„Lehrer*in“: Gibt es bald das Gender-Sternchen für alle?

Laut Verfassungsgericht gibt es neben „männlich“ und „weiblich“ ganz offiziell ein drittes Geschlecht. Aber wie soll man das schreiben? Lehrer_in oder vielleicht Lehrer*in? Nun will der Rat für deutsche Rechtschreibung Ideen präsentieren.
München – Wer gar nicht mehr weiß, wie er schreiben soll, damit kein einziges Geschlecht bevorzugt wird, der kann einen Blick ins „Genderwörterbuch“ werfen. Dort gibt es viele Ideen, wie man die männliche, aber manchmal auch weibliche Dominanz in der deutschen Sprache ganz einfach brechen kann.
Anstatt Ampelmännchen, so steht es dort, kann man ja auch Ampelmenschlein schreiben. Aus dem Architekten wird der Architekturschaffende, aus dem Ehepartner die geehelichte Person, aus dem Filmstar die Filmberühmtheit, eine Kinderarztpraxis ist eine Praxis für Kinderheilkunde und ein Mädchen für alles wird zum Mensch für alles. Ojemine. Deutsche Sprache schwere, aber gerechte Sprache?
So kann man es sehen. Aber muss das sein? Muss man solche Sprach-Kopfstände machen? Antwort: Natürlich nicht, aber viele tun es. Der Rat für deutsche Rechtschreibung beschäftigt sich bei seiner heutigen Tagung in Passau mit Vorschlägen, die weit über die Vorschläge des Genderwörterbuchs hinausgehen. Der Rat will klären, wie künftig geschrieben werden soll, um Männer, Frauen und weitere Geschlechter gleichermaßen einzubeziehen.
Es gibt einige Varianten, die in der Diskussion sind. Zum Beispiel das Gendersternchen – wie bei „Lehrer*in“. Oder der Tiefstrich, genannt Gendergap – wie bei „Lehrer_in“. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt, manche deutschen Wörter würden dann ausschauen wie Buchstabenkunstwerke oder, Ansichtssache, wie Tastatur-Unfälle.

Aber die Diskussion ist ernster, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Heinz-Peter Meidinger aus Deggendorf ist Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Er beobachtet genau, was heute in Passau passiert. Er sagt: „Sternchen und Unterstriche lehnen ich und der Deutsche Lehrerverband strikt ab. Das ist eine Sprachlenkung, die wir nicht haben wollen. Und er sagt: „Ein Gender-Sternchen im Duden wäre für mich ein großer, großer Fehler. Wir haben schon genug damit zu tun, dass unsere Schüler die normale Grammatik lernen.“
Die Debatte ums Sternchen hat seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum dritten Geschlecht im vergangenen Jahr ungeahnte Fahrt aufgenommen. Demnach soll im Geburtenregister neben „männlich“ und „weiblich“ noch eine dritte Variante geschaffen werden. Geklagt hatte eine Intersexuelle. „Divers“ oder „inter“, so will sie sich bezeichnen. Häufig findet man jetzt schon Stellenanzeigen, die dem Rechnung tragen. ThyssenKrupp sucht gerade einen Entwicklungsingenieur (m/w/divers).
Es besteht Klärungsbedarf
Das Gendersternchen ist die Fortsetzung dieser Diskussion mit den Mitteln der deutschen Grammatik. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts haben den Rat für deutsche Rechtschreibung über 200 teils verzweifelte Anfragen aus der öffentlichen Verwaltung erreicht, was man jetzt mit den offiziellen Formularen machen solle. Keine Frage, es besteht Klärungsbedarf.
Schreiben ist das eine, aber wie würde man so einen Stern aussprechen? „Es gibt Menschen, die sagen, man muss beim Sprechen eine Pause machen, damit das Sternchen hörbar wird“, sagt Meidinger. Starkstromelektriker – Pause, Pause, Pause – in. Eine arg gewöhnungsbedürftige Vorstellung. „Es wäre eine Regel“, sagt der Gymnasiallehrer, „die aus den bisherigen Grammatik- und Rechtschreibregeln rausfällt.“ Henning Lobin ist Direktor des Instituts für Deutsche Sprache und Mitglied des Rats für Deutsche Rechtschreibung. Er räumte kürzlich ein, dass die geschlechtergerechte Personenbezeichnung eine Art Symbolcharakter erhalten hat, „die etwas überhöht diskutiert wird“. Trotzdem ist es möglich, dass der Rat die Verwendung des Sternchens befürwortet.
Lehrer-Chef Meidinger befürchtet, dass die Sternchen über die Behördensprache irgendwann auch in Schulbücher und in den Alltag schwappen könnten. „Dann“, sagt er, „käme ein neuer Meinungskrieg auf uns zu. Wer das Sternchen nicht verwendet, der ist dann automatisch ein Chauvinist.“ Ein ewiggestriger Sprachsünder. Oder um mit dem „Genderwörterbuch“ zu sprechen: eine die Sprachregeln missachtende ewiggestrige Person. Man muss schon genau sein.
Der Rat für deutsche Rechtschreibung – was ist das eigentlich?
Die Rechtschreibreform 1996 mag über zwanzig Jahre her sein. Weiterhin aber führt sie Tag für Tag bei vielen Menschen (Journalisten eingeschlossen) zu Kopfzerbrechen und der entnervten Frage: Wie schreibt man dieses Wort? Auch um derlei Zweifel zu verringern und die Rechtschreibung gleichzeitig behutsam weiter zu entwickeln, gibt es seit 2004 den Rat für deutsche Rechtschreibung. Dieser ist qua Selbstbeschreibung „die maßgebende Instanz in Fragen der deutschen Rechtschreibung und gibt als solche mit dem amtlichen Regelwerk das Referenzwerk für die deutsche Rechtschreibung heraus“. Das ist nicht der Duden – sondern nennt sich „Deutsche Rechtschreibung. Regeln und Wörterverzeichnis“, das der Rat selbst herausgibt.
Der Rat trifft sich mindestens zweimal im Jahr und besteht aus 41 Mitgliedern, die meisten aus der Wissenschaft. 18 kommen aus Deutschland sowie jeweils neun aus Österreich und der Schweiz. Dazu gesellen sich je ein Vertreter aus Südtirol, Liechtenstein und der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Auch Luxemburg entsendet ein Mitglied, das ist aber nicht stimmberechtigt (genauso wenig wie der aktuelle Vorsitzende, der frühere NRW-Kultur-Staatssekretär Josef Lange). Für Beschlüsse braucht es eine Zweidrittelmehrheit der 39 Stimmberechtigten. Zuletzt hat der Rat etwa das scharfe S als Großbuchstaben zugelassen – und im kulinarischen Bereich die schönen wie falschen Schreibweisen „Majonäse“, „Anschovis“ und „Ketschup“ beerdigt.
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