Ettal-Schüler: "Es herrschte absoluter Terror"
Ettal - Im Kloster Ettal sind Schüler jahrzehntelang von Ordensgeistlichen sexuell misshandelt worden. Möglicherweise wurde sogar ein Pater Opfer von sexueller Gewalt unter Ordensbrüdern, wie Sonderermittler Thomas Pfister sagte.
Der Münchner Strafverteidiger legte am Freitag in Ettal seinen vorläufigen Schlussbericht vor. Er sprach von einer "Kultur des Schweigens und Wegsehens". Es habe eine falsch verstandene Solidarität der Verantwortlichen im Kloster gegeben. Der von der Benediktinerabtei eingesetzte Sonderermittler legte erschütternde Schüler-Berichte von Fällen bis in die 1990er Jahre vor. Die Staatsanwaltschaft ermittelt aber auch wegen aktueller Fälle des sexuellen Missbrauchs und körperlicher Misshandlungen.
Chronologie der Missbrauchsfälle
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Selbst der heutige Klosterverwalter und Pater Johannes Bauer, bekannte sich vor Journalisten zu Gewalttätigkeiten. "Neben anderen Mitbrüdern war auch ich selbst in den Jahren 1985 bis 1987 Erzieher im Internat und habe damals, das muss ich zu meiner eigenen Schande offen sagen, ebenfalls Kinder brutal körperlich misshandelt und gedemütigt." Auf Nachfragen räumte er ein, Kindern mit Kleiderhölzern den Hintern versohlt zu haben.
Sonderermittler Pfister sagte, er werde mit Berichten ehemaliger Schüler geradezu überhäuft. Er nannte die Schilderungen gl

aubhaft und schätze die Zahl aller Opfer in dem Kloster auf rund 100. Mindestens 10 Patres hätten sich schuldig gemacht. So berichtete ein Schüler, in den 1960er Jahren sei die Prügelstrafe tägliche Praxis gewesen. Die Patres seien sadistisch veranlagt gewesen. "Alle wussten davon, aber es hat sich nichts gebessert", schilderte Pfister. Ein anderer Schüler schrieb Pfister über jene Jahre: "Es herrschte damals der absolute Terror. Pater G. suchte sich immer die Schwachen aus."
Schüler mussten sich auf Befehl von Mönchen im Schlafsaal auf Nachtkästchen setzen und gegenseitig schlagen. Ein anderer Pater holte sich aus den Essenspaketen, die Eltern ihren Kindern ins Internat schickten, die "guten Würste" heraus, so der Ermittler, den Rest durfte das Kind behalten. Ein weiterer Schüler nannte die Ettaler Jahre bis zum Abitur im Jahr 1977 "die schlimmste Zeit meines Lebens". Kinder und Jugendliche wurden zur Strafe auf den Gang gestellt oder in den Keller geschickt. Schläge mit dem Bambusstock waren an der Tagesordnung. Ein Pater riss Schülern die Haare aus.
Ein inzwischen gestorbener Pater bekannte in seinem schriftlichen Nachlass, dass Schüler regelmäßig auch nachts zu ihm kamen und sexuell stimulierenden Körperkontakt suchten, den er nicht unterband. Ein anderer Pater hatte ein sexuelles Verhältnis zu einer 16-jährigen Schülerin, wie Pfister berichtete.
Der Anwalt sagte aber auch: "Kloster Ettal von heute hat mit Kloster Ettal von damals wenig zu tun." Trotz der Vielzahl von Fällen körperlicher und sexueller Gewalt dürfe die Benediktinerabtei nicht als Gemeinschaft prügelnder und missbrauchender Klosterbrüder verstanden werden. Dennoch teilte ein Lehrer nach den Schilderungen Pfisters noch im vergangenen Jahr in der Unterstufe des Klostergymnasiums Kopfnüsse aus und stieg einen Schüler auf die Füße.
In diesem Fall und im Fall eines sexuellen Missbrauchs aus dem Jahr 2005 ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft. Es soll um Streicheln der Oberschenkel und der nackten Brust von Internatsschülern gegangen sein. Pfister sprach von einem eher "niedrigschwelligen" Sachverhalt. Ob der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs zutreffe, sei fraglich. Ein Pater, der sich vergangene Woche selbst anzeigte, stellte in den Jahren 2000 und 2001 Fotos von Klosterschülern mit nacktem Oberkörper ins Internet für Seiten, die Homosexuelle nutzen. Zudem lud er kinderpornographische Filme auf seinen Computer.
dpa