Am Ziel

München - Es ist natürlich kein Tag wie jeder andere, obwohl er so früh wie jeder andere beginnt.
Bereits um 8 Uhr hat Horst Seehofer (59) am Montag seinen ersten Termin – und den gleich bei Bundespräsident Horst Köhler in dessen Amtssitz Schloss Bellevue. Dort erhält der seit 2005 amtierende Bundeslandwirtschaftsminister seine Entlassungsurkunde – ein Abgang aus Berlin als persönlicher Aufstieg.
Denn nur sechs Stunden später ist Horst Seehofer neuer Ministerpräsident von Bayern. Um Punkt 14.18 Uhr wird er von Landtagspräsidentin Barbara Stamm im Maximilianeum vereidigt und spricht den Amtseid. Seehofer am Ziel – „es ist der Höhepunkt meiner politischen Laufbahn“, sagt er wenig später.
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Dazwischen liegen zwei weitere wichtige Etappen. Noch am Vormittag unterzeichnet Seehofer den 71 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag – das Papier, das unter anderem das Rauchverbot, das Versammlungsrecht und die Heiratsbestimmungen für Schwule und Lesben liberalisiert.
Und dann sind da ja noch die Debatte und der Wahlgang im Landtag, die Seehofer zusammen mit Frau Karin und den Kindern Susanne (17) und Andreas (20) von der Zuschauetribüne aus verfolgt. Von der Opposition gibt’s da deutliche Worte:
„Seehofers Wahl ist legal, aber nicht hinreichend legitimiert“, sagt SPD-Fraktionschef Franz Maget vor dem Hintergrund, das ja vor vier Wochen noch Günther Beckstein CSU-Spitzenkandidat war.
Hubert Aiwanger, Fraktionschef der Freien Wähler, mahnt: „Es geht hier doch darum, die Zukunft Bayerns zu sichern und nicht den Mythos CSU.“
Und Grünen-Fraktionschef Sepp Daxenberger schließlich sagt: „Die CSU spielt das Spielchen weiter, für das sie bei der Landtagswahl abgestraft wurde: Posten werden in Mauschelrunden beziehungsweise Telefonkonferenzen vergeben.“
Genüsslich laben sich Maget und Daxenberger an früheren Aussagen aus Reihen der CSU wie von der „Horst Ich-AG Seehofer“. Der Grünen-Boss bietet ihm sogar einen Geschenkkorb an – „mit Kernseife zum Reinwaschen von der Politik der Vorgänger“ und Knoblauchzehen, um sich „allzu blutrünstige Parteifreunde“ vom Leib zu halten.
Die sind – am Montag zumindest – in der Deckung geblieben. Auch wenn Seehofer nur 104 der 184 abgegebenen Stimmen erhält – vier weniger, als CSU und FDP Sitze haben. Bei seiner Nominierung in der Fraktion hatte Seehofer noch 16 Gegenstimmen. Ein CSU-Abgeordneter räumt ein, manch einer habe Seehofer nur mit der Faust in der Tasche gewählt. Ihm ist das gleich: „Es ist für mich ein bewegender Moment.“
In seiner ersten Rede reicht Seehofer allen Abgeordneten die Hand. „Ich bin ein Überzeugungstäter, wenn es um praktizierte Demokratie in den Parlamenten geht“, sagt er. Und: „Wir haben einen gemeinsamen Auftrag: die Lebensbedingungen für die Menschen in unserer Heimat zu sichern und zu verbessern.“ Seine Maxime: „Wir werden nachhaltig denken, verantwortungsbewusst handeln und entschlossen anpacken. Glück auf für meine Heimat Bayern!“
Unmittelbar danach fährt der neue Ministerpräsident in die Staatskanzlei: Er stellt sich den Mitarbeitern vor, trinkt mit seiner Familie einen Apfelsaft in den neuen Arbeitsräumen – und beginnt zu arbeiten. Am Donnerstag soll das neue Kabinett stehen.
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Chronik:
28. September: Bei der Landtagswahl stürzt die CSU von 60,7 auf 43,4 Prozent ab.
29. September: Der CSU-Vorstand tagt. Der mächtige CSU-Bezirksverband Oberbayern übt massiv Druck auf Ministerpräsident Beckstein und Parteichef Huber aus. Bei einer Krisensitzung der engsten CSU-Führung wird Huber zum Rückzug gedrängt. Beckstein soll bleiben, Seehofer Huber beerben.
30. September: Huber verkündet seinen Rücktritt zum Parteitag am 25. Oktober. Die CSU-Landesgruppe erklärt, Seehofer solle Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2009 werden. Viele Abgeordnete wollen aber, dass Seehofer neben Huber auch noch Beckstein ablöst.
1. Oktober: Die CSU-Landtagsfraktion tagt. Angesichts massiven Drucks aus mehreren Bezirksverbänden kündigt Beckstein seinen Rückzug an. Fraktionschef Schmid, Innenminister Herrmann, Wissenschaftsminister Goppel und – offiziell als Ersatzkandidat – Seehofer bewerben sich um das Amt.
3. Oktober: Schmid zieht seine Kandidatur wegen mangelnder Chancen zurück. Immer mehr Bezirksverbände stellen sich hinter Seehofer.
7. Oktober: Auch Goppel und Herrmann ziehen ihre Kandidaturen zurück.
8. Oktober: Die CSU-Landtagsfraktion nominiert Seehofer offiziell als Nachfolger Becksteins. Seehofer fehlen 16 mögliche Stimmen.
14. Oktober: CSU und FDP beginnen Koalitionsverhandlungen.
22. Oktober: Nachdem die BayernLB ihre Belastungen am Vorabend auf 6,4 Milliarden Euro beziffert hat, erklärt Finanzminister Huber, der Chef-Kontrolleur der Bank ist, seinen Rückzug.
24. Oktober: CSU und FDP beenden die Verhandlungen und unterzeichnen einen Koalitionsvertrag .
25. Oktober: Ein CSU-Sonderparteitag in München billigt den Koalitionsvertrag mit überwältigender Mehrheit und wählt Horst Seehofer mit 90,3 Prozent zum neuen Parteivorsitzenden. Auf seinen Posten als Stellvertreter wird Peter Ramsauer mit einem kräftigen Dämpfer beim Ergebnis gewählt.
26. Oktober: Auf einem Parteitag in Ingolstadt billigt auch die bayerische FDP den Koalitionsvertrag.
27. Oktober: Horst Seehofer wird im Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt.
30. Oktober: Das neue Kabinett soll im Landtag vereidigt werden.
Quelle: tz