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Freie Wähler und CSU uneins über den Umgang mit Schülerdemos - 40 Verweise an einer Schule

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«Fridays for Future» - München
„Fridays for Future“-Demo in München. © dpa / Sina Schuldt

Die Klimaschutz Demos von Schülern erregen schon seit Wochen die Aufmerksamkeit. In Bayern sind sich Freie Wähler und CSU uneins, wie sie mit den Schülern, die dafür den Unterricht schwänzen, umgehen sollen.

München – Die Schülerdemos zum Klimaschutz gehen in eine neue Runde – und in der Politik mehren sich die Zweifel, wie damit zu verfahren ist. Für den 24. Mai, zwei Tage vor der Europawahl, kündigt die Bewegung „Fridays for future“ einen europaweiten Demotag an. Die Organisatoren in München rechnen mit noch mehr Teilnehmern als am vergangenen Freitag, als allein in der Stadt 10.000 Schüler während der Schulzeit demonstrierten.

Kultusminister Piazolo bleibt liberaler Line treu

Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (FW) kündigte an, seine liberale Linie bei künftigen Streiks beizubehalten. Schulstrafen lägen „im Ermessensspielraum der Schulleiter“, er habe den Eindruck, dass diese ihr Recht in der Vergangenheit „verantwortungsbewusst wahrgenommen“ hätten. Ob es nun im Einzelfall einen Verweis gebe oder nur einen Projekttag zum Klimaschutz, müsse die einzelne Schule entscheiden. Er werde da auch in der Zukunft keine pauschale Weisung erteilen, sagte er dem „Münchner Merkur“. Zuvor hatte der Deutsche Lehrerverband Hinweise zum Umgang mit streikenden Schülern angemahnt. „Wir bekommen fast jede Woche kultusministerielle Schreiben – dazu aber nicht“, sagte Verbandschef Heinz-Peter Meidinger, der ein Gymnasium in Deggendorf leitet.

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In der CSU wünschen sich manche ein härteres Vorgehen

In der CSU mehren sich Stimmen, die sich härteres Vorgehen wünschen. „Die Schulleitungen sind in der Vergangenheit besonnen und verantwortungsvoll mit dem Thema umgegangen“, erklärte CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer. „Für die Zukunft muss klar sein, dass die Schulpflicht für alle gilt.“ Der CSU-Bildungspolitiker Gerhard Waschler sagte: „Eine klare Linie wäre dringend notwendig“, er sei da ganz bei Meidinger. Bisher sei Toleranz richtig gewesen, so die Abgeordnete Ute Eiling-Hütig. „Bei künftigen Streiks sollten Schulleiter aber durchgreifen.“ Der Abgeordnete Norbert Dünkel (CSU) erklärte: „Ein Projekttag geht einmal, aber nicht jede Woche.“ Anderer Meinung ist der Rosenheimer Abgeordnete Otto Lederer (CSU). Er gehe davon aus, dass Schulleitungen auch künftig allein über Strafen entscheiden könnten.

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So gehen bayerische Schulleiter mit dem unentschuldigtem Fehlen um

Walter Zellmeier (Viscardi Gymnasium, Fürstenfeldbruck)

„Mir wäre nicht bekannt, dass vergangenen Freitag zur Großdemo in München Schüler unentschuldigt gefehlt hätten. Klar ist aber auch: Wenn sich Schüler krankmelden, wissen wir nicht, ob sie krank sind. Grundsätzlich befreien wir keine Schüler für die ,Fridays for Future‘-Demos. Wir hatten aber einen Deal mit unseren Schülersprechern: Vor den Faschingsferien haben wir einmalig für die Teilnahme an einer Kundgebung befreit – 195 Schüler haben das in Anspruch genommen. Wer jetzt unentschuldigt fehlt, muss mit Ordnungsmaßnahmen rechnen. Wie die aussehen, schauen wir uns im Einzelfall an. Wir brauchen dafür keine Handlungsanweisung vom Kultusministerium.“

Rainer Dlugosch, (Gymnasium Miesbach)

„Wir sind noch bei der Recherche, wie viele Schüler für die Großdemo unentschuldigt gefehlt haben. Geschätzt waren es etwa 40 – und die bekommen einen Verweis. Wie steh ich denn gegenüber den Schülern da, die nicht streiken, wenn ich das nicht durchsetze? Unsere Schüler haben kürzlich eine Demo hier in Miesbach organisiert und uns vorher nichts gesagt. Eine vertane Chance, das hätten sie am Nachmittag machen können und wären sicher von Lehrern unterstützt worden. So aber kommen sie vom Image des Schulschwänzers nicht weg. Diese Schüler bekommen übrigens keine Verweise, sie müssen nachmittags am Projekt ,Umweltfrühling‘ teilnehmen. Da erwarte ich mir dann das gleiche Engagement. Für uns ist das ja auch eine Frage der Haftung: Wenn ein Schüler unentschuldigt fehlt, greift der Versicherungsschutz nicht. Natürlich ist das Anliegen der Schüler ein wichtiges. Aber wie soll ich den Kollegen erklären, dass sie die Fehlzeiten der Schüler nachmittags nacharbeiten sollen? Da würde ich mir übrigens mehr Unterstützung vom Ministerium wünschen. Wir brauchen eine klare, konsequente Haltung – so wie es jetzt ist, spielt man die Schulleiter gegeneinander aus.

Bei mir beschweren sich die Eltern, wenn wegen der Schneemassen Unterrichtsstunden ausfallen, aber für Demonstrationen während des Unterrichts ist das okay. Bei aller Wertschätzung für das Engagement, das kann ich nicht ganz verstehen.“

Heinz-Peter Meidinger (Robert-Koch-Gymnasium, Deggendorf)

„Schulleiter brauchen einen Ermessensspielraum, aber die Gründe, warum Schüler fehlen dürfen, sind genau definiert. Ein Streik gehört nicht dazu. Bei mir an der Schule müssen die Schulschwänzer eine Podiumsdiskussion zum Klimaschutz organisieren. Verweise habe ich bisher nicht erteilt.“

Helmut Martin (Wittelsbacher-Gymnasium, München)

„Als Münchner Schule befinden wir uns sozusagen im Auge des Sturms. 36 Schüler haben vergangenen Freitag gefehlt und waren nicht befreit. Die müssen die verlorene Zeit nacharbeiten. Es ist nicht so, dass ich die Demos aktiv unterstütze, aber ich habe großes Verständnis für die Anliegen der Schüler. Klar wäre es mir lieber, wenn die Demos am Nachmittag wären. Ich möchte aber definitiv nicht, dass uns das Kultusministerium vorgibt, wie wir mit den Schülerstreiks umgehen – ich schätze meine pädagogische Freiheit sehr und würde sie auch gern behalten.“ 

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Anhänger der Münchner Fridays-for-Future-Bewegung stellten ihren Klima-Katalog für die Stadt vor und kündigten an zu streiken, bis sich die Politik ihren Forderungen annimmt.

Walter Dirk/Kathrin Brack/Christian Deutschländer

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