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Nach Pflegeskandal: Heftige Kritik an Kontrollen durch Heimaufsicht - „Müsste ja ihr eigenes Scheitern aufdecken“

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Von: Katrin Woitsch

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Eine Dokumentationsmappe in einem Pflegeheim
Auch um die Dokumentation geht es bei den Heimkontrollen. Sie sollen nach dem Pflegeskandal reformiert werden. © Sven Hoppe

Das geschlossene Pflegeheim in Augsburg war seit knapp einem Jahr engmaschig kontrolliert worden. So berichtet es die Staatsregierung dem Gesundheitsausschuss. Trotz heftiger Kritik sind sich alle Fraktionen in einer Sache einig: Das Kontrollsystem hat erneut versagt – und muss überarbeitet werden.

München - Die Debatte im Gesundheitsausschuss des Landtags gestern ähnelte einer Sitzung, die es im Herbst gegeben hatte. Damals ging es um die Vorfälle in der Seniorenresidenz Schliersee, gestern um das am Wochenende geschlossene Pflegeheim in Augsburg. Der Träger ist derselbe: das italienische Unternehmen Sereni Orizzonti. Und auch die aufgedeckten Missstände ähneln sich.

Erneut trug Bernhard Opolony, Leiter der Pflegeabteilung im Ministerium, vor, wann das Heim vom wem kontrolliert wurde. Es sei bereits seit April 2021 sehr genau hingeschaut worden, betont er. Es habe behördliche Anordnungen gegeben. Sie wurden laut Opolony teilweise befolgt, teilweise hätten sie wiederholt vorgebracht werden müssen. Der Betrieb des Heims wurde erst zehn Monate später untersagt – als wegen eines Corona-Ausbruchs die Pflege nicht mehr gewährleistet werden konnte. Sechs Bewohner wurden ins Krankenhaus eingeliefert. 80 weitere in Pflegeheime im Umkreis.

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Pflege in Bayern: Holetschek kündigt Fünf-Punkte-Plan an

Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hatte bereits einen Fünf-Punkte-Plan angekündigt, um die Versorgung der Bewohner in Pflegeheimen zu verbessern. Unter anderem will er eine Whistleblower-Hotline für Pflegemängel einrichten. „Man findet Mängel dann am besten, wenn man genau weiß, wo man hinsehen muss“, sagt Opolony. Die Hotline soll in der ersten März-Hälfte starten. Außerdem will Holetschek Ende März ein Expertengespräch führen. Dabei soll es darum gehen, wie das Kontrollsystem verbessert werden kann.

Dass es verbessert werden muss, steht für alle Fraktionen fest. Auch Augsburgs Gesundheitsreferent Reiner Erben berichtete, die Möglichkeiten, die die Heimaufsicht hatte, habe sie ausgeschöpft: engmaschige Kontrollen, Beratungen, Anordnungen, angedrohte Zwangszahlungen. Er plädierte im Ausschuss dafür, die Eskalationsstufen zu verfeinern. Auch die Schließung eines Heims müsse schneller möglich sein. Die aufgedeckten Mängel müssten transparent gemacht werden dürfen. Aktuell erfahren nicht einmal die Bewohner davon.

Kritik an Heimkontrollen: Struktur funktioniert nicht - „Sie müsste ja ihr eigenes Scheitern aufdecken“

Auch die Oppositionsparteien äußerten erneut Kritik an den Heimkontrollen. Die Heimaufsicht soll beraten, kontrollieren und sanktionieren. „Diese Struktur kann nicht funktionieren“, betonte Kerstin Celina (Grüne). „Sie müsste ja ihr eigenes Scheitern aufdecken.“ Ruth Waldmann (SPD) betonte, dass sie seit 2017 eine Whistleblower-Stelle fordert. Bisher sei ihr Vorschlag immer abgeschmettert worden.

Der Verband Kommunale Altenhilfe fordert ebenfalls eine Reform der Heimkontrollen. MDK und Heimaufsicht prüfen doppelt, erklärt Vorstand Alexander Schraml. Sinnvoller wäre es, den MDK die Routine-Kontrollen übernehmen zu lassen. Die Heimaufsicht müsse anlassbezogen prüfen und gezielt Missständen nachgehen. „Die Kontrollen müssen schneller Konsequenzen haben“, fordert er. Dafür müsse die Zuständigkeit der Heimaufsicht von den Landkreisen wieder zu den Bezirksregierungen gehen. „Dort gibt es eine ausgebildete Taskforce.“ Außerdem ließen sich so Loyalitätskonflikte vermeiden. Der Fokus der Kontrollen müsse rein auf die Versorgung der Bewohner gerichtet sein, fordert Schraml. „Bisher geht es noch zu oft um bauliche Begebenheiten oder Bürokratisches.“

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