Italienische Gefühle mit der Moto Guzzi Stelvio

Gemäß dem Motto „jedem seine GS“ hat auch Moto Guzzi seit 2008 eine zumindest optisch geländegängige und großvolumige Reise-Enduro..
...im Stil des BMW-Dauerbrenners GS im Programm, die allerdings auf dem deutschen Markt in Bezug auf Zulassungszahlen im Grunde keine Rolle spielt. Für 2012 wurde die Stelvio überarbeitet – wir waren mit der komplett ausgestatteten Fernreiseversion NTX unterwegs.
Kern der Guzzi ist der V2-Motor mit 1151 ccm Hubraum und einer Leistung von 105 PS/77 kW. Damit müssen satte 296 Kilogramm bewegt werden, was der Twin aber überraschend souverän bewerkstelligt, nicht zuletzt, weil das maximale Drehmoment von 113 Nm bereits bei 5800 U/min erreicht wird. Diese Motorcharakteristik lässt überdies schaltfaules Dahingleiten zu, das aber genauso blitzschnell in flottes Vorankommen geändert werden kann – die Stelvio kann beides gleich gut.

Das gute Gefühl, das sich bei der Fahrt auf dem Moto-Guzzi-Reisedampfer ganz schnell einstellt, lässt sich nicht messen oder erklären, es ist einfach da. Dann vergisst man ganz schnell die kleinen Unzulänglichkeiten wie die kräftigen Vibrationen in Lenker und Fußrasten, das spiegelnde Cockpit, die kleinen Rückspiegel, der etwas unkonventionell platzierte Seitenständer und die eine hart zupackende Hand erfordernde Bremsen und nimmt sie einfach als Charakteristika eines Motorrades, das aus der Masse heraussticht.
Hat man dieses Stadium der Erkenntnis erreicht, ist die Fahrt mit der Stelvio der pure Genuss. Die Bud-Spencer-GS erweist sich letztlich doch als ein ausgereiftes Bike, das über ein gutes Fahrwerk verfügt, sich spielend leicht um Kurven wuchten lässt und dem Namenspatron Stilfser Joch, italienisch Stelvio, alle Ehre macht. Dank niedrigem Schwerpunkt ist die Maschine sehr handlich, die sechs Gänge sind gut abgestimmt und leicht (jedoch nicht ganz ohne Antriebsreaktionen im Kardan) zu schalten. Der Bordcomputer kann einfach per Fingerdruck am linken Lenkerende bedient werden und der Sozius hat einen gut dimensionierten und bequemen Platz. Positiv vermerkt werden sollte noch der 32-Liter-Tank, wohingegen der Verbrauch von 7,2 Liter nicht so viel Freude bereitet.
Die von uns gefahrene Fernreiseversion 1200 8V NTX verfügt gegenüber dem 14.290 Euro teuren Basismodell zusätzlich serienmäßig über Nebelleuchten, Handprotektoren, ein extra großes Windschild, Aluschutz für Ölwanne und Sturzbügel für die Zylinderköpfe sowie ein Gepäcksystem, dessen Bedienung allerdings etliche Nerven kostet. Das schlägt natürlich zu Buche – mit knapp 2000 Euro mehr. Da wird die frisch entflammte Liebe für die Italienerin gleich wieder auf eine harte Probe gestellt.
Volker Pfau