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Das Meteoriten-Märchen von Andechs

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Der vermeindliche Meteoriten-Krater bei Andechs.

Frieding - Heute vor 15 Jahren geriet die Welt des Max Enzbrunner aus den Fugen. Es war der Tag des angeblichen Meteoriteneinschlags von Andechs.

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„Das eigentliche Debakel bei der ganzen Meteoritengeschichte war die Presse.“ Nach Ansicht Max Enzbrunners wäre sonst alles ganz anders abgelaufen. Der damalige Herrschinger Polizeichef wurde heute vor 15 Jahren, am 4. März 1995, schnell zum Sündenbock. Als es nämlich mittags um 12.59 Uhr auf einem Feld in Frieding einen gewaltigen Knall gab, geriet das Leben im sonst so beschaulichen Fünfseenland für eine Weile aus den Fugen. Vom Polizeihubschrauber aus wurde einen Tag später ein frisch aufgeworfener Krater in den Hannawiesen zwischen Frieding und Widdersberg ausgemacht und Max Enzbrunner erklärte dieses Ereignis zum Meteoriteneinschlag.

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Max Enzbrunner mit den Schlagzeilen von damals.

War war geschehen? Mehrere Möglichkeiten gab es: Meteoriteneinschlag, Weltraumschrott oder eine alte Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Max Enzbrunner, heute 69 Jahre alt, erinnert sich gut an diesen Tag. „Die Presse hat das Präsidium genervt, wir mussten uns irgendwann auf ein Ereignis festlegen, dann hab ich gesagt: gut, dann sagen wir Meteoriteneinschlag“, erinnert sich der Herrschinger. Diese Entscheidung tat ihm bald leid, denn die Nachricht elektrisierte die Weltpresse.

Dass es sich um eine ganz simple Biotopsprengung handelte, erfuhr Enzbrunner erst einen Tag später, als die Sprengmeldung vom Landratsamt Starnberg vorlag. Dort war nach seinen Worten versäumt worden, das Dokument wie sonst üblich sofort weiterzuleiten. Bei der Auswahl der „Ereignisse“ war eine Sprengung deshalb gar nicht in Betracht gezogen worden. Max Enzbrunner wurde zum „Meteoriten-Max“, Sprengmeister Eduard Reisch zum „Krater-Edi“.

Enzbrunner hat dies seiner Umwelt eine ganze Weile übel genommen. Mittlerweile ist nicht nur über das Biotop Gras gewachsen, auch Enzbrunner kann über die Ereignisse von damals lachen. Er hat akribisch gesammelt, alle Schlagzeilen und Bilder in einem großen Album zusammengetragen. „Und wissen Sie“, sagt Enzbrunner heute, „die eigentliche Krux war, dass es an diesem Tag weltweit kein ähnlich weitreichendes Ereignis gegeben hat. Das hat mir ein Journalist von dpa gesagt. Der musste das ja wissen.“ Und die Presse wollte von den Hinweisen auf eine Sprengung – die es durchaus gab – nichts hören. So geriet ein unscheinbares Feld zwischen Frieding und Widdersberg für einige Tage in den Fokus der ganzen Welt.

Andrea Gräpel

Stichwort: „Krater-Edi“

„Krater-Edi“ – das ist bis heute der Spitzname von Sprengmeister Eduard Reisch. Sein Unternehmen gibt es weiterhin – die Firma Reisch Sprengtechnik GmbH residiert in Apfeldorf. Der Anlass für seine Sprengung im März 1995 war eigentlich banal: Reisch führte eine Testsprengung mit Erlaubnis des zuständigen Jagdpächters durch, er dachte an Aufträge von der staatlichen Naturschutz-Akademie, die durch die Sprengung von Erdlöchern Biotope verbessern wollte. Stattdessen wurden gegen Reisch und Jagdpächter Strafanzeige gestellt, weil sie Flurschaden angerichtet hätten. Erst in zweiter Instanz konnten sie ihre Verfahren gewinnen. Großes Königlich-Bayerisches Amtsgericht fand damals statt – für die Betroffenen, erinnert sich Reisch, war das nicht immer lustig.

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