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Der Pfarrer, der sich traut: Ex-Priester im Interview

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Vom Altar ins Arbeitsamt: Ex-Priester Markus Schäfler hat heute einen Job als Arbeitsvermittler, seine Lebensgefährtin Silvia Gerhardt unterstützt Jugendliche beim Berufseinstieg
Vom Altar ins Arbeitsamt: Ex-Priester Markus Schäfler hat heute einen Job als Arbeitsvermittler, seine Lebensgefährtin Silvia Gerhardt unterstützt Jugendliche beim Berufseinstieg © privat

München - Kann denn Liebe Sünde sein? Im Mai 2009 teilte Pfarrer Markus Schäfler (37) seinen Geltendorfern mit, dass er  mit Pfarrhelferin Silva Gerhardt (44) zusammenleben wolle. Das Paar im Interview:

Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, schrieb der Priester damals in einem Brief, „doch ich habe nun erkannt, dass Gott mir in meiner Mitarbeiterin Silva nicht nur eine treue Hausfrau und hervorragende Kollegin an die Seite gestellt hat, sondern auch eine Lebenspartnerin“. Der Augsburger Bischof Walter Mixa ließ Schäfler danach zwar für seine gute seelsorgerische Arbeit danken, suspendierte ihn aber sofort und schloss ihn zudem von allen Sakramenten aus. Wie lebt der ehemalige Priester mit dem Kirchenbann? Wie gelang der Neuanfang? tz-Mitarbeiterin Ulrike Osman sprach mit Silvia Gerhardt und Markus Schäfler.

Sie sind im Mai letzten Jahres aus Ihrem Dienst in Geltendorf ausgeschieden. Wie ist es Ihnen seither ergangen?

Schäfler: Zunächst schien alles recht perspektivlos. Ich hatte mich bei der Arbeitsagentur in Augsburg beworben, weil dort Mitarbeiter gesucht wurden, aber das klappte zunächst nicht. Ich hatte keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, und es gab auch keine Starthilfe von der Diözese. Dann kam gerade an dem Tag, als wir in Geltendorf das Pfarrhaus räumten, doch noch die Zusage aus Augsburg. Und ich konnte am 2. Juni eine Stelle als Arbeitsvermittler antreten.

Gerhardt: Ich habe zunächst trotz vieler Bewerbungen keine neue Stelle gefunden und war bis Dezember arbeitslos. Dann kam ein Angebot von einem Bildungszentrum, wo ich seitdem in den Bereichen Berufsvorbereitung und Berufseinstiegsbegleitung tätig bin.

Nebenbei bauen Sie eine psychosoziale Beratungspraxis auf, den Seelenraum.

Schäfler: Ja, und das ist überraschend gut angelaufen. Wir hatten im letzten Herbst gerade unser Beratungszimmer fertig eingerichtet, als die ersten Anfragen von Klienten kamen. Seitdem wächst das Interesse stetig.

Mit welchen Anliegen kommen die Menschen zu Ihnen?

Gerhardt: In der Hauptsache suchen unsere Klienten Hilfe in Lebenskrisen, sehr häufig haben sie Beziehungsprobleme. Sie brauchen Unterstützung, um an ihrer Beziehung zu arbeiten, oder wünschen sich eine Begleitung während des Trennungsprozesses. Wir arbeiten auch mit Jugendlichen, die schwierige Phasen durchmachen.

Schäfler: Es kommen auch immer mehr Anfragen nach Trauerfeiern.

Sind Ihre Trauerfeiern heute „weltlicher“ als früher?

Schäfler: Nein. Ich bin Priester und kann eine Trauerfeier nicht „weltlich“ gestalten. Aber das ist auch gar nicht notwendig. Die meisten Menschen sind sehr dankbar, wenn die Trauerfeier einen christlichen Hintergrund hat, auch wenn sie selbst aus der Kirche ausgetreten oder gar nicht getauft sind. Konfessionslos zu sein, bedeutet ja nicht, Atheist zu sein. Wirkliche Atheisten gibt es meiner Erfahrung nach nur sehr wenige.

Sie selbst sind exkommuniziert worden. Gehen Sie noch in die Kirche?

Schäfler: Ein Leben ohne den sonntäglichen Gottesdienstbesuch ist für uns nicht vorstellbar. Deshalb haben wir eine neue kirchliche Heimat gesucht und uns der altkatholischen Gemeinde Kaufbeuren-Neugablonz angeschlossen.

Gerhardt: Viele Menschen wissen nichts von der altkatholischen Kirche. Sie hat sich im 19. Jahrhundert nach dem 1. Vatikanischen Konzil von der römisch-katholischen Kirche abgespaltet und versteht sich bewusst als Alternative. Sie ist basisdemokratisch strukturiert, die Eucharistie kann jeder Getaufte empfangen, es gibt das Frauenpriestertum und keinen Zölibat.

Im Rahmen Ihrer Beratungspraxis bieten Sie auch freie Trauungen zum Beispiel für konfessionslose, geschiedene oder gleichgeschlechtliche Paare an.

Schäfler: Damit hätte ich auch als Priester kein Problem gehabt. Ich hätte ein solches Paar zwar nicht im eigentlichen Sinne trauen können, das wäre nach dem Sakramentenverständnis der römisch-katholischen Kirche nicht möglich gewesen. Aber eine Segensfeier hätte ich mir durchaus vorstellen können, auch wenn das vielleicht nicht überall auf Verständnis gestoßen wäre. Ich bin der Meinung, dass es nie falsch sein kann, Menschen zu segnen.

Haben Sie das Gefühl, dass die Menschen Ihnen mehr vertrauen, gerade weil Sie Ihren persönlichen, schwierigen Weg gegangen sind?

Schäfler: Das spielt schon eine Rolle. Vielleicht bin ich jetzt für viele glaubwürdiger. Priester bin ich geworden, weil ich den Menschen die Gotteserfahrung weitergeben und weil ich Seelsorger sein wollte, das war mir immer das Wichtigste. Aber paradoxerweise kann ich jetzt intensiver seelsorgerisch tätig sein als früher! Während meiner Zeit als Pfarrer war das gar nicht so gewünscht, denn als kirchlicher Mitarbeiter hat man immer mit einem gewissen Image zu kämpfen. Die Menschen haben Angst, beurteilt zu werden, und verschließen sich eher statt sich zu öffnen. Jetzt kommen Menschen zu uns, die zu uns als kirchliche Mitarbeiter nie gekommen wären.

Haben Sie noch freundschaftliche Kontakte nach Geltendorf?

Gerhardt: Viele Freundschaften sind natürlich geblieben, und einige sind sogar neu dazugekommen oder haben sich vertieft, seitdem wir nicht mehr dort sind.

Schäfler: Ich muss natürlich auch sagen, dass es mir jetzt als „Privatperson“ leichter fällt, Freundschaften zu schließen und Leuten das Du anzubieten. Denn in der Rolle als Pfarrer war ich immer darauf bedacht, alle gleich zu behandeln.

Welche Pläne haben Sie für das Jahr 2010?

Gerhardt: Wir möchten den Seelenraum weiter ausbauen und auch telefonische Beratung und Online-Beratung anbieten. Außerdem wird es Wochenend-Seminare unter dem Motto Aussteigen zum Ankommen geben, und ab den Pfingstferien 2011 auch Intensivkurse in Spanien mit spirituellem Coaching in Einzelgesprächen, Meditation, Yoga. Uns steht dort ein Haus in einem Dorf am Jakobsweg zur Verfügung, wo es weder Strom noch fließendes Wasser gibt. Eine Woche dort ist eine sehr intensive Erfahrung.

In Ihrem Abschiedsbrief an die Gemeinde war auch von Heiratsplänen die Rede …

Schäfler: Wir sind bereits mitten in den Vorbereitungen. Es wird im Laufe des Jahres soweit sein …

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