Erstmals türkisches Prinzenpaar bei Fränkischer Fastnacht

Karlstadt - Für die Fränkische Fastnacht ist ein türkisches Prinzenpaar eine Premiere. Um die beiden tobt ein enormer Medienrummel. Der Bund deutscher Karneval sieht das dagegen als völlig normal an.
Wenn im bayerischen Karlstadt das diesjährige Prinzenpaar auf die Bühne gerufen wird, weht sofort ein Hauch von Orient durch den Raum. Denn die königlichen Hoheiten heißen Murat I. und Hacer I. Sie sind das erste türkische Prinzenpaar des 15 000-Einwohner-Ortes in Unterfranken. Für die fränkische Fastnacht ist das eine Premiere. Er wurde hier geboren, sie zog vor acht Jahren aus der Türkei nach Karlstadt (Landkreis Main-Spessart), das Paar hat drei Kinder.
Die deutschen Karnevalsbräuche waren Hacer Acikgöz bis dahin völlig unbekannt. „Sowas gibt es bei uns der Türkei nicht“, sagt die 34-Jährige. Dennoch hat sie sofort „ja“ gesagt, als die Karlstädter Karnevalsgesellschaft dem Paar die Krone und das Zepter für die närrische Saison 2016 anbot. Am Anfang sei sie nervös gewesen. Mittlerweile ist sie begeistert und hat sich sogar eigens für ihre Rolle als Karnevalsprinzessin in der Türkei ein passendes Kleid schneidern lassen - knallrot, figurbetonend und mit goldenen, üppigen Stickereien verziert. „Ich kannte den Trubel ja schon von vielen Faschingsumzügen und fand die neue Herausforderung super. Aber mittlerweile ist meine Frau fast noch aktiver als ich“, erzählt Prinz Murat.
Prinzenpaare gehören in vielen Regionen bundesweit zur närrischen Zeit wie Konfetti, Krapfen und Kabarett. Meistens jedoch haben sie deutsche Wurzeln. Auch in Nordbayern ist das türkische Prinzenpaar durchaus etwas Besonderes. „Mir ist in Nordbayern kein anderes Prinzenpaar mit Migrationshintergrund bekannt“, sagt der Präsident des Fränkischen Fastnacht-Verbandes, Bernhard Schlereth, dazu. Die Integration verschiedener Nationen dagegen sei schon längst an der Tagesordnung. „Bei den Garden beispielsweise tanzen ganz viele Nationen zusammen. Das verbindet und schafft Selbstbewusstsein und ein Gefühl von Zugehörigkeit.“
Der Präsident vom Bund Deutscher Karneval, Volker Wagner, wird noch deutlicher. „Wir führen zwar keine Statistik. Aber Prinzenpaare mit Migrationshintergrund hat es vor 20 Jahren schon gegeben. Das ist für uns nichts Besonderes.“ Derzeit gibt es beispielsweise auch einen Faschingsprinz mit griechischen Wurzeln in Mannheim. Integration sei für einen Karnevalsverein das Normalste von der Welt. „Im Grunde sind die Karnevalsvereine in dieser Richtung Vorreiter.“
Seit der Inthronisierung vor einigen Wochen hat das türkische Paar aus dem unterfränkischen Karlstadt alle Hände voll zu tun. Und das liegt nicht nur an den regulären Terminen wie den Besuchen von Kindergärten, Schulen, Seniorenheimen oder Unternehmen unter der Woche und den Karnevalsveranstaltungen an den Wochenenden. Das Paar wurde zudem von Medienanfragen überrollt. „Mit diesem riesigen Medienecho haben wir überhaupt nicht gerechnet. Für uns war die Entscheidung überhaupt nicht spektakulär“, sagt Karnevalsgesellschafts-Sprecherin Susanne Liebstückel dazu. Befürchtungen, man könne ihnen Kulturbruch vorwerfen, wurden nicht erfüllt.
„Das Thema Orient bietet zum einen inhaltlich und tänzerisch viel. Und zum anderen passte es zu unserer Kleinstadt, in der schon seit Jahrzehnten Hunderte Türken leben und integriert sind.“ In der Großgemeinde Karlstadt wohnen rund 1000 Türken. Die ersten kamen vor mehr als 40 Jahren als Gastarbeiter in die Region, um in den örtlichen Eisen- und Zementwerken mitzuhelfen. In der Kleinstadt gibt es zwei Moscheen.
Der Bürgermeister des Ortes ist von der Entscheidung der Karnevalsgesellschaft begeistert: „Es war einfach an der Zeit, dass wir auch ein türkisches Prinzenpaar haben“, sagt Paul Kruck. Mit Blick auf die derzeitige, asylpolitische Situation empfindet er die Idee zudem als „mutig“. Bislang aber sei es bei allen sehr gut angekommen. „Es war richtig. Und die Zwei machen eine super Figur und meistern das sehr souverän.“
Murat und Hacer wollen die Karnevalssaison trotz des derzeitigen Stresses in vollen Zügen genießen. „Das passiert einem nur einmal im Leben, dass man ein Faschingsprinz ist. Das will ich voll durchziehen. Wir leben doch nur einmal“, sagt der 39-Jährige.
Gelebte Integration mit türkischem Prinzenpaar
dpa