Männer in Oberammergau stutzen ihre Bärte

Oberammergau - Auf diesen Tag haben viele Männer in Oberammergau lange gewartet. “Bart ab“ hieß es am Montag für Dutzende von Darstellern der Passionsspiele in Oberammergau.
Die drei Friseure des oberbayerischen Alpendorfes hatten alle Hände voll zu tun. Am Sonntagabend war das weltberühmte Spiel vom Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu Christi nach 109 Vorstellungen zu Ende gegangen. Im Minutenabstand strömten die Jünger Jesu, Hohenpriester und Männer aus dem Volk in die Friseurläden. “Fast alle freuen sich, dass sie ihre Bärte wieder los sind“, sagte Manuela Frühstück vom Salon Kretschmar. “Das geht alles super runter.“ Die Friseurin rechnete damit, dass bis zum Abend an die 50 Oberammergauer Männer ihren Bart ganz los sind. “Aber manche wollen sich doch nicht ganz von ihrer Haarpracht trennen und lassen einen Drei-Tage-Bart stehen.“
Etliche Männer hatten sich Haare und Bart noch in der Nacht schneiden lassen. Die Friseure legten dazu eine Sonderschicht ein. Auf Plakaten hatten sie versprochen: “Wir Friseure in Oberammergau haben am Sonntag auch nach Spielende für Sie geöffnet.“
Auch zahlreiche Frauen wollten nach über eineinhalb Jahren wieder kürzere Haare haben. “Die jüngeren Damen lassen sie eher lang, aber die älteren sind froh, dass sie nun wieder einen Kurzhaarschnitt tragen dürfen“, meinte Manuela Frühstück. Die drei Friseure des Ortes sind noch bis Ende der Woche so gut wie ausgebucht.
Für sie ging damit eine lange Zeit geschäftlicher Einbußen zu Ende. Traditionell ergeht am Aschermittwoch ein Jahr vor den Passionsspielen der Haar- und Barterlass. Von diesem Tag an müssen die Mitwirkenden die Haare wachsen lassen, die Männer dürfen zudem ihre Bärte nicht mehr schneiden.
Mit großen Gefühlen waren die Passionsspiele am Sonntagabend zu Ende gegangen. Alle Mitwirkenden sangen zum Schluss das Kirchenlied “Großer Gott, wir loben dich“, danach brandete donnernder Applaus der fast 5000 Zuschauer auf. Spielleiter Christian Stückl bedankte sich in einer emotionalen Ansprache auf der Bühne bei allen Mitwirkenden. Er appellierte an die Darsteller, den Geist der Passionsspiele auch über deren Ende hinaus zu bewahren.
Mit den Worten “Danke, Danke, Danke und Ende“ verabschiedete er die Mitwirkenden in die Zeit nach der Passion, nicht ohne ihnen vorher noch ans Herz gelegt zu haben, ihre Kostüme auch ein letztes Mal “sauber aufzuräumen“. Viele lagen sich in den Armen, es flossen Tränen. Bis in die Morgenstunden wurde danach in einem Zelt Abschied gefeiert.
Mehr als eine halbe Million Zuschauer aus aller Welt sahen die 109 Aufführungen. Die nächsten Passionsspiele sind erst wieder 2020. Stückl kündigte aber bereits an, 2011 eine Bühnenbearbeitung des Romans “Joseph und seine Brüder“ von Thomas Mann zu inszenieren. Die Passionsspiele gehen auf ein Pestgelübde im Jahr 1633 zurück. Bei den alle zehn Jahre stattfindenden Aufführungen ist das halbe Dorf auf oder hinter der Bühne aktiv.
dpa