Eklatanter Lehrermangel in Bayern: „Die Hütte brennt“

In Bayern ist der Lehrermangel eklatant. Das erfordert ungewöhnliche Maßnahmen. Grundschullehrer müssen in der Mittelschule aushelfen.
München – Dass an den Grundschulen Lehrer fehlen, ist eigentlich keine neue Nachricht. Schon seit mehreren Jahren gibt es auch in Bayern Volleinstellung – jeder fertige Junglehrer wird übernommen, auch wenn seine Examensnote eher bescheiden ist. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt nun, dass dies wohl zum Dauerzustand werden wird. Bis zum Jahr 2025 werden deutschlandweit mindestens 26.300 Lehrer an Grundschulen fehlen. Damit sei die Lage noch angespannter als von der Kultusministerkonferenz erwartet. Die KMK hatte im vergangenen Oktober einen Mangel von 15.300 Grundschullehrern im Jahr 2025 errechnet. Mit-Autor Dirk Zorn bezeichnet die Studie als Weckruf.
„Wir brauchen eigentlich keine neue Studie, um den Ernst der Lage zu unterstreichen“, sagt die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Simone Fleischmann. Der BLLV hat die Zahlen speziell für Bayern errechnet. Demnach wird es 2025 rund 518.800 Grundschüler geben – 77.000 mehr als heute.
Bayern: Grundschullehrer helfen aus
Legt man die aktuelle Schüler-Lehrer-Relation (16,9 Schüler je Lehrer) zugrunde, so ergibt sich ein Mehrbedarf von 4557 Vollzeit-Stellen im Vergleich zu heute. Interessant dazu: CSU und Freie Wähler haben im Koalitionsvertrag die Schaffung von 5000 neuen Lehrerstellen bis 2023 vereinbart. 1000 davon gibt es schon. Die restlichen 4000 würden im Großen und Ganzen allein die Grund- und Mittelschulen beanspruchen, wenn man die Prognose für solide hält. Simone Fleischmann ist es jedenfalls ernst, sie wiederholt eine Aussage, die ihr vor Wochen als Schwarzmalerei angekreidet wurde: „Die Hütte brennt.“
Die Situation ist auch in einigen Landkreisen in Oberbayern schon spürbar. Im Landkreis Fürstenfeldbruck zum Beispiel übernehmen Grundschullehrer einen Teil der Unterrichtsstunden in der Mittelschule, sofern die Schulstandorte nah beieinander liegen. Im Landkreis Rosenheim berichtet Schulamtsdirektor Edgar Müller: „Im Vergleich zu früher hat sich die Situation deutlich verändert, wir haben großen Personalbedarf.“
Bayern: Im Landkreis Starnberg fehlen Fachlehrer
50 Prozent der Mobilen Reserven – also Lehrer, die etwa im Krankheitsfall Kollegen vertreten sollen – seien jetzt schon verplant. Selbst die Besetzung von Schulleiterstellen ist schwierig – zwei Schulen (Hochstätt, Reitmehring) werden nur kommissarisch geleitet. Kleinere Probleme meldet der Landkreis Starnberg: Dort fehlen Fachlehrer im Fach „Werken und Gestalten“ – andere Grundschullehrer müssen einspringen.
Schon seit Jahren versucht das bayerische Kultusministerium, mit der Zweitqualifikation von Realschul- und Gymnasiallehrern gegenzusteuern. 1400 haben diese schon abgeschlossen, 1200 nehmen am Programm derzeit teil. In jedem Landkreis gibt es solche Zweitqualifikanten, in Fürstenfeldbruck etwa sind es jetzt 15 Lehrer, die sich so umorientieren – und eine geringere Eingangsbesoldung in Kauf nehmen: A 12 statt A 13. Neben einer (etliche Millionen Euro teuren) Angleichung wäre auch ein höheres Budget der Schulleiter für die Gewährung von Leistungszulagen und -prämien notwendig, sagt BLLV-Chefin Fleischmann.
Bayern: Mediizin-Studium beliebter als Lehramt
Die Bezahlung ist freilich nur einer der Faktoren, die wichtig sind. „Es geht nicht nur ums Geld“, sagt Simone Fleischmann. Auch Studienplätze sind knapp, auch wenn das Wissenschaftsministerium angekündigt hat, in den nächsten Jahren insgesamt 700 neue Studienplätze fürs Grundschullehramt an den bayerischen Universitäten zu schaffen. Generell fordert Fleischmann eine höhere Wertschätzung: Ziel müsse sein, dass sich ein Abiturient mit einem 1,0-Abitur nicht nur fürs Medizin-Studium interessiert, sondern auch fürs Lehramt. Dass das Utopie ist, weiß sie selbst.
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