1. tz
  2. Auto

Honda Civic Type R im Fahrtest: Das blaue Beschleunigungswunder

Erstellt:

Von: Rudolf Bögel

Kommentare

Honda Civic Type R blau Front
So mancher Autofahrer erlebt ein blaues Wunder, wenn er vom neuen Honda Civic in Racing Blue überholt wird. © Honda

Pubertäre Optik, feine Fahrleistungen – wie schlägt sich die Renn-Legende Honda Civic Type R gegen die deutsche Konkurrenz von Golf R und BMW M2?

Der Honda Civic Type R im Fahrtest*:

Er zählt zu den dienst ältesten Straßenrennern der Welt: Der Honda Civic Type R begeistert seit 1996 seine Fans, die mit diesem Auto zwar eine herkömmliche Limousine bekommen, aber eine, die es faustdick unter der Motorhaube hat. Seit 2001 kurvt der Racer auch durch Deutschland. Seit 2015 prangt hinten der monströse Heckspoiler, der sich aufgrund seiner Größe auch gut auch als Kneipentheke eignen würde, aber zum Markenzeichen wurde. Als schnellster frontangetriebener Pkw schreibt der Civic Type R auf der Nordschleife des Nürburgrings Geschichte. Mit 7 Minuten und 43,8 Sekunden stellt er anno 2017 dort den Rundenrekord auf. Wie gut ist das aktuelle Facelift – ein Alltagstest, der Mut erfordert, allein schon wegen der Optik. Apropos: Eigentlich ist der aktuelle Type R nur ein schnödes Facelift der fünften Generation, zumindest vom Design her. Die Japaner haben dabei auf den Schönheitschirurgen verzichtet, stattdessen eine Runde Botox geschmissen. Neu gestaltete Nebelscheinwerfer, überarbeitete Front- und Heckblenden, größere Lufteinlässe – das war es. Bis auf die neue Lackfarbe. Racing Blue heißt sie, und konsequenterweise kommt unser Testwagen genau mit dieser Farbe, die an Strandfotos mit lichtblauen Lagunen im Neckermann-Katalog erinnert.

Honda Civic Type R Cockpit
Etwas angestaubt mit dem rötlichen Charme eines Animierlokals wirkt das Innenleben des Honda Civic. © Honda

Lesen Sie zudem: Neuer Porsche GTS im Härtetest: Der 911er, der eigentlich ein Turbo ist

Altmodisch Kung-Fu-Optik im Innenraum  

Etwas angestaubt wirkt der Innenraum, vor allem wenn man ihn mit dem des neuen Honda Civic vergleicht, den es in den USA ja bereits zu kaufen gibt, und auf dem der Type R - wie immer - aufbaut. Da ist alles aufgeräumt, modern und edel. Dezenter fernöstlicher Charme statt der krachenden Kung-Fu-Optik im aktuellen Modell. Aber wer auf diese Art von Anti-Manga-Design steht, der kommt bei diesem japanischen Hot Hatch voll auf seine Kosten. Da passt das Schmeichel-Lenkrad mit Alcantara gut dazu, die vielen Rot-Applikationen erinnern an wilde Fast & Furios-Verfolgungsjagden.

Honda Civic Type R Detail Auspuffrohre
Drei Endrohre ragen unter dem Type-R-Heck hervor. Allerdings versprechen Sie mehr als sie soundtechnisch halten. © Honda

Dicke Auspuffrohre, dünner Sound!

Technisch wurde die neue Generation Type R nur leicht aufgewertet. Hauptsächlich das adaptive Dämpfersystem, das jetzt noch schneller reagiert, was man sofort beim Handling merkt. Dazu neue, zweiteilige Bremsen vorne. Schadet nicht, die alte Anlage stand gelegentlich in der Kritik. Kritisch sehen Freunde des puren Fahrvergnügens auch den Sound. Zwar versprechen die drei dicken, mittig im Heck platzierten Endrohre verheißungsvoll eine Heavy-Metal-Combo. Stattdessen erklingt Metallica – aber nur unplugged. Zumindest außen, denn innen wird nachgeholfen. Active Sound Control nennt man bei Honda diese künstlich generierte Form des Auspuffklangs. Für Puristen ein Graus, echte Digitaljünger verstehen die Aufregung eher nicht.

Honda Civic Type R Detail roter Bremssattel Brembo
Starker Motor, starke Bremsen. Hier hat Honda beim Facelift des Typr R ein wenig aufgerüstet. © Honda

Lesen Sie auch: Nissan Qashqai im Test – so fährt sich das neue Topmodell mit Allrad

Wie schlägt sich der Honda Civic Type Rgegen BMW M2 und Golf R?

Aber genug gemotzt und gemeckert – denn das alles sind Petitessen. Sitzt man erst in den wirklich bequemen und trotzdem sportlichen Schalensitzen, löst sich diese Kritik in absolutem Wohlgefallen auf. Denn der Type R ist eine der letzten echten Spaßmaschinen aus der Verbrenner-Welt. Und egal ob wir jetzt als Nestbeschmutzer dastehen: Der Honda fährt mindestens auf Augenhöhe mit Golf R und macht sogar dem kultigen BMW M2 Konkurrenz. Nicht bei der Beschleunigung. Da liegt die Messlatte beim alten M2 mit seinen 411 PS aus dem Sechszylinder bei unerreichbaren 4,4 Sekunden. Der neue Golf R mit 320 PS packt die 100 auch schon in 4,7 Sekunden. Bleibt dem Japaner nur das Nachsehen mit seinen knapp sechs Sekunden. Aber, Freunde der gepflegten Beschleunigung, das sind Papierwerte und natürlich verliert der Honda im direkten Vergleich. Aber…

Honda Civic Type R Heckansicht Spoiler
Expressiv sagen die Fans, pubertär die anderen. Das Design des Civic Type R ist jedenfalls ziemlich eigenständig. © Honda

Auch interessant: Duell der Kombis: Schlägt der Skoda Superb den Dreier Touring von BMW?

Guter Tipp: Beim Beschleunigen das Lenkrad ganz festhalten

Aber hinter dem Steuer fühlt sich das nicht so an. Der Motor schnurrt wie ein Stubenkätzchen, die Beschleunigung ist herrlich linear, ganz und gar ohne Turboloch. Verblüffend kraftvoll setzt sich der Vierzylinder in Szene. So überraschend, dass wir für einen kurzen Moment vergessen, dass wir Frontantrieb haben und dass es bei solchen Kraftakten mit einer Drehmoment-Power von 400 Newtonmeter (Nm) grundsätzlich eine gute Idee ist das Lenkrad schön festzuhalten. Weil der Honda sonst leichte Bocksprünge macht. BMW-M2-Freunde grätschen an dieser Stelle gerne ein und preisen die Vorzüge des Heckantriebs. Da wollen wir nicht unbedingt widersprechen. Aber so ein Fronttriebler hat in den Kurven durchaus seine Vorzüge bei der Agilität. Außerdem punktet der Honda voll bei Fahrwerk und Handling, da dürften die Wolfsburger und Münchner Entwicklungsingenieure staunend neben dem Produkt aus Tokio stehen.

Fahrwerk des Civic: Von ziemlich zivil bis beinhart

Fangen wir bei der Federung an. Drei verschiedene Stellungen stehen zur Verfügung. Mit Comfort wollen haben wir uns gar nicht groß beschäftigt, schließlich fängt der Type R nach jedem Druck auf den Anlasser immer wieder auf Sport an. Und das war dann auch unsere liebste Fahrwerksauslegung. Klar, bei Race agiert der Honda noch giftiger, aber schon in der Stellung Sport bietet der extrovertierte Japaner feine Fahrwerkskost. Beinhart und knochentrocken, trotzdem bequem, weil Bodenwellen ganz einfach weggeschluckt werden. Die Lenkung reagiert auf die leichteste Bewegung, ziemlich direkt und mit guter Rückmeldung. Sport ist ein Modus, der echt alltagstauglich ist. Er bietet den nötigen Komfort, und wenn man das Gaspedal nur streichelt oder in der Stadt unterwegs ist, dann fühlt sich dieser Civic ziemlich zivil an.

Honda Civic Type R Detail Schaltknüppel
Ganz aus Alu besteht der tropfenförmige Schaltknüppel. Stramm tanzt er durch die Schaltgassen. © Honda

Lesen Sie auch: Elektroauto im Praxistest: Wie weit kommt der VW ID.4 tatsächlich?

Knackige, kurze Schaltwege – wer braucht da schon Automatik

Ein Sonderlob hat auch die Schaltung verdient. Der aus Alu bestehende und jetzt in Tropfenform erhältliche Knüppel liegt gut in der Hand. Und das ist auch gut so. Denn den Honda gibt es nach wie vor als Schalter. Sechs Gänge stehen zur Verfügung, im vierten fährt das Auto schon so ruhig, dass man glatt das Hochschalten vergisst. Die Gangführung ist knackig, kurz und präzise. Gerne lässt man den Hebel zwischen den Gassen tanzen – früher war das ganz normal, heutzutage soll es Menschen geben, die ohne Automatik schon gar nicht mehr fahren können. In den Genuss einer echten Handschaltung kommen auch passionierte M2-Fahrer, bei Volkswagen hat man gar keine Wahl, da kommt der große böse Golf nur mit Doppelkupplungsgetriebe und Allrad auf die Straße und ist von daher vielleicht das konventionellste Auto in diesem Trio.

Honda Civic Type R blau Heck Heckspoiler
Markantes Markenzeichen. Der Heckspoiler des Honda Type R wird auch gerne als Frittentheke verspottet. © Honda

Wie sieht die Zukunft des Type R aus?

Vielleicht schon 2021, spätestens jedoch 2022 Jahr gibt Honda einen Ausblick auf den Nachfolger. Erlkönigfotos zeigen, dass der heiße Hatchback (was nichts anderes als Schrägheck bedeutet) etwas dezenter herkommen wird als das aktuelle Modell, das mit seinen auffälligen Anbauten für das eigene Umfeld schon ziemlich gewöhnungsbedürftig ist und vom Besitzer deshalb schon großes Selbstvertrauen abringt. Aber keine Angst: Die Biertheke am Heck – die bleibt. Wie auch der reine Verbrenner. Zwar haben die Japaner versprochen bis Ende 2022 alle Modelle zu elektrifizieren, aber der Type R kommt wohl noch einmal davon. Auf die Leistung des Vierzylinders sattelt Honda Gerüchten zufolge noch mal 20 PS drauf, so dass die dann sechste Generation des Type R mit 340 PS unterwegs sein wird. Damit dürfte er knapp an der Fünf-Sekunden-Marke beim Sprint auf 100 km/h entlangschrammen. Als letzter seiner Art hat er damit eine große Zukunft vor sich: auch als Sammlerfahrzeug.

Honda Civic Type R GT

Rudolf Bögel tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

Auch interessant

Kommentare