Jessica-Prozess: Gericht besucht Tatort

Nürnberg - Ein Fußabdruck unter dem Regal könnte zum entscheidenden Beweis im Indizienprozess werden:
Um den Mörder der 26-jährigen Jessica aus Erlangen zu überführen, hat sich die zuständige Kammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth am Donnerstag die Wohnung des Opfers angeschaut. Dort wurde die zweifache Mutter vor zwei Jahren mit 40 Messerstichen ermordet. Seit drei Wochen sitzt deshalb die heute 28 Jahre alte Freundin des Opfers, Denise R., auf der Anklagebank. Sie war bei dem Ortstermin in der Drei-Zimmer-Wohnung ebenso anwesend wie alle anderen Prozessbeteiligten.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hatte die junge Frau ihre Freundin umgebracht, um einen EC-Kartenbetrug in Höhe von rund 7000 Euro zu vertuschen. Die Angeklagte streitet dies aber ab. Zwar habe sie die EC-Karte von Jessicas Mann tatsächlich einmal unerlaubt benutzt. Doch die Hauptsumme habe sie auf dessen Anweisung abgehoben, um ein Drogengeschäft einzufädeln.
Das Gericht verschaffte sich am Donnerstag einen Eindruck von der seit dem Mord leerstehenden Wohnung. Die entscheidende Frage war: Wie kommt der Abdruck eines Schuhs, der sich auch 13 Mal in der Küche findet, unter ein Regal, das im Wohnzimmer vor der Küchendurchreiche steht? Die These der Ermittler: Jessicas lebloser Körper hatte nach der Tat die Küchentür versperrt. Der oder die Mörderin stieg deshalb durch die etwa 40 mal 40 Zentimeter große Durchreiche und stieß dabei ein leeres Regal um, das vor dem Durchlass stand. Hinterher stellte der Betreffende das Möbelstück wieder auf und verschwand.
Ob der Fußabdruck unter dem Regal, an dem nachweislich Jessicas Blut klebte, tatsächlich mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den Flip- Flops der Angeklagten passt, soll am nächsten Donnerstag ein Gutachter klären. Der Prozess wird aber bereits am Dienstag fortgesetzt. Insgesamt hat das Gericht 16 Verhandlungstage angesetzt, 65 Zeugen und 9 Sachverständige sollen gehört werden.
dpa