Mitsubishi-Pick-up: Der Kernige für echte Kerle

Äpfel und Birnen kann man miteinander vergleichen – muss man aber nicht. Ebenso wenig wie Pick-ups und Pkws. Der Mitsubishi-Pick-up L200 gehört zu den Pick-ups.
In den USA sind die praktischen Pritschenwagen ein Massenfortbewegungsmittel, in Deutschland schaffen es pro Jahr gerade mal 15 000 Neufahrzeuge in die Zulassungsstatistik. Die Platzhirsche bei uns heißen Ford Ranger und VW Amarok, einen Angriff auf sie wagen will nun Mitsubishi mit der (hierzulande) dritten Auflage seines L200 – der Vorgänger stammt von 2006.
Die Japaner bieten den Neuen in zwei Karosserievarianten an: als Club Cab mit separatem Mini-tür-Zustieg für die hintere, nur als Notbehelf zu begreifende zweite Sitzreihe sowie als Doppelkabine mit bequem breiten vier Türen für fünf Plätze. Schon optisch macht der Mitsubishi L200 keine schlechte Figur. Kantiger, muskulöser, aber nicht protzig steht er da und wartet auf – seinen Herrn am Steuer. Damen findet man nämlich am Volant des vor allem für Handwerker, Förster oder Gärtner gedachten Lasttiers eher selten. Ganze 93 Prozent der Käufer sind Männer. Zumindest einige Muckis sollte man wirklich mitbringen, wenn man die nicht gerade leichte Pritschenklappe nach unten lässt – keine Abfederung verlangsamt die Schwerkraft. Wenn das Nutzfahrzeug mit „Pkw-ähnlichen Fahreigenschaften“ angepriesen wird, so trifft das den Kern. Auch wenn der L200 ab der mittleren Ausstattungslinie Plus mit Chromeinfassungen aufwarten kann, in der Topversion sogar Ledergestühl und Bi-Xenonscheinwerfer regulär an Bord hat, so bleibt er ein Arbeitsvehikel, was dem vielen – aufgehübschten – Hartplastik im Innenraum auch anzusehen ist.
Bleibt man auf asphaltierten Straßen, so offenbart sich schnell ein auffälliges Untersteuern, die Reifen geben bei engeren Kurven rasch akustische Rückmeldung, die Karosserie neigt sich merklich zur Seite. Eine Vollbremsung malt trotz ABS reichlich Abrieb auf die Straße. Der Schaltknüppel des neuen Sechsganggetriebes zittert, das Einlegen der Gänge ist hakelig. In der Fünf-Stufen-Automatikversion nimmt der Wagen nur verzögert Gasstöße an, und auch beim Schaltgetriebe ist der Abzug trotz 181 Turbo-Diesel-PS mäßig. Einem gewöhnlichen Auto würde man diese Schwächen nur über den Preis verzeihen – und der liegt je nach Ausstattungsvariante zwischen 26.290 und 40.290 Euro. Gnade: eher nicht.
Aber der Mitsubishi L200 ist eben kein gewöhnliches Auto. Sein permanenter Allradantrieb (ab Plus-Version) mit Geländeuntersetzung ermöglicht ihm spektakuläre Kletterpartien, etwa einen 50-Grad-Aufstieg über einen (künstlichen) Gebirgsbach. Ebenso wenig ein Problem wie die 70-Grad-Abfahrt auf der anderen Seite des Testhügels. Wo Stadt-SUVs kläglich scheitern, bleibt der L200 ganz entspannt. Trotz einer Gesamtlänge von 5,2 Metern und 1950 Kilo Leergewicht. Dabei gewöhnt man sich erstaunlich schnell an die mächtigen Maße des

Pick-ups, die Rückfahrkamera (ab Plus-Serie) gibt zusätzliche Sicherheit. Richtig begeistert der robuste, sehr stabile Geradeauslauf des L200 im Gelände, wenn er über Schotterwege rauscht. Oder einen Hohlweg voller Feldsteine und Wurzeln einfach runterbügelt, kleinere Schlaglöcher bemerkt man nicht einmal. Wenn man dann noch die Anhängelast von 3,1 Tonnen zu schätzen weiß oder die Gespannstabilisierung, die mit dem Antischleudersystem des L200 zusammenarbeitet und dabei hilft, einen Anhänger vor dem Kippen zu bewahren, dann wird der L200 wirklich sexy. Sieben Airbags, Spurhalteassistent und Start-Stopp-Automatik erleichtern noch, Ja zu sagen zu diesem Nutzfahrzeug. Wenn man so etwas will. Äpfel oder Birnen – das muss man sich vor dem Kauf ja auch überlegen.
MPB