Genesis GV 60: Was kann der neue Super-Stromer besser als der Kia EV6 und Hyundai Ioniq5?

Eine Technik – drei Autos. Nach dem Hyundai Ioniq5 und dem Kia EV6 bringt der koreanische Konzern sein drittes voll elektrisches Fahrzeug.
- Genesis ist die Edelmarke des koreanischen Hyundai-Konzerns.
- Der pfiffige Elektro-SUV GV 60 soll in die Premium-Klasse vordringen.
- Das Spitzenmodell kostet 71.100 Euro, 436 PS und 466 km Reichweite.
Genesis GV 60: Der neue Super-Stromer im Fahrtest
Wer den Genesis GV 60 starten will, der blickt erst einmal tief in eine Glaskugel. Das Kristall, das an das Utensil einer Wahrsagerin erinnert, sitzt unübersehbar auf der Mittelkonsole des Fahrzeugs. Kann man hier den Verbrauch ablesen oder verrät die Kugel, wann das Auto zur nächsten Wartung in die Werkstatt muss? Nein sie ist eine reine Spielerei, die sich die Koreaner hier leisten. Nachts schimmert sie geheimnisvoll. Sobald der Startknopf gedrückt wird, dreht sie sich um die eigene Achse und zeigt ihre andere Seite. Aus der Konsole taucht der ein geriffelter Regler auf, der früher Schaltknüppel oder Gangwahlhebel genannt wurde. Damit zeigt das Auto auch, dass der Motor an ist. Was man bei einem Elektroauto normalerweise ja nicht merkt.

Einen Genesis kauft man nicht im Autohaus
Die Glaskugel ist zwar nur ein Detail – zeigt aber, dass Genesis die Edelmarke der Hyundai Motor Group anders sein will. Das fängt schon beim Erwerb an. Außer an besonderen Standorten wie zum Beispiel in München gibt es keine Genesis-Autohäuser. Wer kaufen will, der bekommt Besuch. Vom so genannten GPA, dem Genesis Personal Assistant. In der Regel begleitet dieser Mitarbeiter den Kunden vom Kauf über Wartung bis hin zum (im Idealfall für Genesis) Erwerb des nächsten Modells. Ob Probefahrt oder Werkstatt-Termin – Genesis-Fahrer werden buchstäblich an der Haustür abgeholt. Auch das Ersatzfahrzeug wird geliefert. Mit diesem Alleinstellungsmerkmal möchten die Koreaner Genesis das erreichen, woran Infiniti oder auch Lexus in Deutschland gescheitert sind. Eintauchen in den Premiummarkt, der als Haifischbecken mit etablierten deutschen Herstellern prall gefüllt ist. Welche Assistenten im Pkw ab Juli 2022 grundsätzlich zur Pflicht werden, lesen Sie zudem hier.

Hybtridtechnik lässt Genesis ausfallen
Fünf Modelle hat Genesis bereits aufgefahren. Die Luxus-Limousine G 80 mit seinem SUV-Ableger GV 80, sowie eine Nummer kleiner den G 70, den SUV GV 70 und einem eigens für den europäischen Markt entwickelten Kombi, dem Shooting Brake. Alles mit Verbrenner – kein Hybrid, weil Genesis diesen umstrittenen Entwicklungsschritt gleich umgeht und ab sofort voll auf Elektromobilität setzt. Der GV 60 ist der erste seiner Art – und hatte es, was den Antrieb betrifft bei der Entwicklung nicht gerade schwer. Ist ja alles da im Hyundai-Konzern, und läuft auch schon prächtig im Hyundai Ioniq5 oder im Kia EV6. Das heißt: Den GV 60 gibt es in zwei Varianten. Immer mit zwei E-Maschinen auf Vorder- und Hinterachse und Allrad-Antrieb, aber mit zwei unterschiedlichen Leistungsstufen. Die Sport-Version bietet 160 kW (218 PS) am Heck und 74 kW (100 PS) an der Front. Das Plus-Modell hat auch vorne eine E-Maschine mit 218 PS und steigert das Drehmoment auf stattliche 700 Newtonmeter (Nm).

In nur 18 Minuten ist der Akku zu 80 Prozent voll
Die Batterie weist eine Kapazität von 77,4 kWh auf und ist dank des 800-Volt-Bordsystems am DC-Schnelllader mit bis zu 350 kW in 18 Minuten wieder bei 80 Prozent. Damit ist der GV 60 – genauso wie seine Brüder Inoiq5 und Kia EV6 - voll konkurrenzfähig mit einem herkömmlichen Verbrenner. Auch bei den Reichweiten. Innerorts soll der Akku bis zu 621 Kilometer reichen, sonst sind es 466. Kommt aber ganz auf den Fahrstil an. Unser Testauto wies zum Beispiel obwohl voll aufgeladen nur eine Reichweite von 299 Kilometern auf. Scheinbar hatte der Kollege, der das Auto vorher fuhr, viel Spaß an der PS-Freude. Das System rechnet den Verbrauch nämlich anhand der zurückliegenden Verbrauchsdaten hoch. Vergleichbar mit dem Langzeitverbrauch bei einem Verbrenner.

Genesis GV 60: Der Boost-Modus erinnert an einen Raketenstart
Bei den Fahrleistungen ist der Genesis GV 60 mit den zwei E-Maschinen einem herkömmlichen Fahrzeug ziemlich überlegen. Wer jemals das Vergnügen hatte das mächtige elektrische Drehmoment auszukosten, das nicht erst umständlich Luft holen muss, der mag höchsten noch einen klassischen Sauger fahren. In vier Sekunden geht es von 0 auf 100. Souverän. Wenn der Hafer sticht, dann gibt es noch eine kleine Steigerung dazu. Der Boost-Knopf am Lenkrad lässt alle relevanten Kraft-Parameter strammstehen und bietet zehn Sekunden lang Leistung bis an die Grenzen des Antriebssystems. 20 kW (27 PS) mehr sind es dann. Das ist wie beim Raketenstart. Eine irre Erfahrung, fühlt sich aber nicht wirklich gut an, weil die plötzliche Wucht sämtliche Sinne durcheinanderwirbelt. Die normale Beschleunigung reicht völlig. Apropos: Eine GT-Version mit 430 kW (585 PS) wie beim EV6 wird es beim GV 60 nicht geben. Hier setzt man den Schwerpunkt lieber auf kultiviertes Fahren.

Fingerabdruck-Sensor für individuelle Einstellungen
Was sich beim üppig vorhandenen Platz vorne und hinten zeigt – aber auch bei der technischen Ausstattung. Schon allein der große Bildschirm, der sich über das halbe Armaturenbrett erstreckt und aus zwei 12,3 Zöllern besteht macht Eindruck und erinnert an den Doppelscreen von Daimler. Ergänzt wird das alles auf Wunsch mit einem Head-Up-Display, das angenehm tief vor dem Fahrzeug schwebt und nicht wie bei anderen Herstellern die Sicht blockiert. Ebenfalls aus der koreanischen High-Tech-Küche kommt der Fingerabdruck-Sensor. Der ordnet dem jeweiligen Fahrer gespeicherte Daten der Einstellungen von Sitz, Klima und Spiegeln zu. Letztere kann man ebenfalls digital ordern.

Wie gut sind die Kamera-Außenspiegel?
Auffällige Außenkameras übertragen dann das Geschehen auf zwei Monitore, die in den Seitentüren montiert sind. Das muss man mögen, weil die Augen in eine unnatürliche Richtung gelenkt werden. Besser gelöst wurde das etwa im Honda e, dort liegen die Bildschirme jeweils ganz außen am Armaturenbrett – im natürlichen Blickfeld. Dass sich der GV 60 unglaublich ruhig, fährt ist ebenfalls einem High-Tech-Feature geschuldet und liegt nicht ausschließlich am E-Antrieb. Erstmalig setzen die Koreaner nämlich ein Geräuschunterdrückungssystem im Innenraum ein. Über Gegenfrequenzen wird unangenehmer Lärm egalisiert.

Genesis GV 60: Unser Fazit zum neuen Super-Stromer
Hightech und ein elegantes athletisches Design – ob sich Genesis auf dem deutschen Premiummarkt durchsetzen wird, das zeigt auch der Blick in die Glaskugel des GV 60 nicht. Der elektrische Antrieb eröffnet jedoch ganz neue Möglichkeiten, weil hier die heimischen Hersteller - anders als bei den Verbrennern - nicht mehr die technische Führerschaft haben. Und auch preislich ist der Newcomer interessant. Den „kleinen“ GV 60 gibt es nämlich schon ab 56.000 Euro, die Umweltprämie noch nicht abgezogen. Wer einen haben will, muss allerdings schnell sein. Es gibt nur ein bestimmtes Kontingent vorkonfigurierter Exemplare für den deutschen Markt zum Verkaufsstart Anfang Juni. Wenn die weg sind, dräuen aktuell Wartezeiten zwischen sechs und neun Monaten.
Technische Daten Genesis GV 60 Sport plus
- E-Motoren: Zwei Maschinen auf Vorder- und Hinterachse
- max.Leistung: 320 kW (436 PS)
- max.Drehmoment: 700 Nm
- Antriebsart: Allrad
- Batterie: 77,4 kWh
- Reichweite: bis zu 466 km (621 Stadt)
- Ladeleistung: 11 kW / 135 kW
- Ladedauer: 18 min. von 10 auf 80 Prozent (DC / 350 kW)
- 73 min von 10 auf 80 Prozent (DC / 50 kW)
- 7 std. 20 min (AC / 11 kW)
- 34 std. 20 min von 10 auf 90 Prozent (AC einphasig, Haushaltssteckdose)
- 0-100 km/h: 4,0 Sekunden
- Spitze: 235 km/h
- Stromverbrauch: 19,1 kWh
- Länge / Breite / Höhe: 4,51 / 1,89 / 1,58
- Kofferraum: 432 l (+20 l vorne im Frunk)
- Leergewicht / Zuladung: 2145 / 515 kg
- Anhängelast (gebr.): 750 kg
- Preis ab: 71.010 Euro (abzgl. Umweltprämie)
Weitere ausführliche Fahrberichte finden Sie hier. Rudolf Bögel