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Rentnerin muss nach 23 Jahren Wohnung verlassen – der Zeitpunkt macht es noch trauriger

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Eine Rentnerin muss kurzfristig ihre Wohnung verlassen, in der sie seit 23 Jahren lebt. Die Stadt Würzburg braucht sie für andere Menschen.

Würzburg – Krystyna Thiele wohnt seit 23 Jahren in ihrer 44 m² großen Wohnung in Würzburg. Doch Ende November muss sie ausziehen. Die Rentnerin hatte nur gut einen Monat Zeit, ihre Sachen zu packen. Bescheid erhielt sie ausgerechnet an ihrem Geburtstag.

Am 19. Oktober klingelte es am Morgen an Thieles Wohnungstür im Stadtteil Zellerau. Es war der Tag ihres 77. Geburtstags. Vor der Tür standen zwei Mitarbeiterinnen der Stadt. Im Gepäck hatten sie nicht etwa ein Geschenk zum Ehrentag, sondern eine bittere Nachricht: Thiele muss ihre Wohnung räumen, in der sie seit 23 Jahren lebt. Auch in Berlin musste eine Rentnerin ihre Wohnung nach 37 Jahren verlassen.

Umzugskisten in einer Wohnung
Eine Rentnerin muss nach 23 Jahren ihre Wohnung in Würzburg verlassen. (Symbolbild) © IMAGO/Zoonar

Rentnerin muss nach 23 Jahren aus Wohnung raus – weil sie zu groß ist

„Sie haben mir gesagt, dass die Wohnung für mich allein zu groß ist und dass sie meine Wohnung für eine Flüchtlingsfamilie brauchen“, sagte Thiele der Mediengruppe Main-Post, die darüber berichtete. Einen schriftlichen Bescheid erhielt sie demnach nicht. Die Stadt Würzburg weist das zurück. „Es war weder kommuniziert noch beabsichtigt, hier Flüchtlinge unterzubringen“, erklärte ein Sprecher der Stadt unserer Redaktion. „Dass es ausgerechnet ihren Geburtstag traf, tut uns leid, dafür haben wir uns entschuldigt.“

Thiele lebt von 690,52 Euro Rente im Monat. Das reicht bei Weitem nicht aus, um auf dem freien Markt eine Wohnung zu finden, sagt die Seniorin. Daher lebt sie in einer Verfügungswohnung. Weil sich in Baden-Württemberg eine Rentnerin ebenfalls keine Wohnung leisten kann, lebt sie in einer Obdachlosenunterkunft.

Verfügungswohnungen sind Wohneinheiten, die Städte zur Behebung von Wohnungsnotfällen betreiben. Sie dienen etwa der vorübergehenden Unterbringung von Familien oder Einzelpersonen, die obdachlos oder unmittelbar von Obdachlosigkeit bedroht sind. Und nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft oder durch die Hilfe Dritter Wohnraum zu beschaffen. Verfügungswohnungen werden durch die jeweilige Stadt zugeteilt, in der Regel besteht kein Mietverhältnis im privatrechtlichen Sinne.

Rentnerin weiß nicht, wo sie künftig wohnen wird

Der Stadt Würzburg zahlte die Rentnerin 253 Euro im Monat für ihre bisherige Wohnung. Bis zuletzt sei ihr regelmäßig die weitere Nutzung um ein halbes Jahr gewährt worden, berichtete die Main-Post. „Vielleicht habe ich mich zu sehr daran gewöhnt, vielleicht war ich zu blauäugig, um den Rausschmiss jetzt vorherzusehen“, erklärte die 77-Jährige.

Wo sie künftig wohnen wird, weiß sie noch nicht. Ihr sei lediglich gesagt worden, dass sie in eine „andere Wohnung oder eine WG“ versetzt werde. Laut der Stadt Würzburg soll es wohl eine „seniorengerechte WG“ werden. Um ihr Hab und Gut zu packen, habe sie von der Stadt sechs Umzugskartons zur Verfügung gestellt bekommen. (mt)

Transparenzhinweis: Das Statement der Stadt, dass in die Wohnung der betroffenen Person Krystyna Thiele künftig keine Geflüchteten einziehen werden, haben wir nachträglich ergänzt.

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