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Kirchenglocken zu laut - Münchner klagt im Frankenland

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Werner B. tun die Ohren weh.
Werner B. tun die Ohren weh. © Völkerling

Haundorf - Weil er die Ruhe suchte, zog der pensionierte Angestellte Werner B. (65) vor fünf Jahren aus München fort – hinaus ins liebliche Frankenland.

Er kaufte sich ein fast 500 Jahre altes Bauernhäuschen in Haundorf (Kreis Ansbach), auf dass er dort seinen Lebensabend besinnlich genießen könne. Was Werner B. dabei übersah: Nur zwei Meter neben seiner Hauswand ragt der Turm der Dorf­kirche empor – und von dort donnert viertelstündlich die Glocke hinüber ins Schlafzimmer des Pensionärs. Heiliger Bimbam!

Was Jahrhunderte lang niemanden störte, daran nahm Werner B. plötzlich Anstoß: Er fühlte sich um seinen Schlaf gebracht. Nun muss sich das Verwaltungsgericht Ansbach mit dem bizarren Glocken-Streit von Haundorf befassen. Denn eine von B. veranlasste Lärm-Messung ergab: Mit 72 Dezibel liegt der Glockenschlag tatsächlich um sieben Dezibel über den Immissionsrichtwerten für Wohngebiete. „Ich hätte nicht gedacht, mit welche Brutalität sich die Kirche über Gesetze hinwegsetzen darf, die für alle Bürger gelten“, sagt Werner B. genervt. Zunächst wollten ihn weder der Pfarrer im Ort noch die Einwohner ernst nehmen. Bei einer Unterschriftenaktion sprachen sich sogar 190 der 200 Haundorfer spontan für den Erhalt der Kirchenglocken aus. Und das Landeskirchenamt sprang ihnen bei: „Das Glockenläuten ist eine jahrhundertealte herkömmliche Tradition!“ Die Abwägung zwischen den Interessen des Klägers und dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche falle zugunsten der freien Religionsausübung aus.

Doch nicht umsonst hatte Werner B. der Kirche vor 25 Jahren den Rücken gekehrt: In seiner Klageschrift wendet er sich insbesondere gegen das „Gebetsläuten“, das mit einer Glocke montags bis freitags um 6, 11, 15 und 19 Uhr mit einer Dauer von 130 Sekunden stattfindet. Werner B.: „Da beginnen meine Nerven zu flattern. Erst wenn das Läuten aufhört, fühle ich mich wie befreit.“

Im Kirchturm hängen zwei voluminöse Glocken aus dem Jahr 1999 und eine von 1838. Nachdem eine erste Lärm-Messung eine klare Dezibel-Überschreitung ergab, ließ Pfarrer Armin Diener (38) die Seite zum Haus des Klägers dämmen und den Glockenschlag dämpfen. „Sogar einen Zuschuss für Lärmschutzfenster haben wir Herrn B. angeboten“, sagt der Pfarrer. Doch B. will seine Klage durchziehen. Das Verwaltungsgericht Ansbach hat nun ein eigenes Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Auf absehbare Zeit werden die Glocken von Haundorf also erst einmal fröhlich weiterläuten …

JV

Quelle: tz

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