Mit zwei PS an die Ostsee
Ein Auto besitzt Finnie Feneberg nicht, dafür zwei Fjordpferde und einen Planwagen. Mit dem Zweispänner fuhr die 20-Jährige im vergangenen Sommer von Kochel aus bis an die Ostsee. Das Porträt einer abenteuerlustigen jungen Frau.
Ried – Maximal einmal pro Woche duschen und die Haare in einem Bach waschen – für die meisten jungen Frauen eine albtraumhafte Vorstellung. Nicht für Finnie Feneberg: Die 20-Jährige aus dem Kochler Ortsteil Ried lebte 55 Tage lang freiwillig in einem Planwagen, fuhr mit ihren beiden Ponys bis an die Ostsee. Geschlafen wurde in der Kutsche, gekocht über einem Gasbrenner. „Das überlebt man alles“, sagt Feneberg und grinst.
Ein Modepüppchen war die junge Frau mit den langen dunkelblonden Haaren und den braunen Augen noch nie – auch wenn sie sich zwischendurch gerne mal schick macht, um mit Freunden einen drauf zu machen. „Ich gehe auch gerne mal shoppen.“ Am liebsten aber hält sich Finnie Feneberg draußen in der Natur auf, zusammen mit Shepard-Hündin „Kimberly“ und ihren beiden Fjordpferden, Prinzessin Lilly-Fee und Prinz Morgenstern. Zwei bis drei Stunden täglich investiert die Kochlerin in ihr großes Hobby, ist bei Wind und Wetter im Stall oder im Gelände.
Den Großteil ihrer Zeit verbringt Finnie Feneberg aber im Büro. Seit dem vergangenen Herbst lässt sie sich in der Kanzlei „Bötsch und Günther“ in Benediktbeuern zur Steuerfachangestellten ausbilden. Auch, wenn man es von so einem naturverbundenen Menschen nicht erwarten würde: Der Bürojob macht ihr Spaß. „Ich stecke eben voller Gegensätze“, sagt Finnie Feneberg und lacht. Außerdem kann sie den Job später gut in Teilzeit ausüben. Vormittags in der Kanzlei, nachmittags als Trainerin auf dem Reitplatz: das ist ihr Traum. Vor Kurzem hat sie mit dem Trainerschein angefangen.
Den sogenannten Fahrpass hat sie bereits gemacht. Dabei handelt es sich um eine Art Führerschein für Kutschen. Den wollte sie in der Tasche haben, ehe sie sich nach dem Abi an der Tölzer Fachoberschule zur Ostsee aufmachte, um sich einen Traum zu erfüllen: reiten am Strand. Viele hielten sie für verrückt. Die Kochlerin zog trotzdem ihr Ding durch. „Meine Stärke ist, dass ich nie aufgebe.“ Durch ihren Trip ist sie noch abenteuerlustiger geworden, sagt sie. Und selbstbewusster: „Ich kann jetzt sagen: ,Ich hab es geschafft‘, obwohl nur ganz wenige an mich geglaubt haben.“
Wildfremder bringt nach durchregneter Nacht Semmeln vorbei
Immer hinter ihr standen beispielsweise ihre Eltern und ihre Schwester Leonie, ihre Großeltern und Freunde. Einer von ihnen war immer mit auf dem Planwagen. Zwischen 25 und 30 Kilometern legte der Zweispänner pro Tag zurück, insgesamt waren es rund 1500 Kilometer. „Der ein oder andere Radlfahrer hat sich über uns aufgeregt, wenn er nicht vorbeikam“, erinnert sich Feneberg. Die meisten Menschen aber reagierten sehr positiv auf das ungewöhnliche Gespann aus Bayern. Eines Morgens kurz hinter Halle etwa hielt nach einer durchregneten Nacht ein Auto neben dem triefenden Planwagen: Ein wildfremder Mann hatte frische Semmeln für die Reisenden gekauft. „Ich habe mich riesig gefreut.“
Mitarbeiter im McDrive machten große Augen
Bereut hat Feneberg ihre Reise nie. „Ich hatte eine Menge Spaß“, sagt sie. Zum Beispiel, als sie mit ihrer Kutsche in ein McDrive fuhr und dem Mitarbeiter am Schalter fast die Augen aus dem Kopf fielen. Oder als sie an einer Tankstelle Halt machte und ein Angestellter völlig perplex fragte, was sie denn tanken wolle. „Wasser“, erwiderte Feneberg schlagfertig.
Anekdoten wie diese hielt die Kochlerin in einem Blog fest. Bis zu 100 Leser am Tag verfolgten unter www.fjordigespann-ostsee.jimdo.com das öffentliche Tagebuch im Internet. Irgendwann möchte Finnie Feneberg ein Buch daraus machen. Material hat sie genug: Allein rund 3000 Fotos schoss sie auf ihre Reise von Kochel über Erfurt bis nach Wismar.
Wann die Kochlerin erneut in ihrem Planwagen auf große Fahrt geht, steht noch nicht fest. Tschechien oder Ungarn wären Ziele, die sie reizen würden. Dafür muss sie aber erst genügend Urlaubstage ansammeln oder warten, bis sie mit der Ausbildung fertig ist. Diesen Sommer geht es erst einmal nach Dänemark – natürlich nicht in ein Hotel, sondern zum Campen und Reiten in die Natur.