegangen.
Die Warnungen vor Geisterfahrern werden also auch weiterhin regelmäßig im Radio laufen. Wenn man gerade auf der betroffenen Strecke unterwegs ist, rät Elbe: “Geschwindigkeit reduzieren und zusehen, dass man auf die rechte Spur kommt. Wenn man mit Höchstgeschwindigkeit auf der Überholspur weiterfährt, hat man im Ernstfall keine Chance mehr, auszuweichen.“
dpa