Tiny Tina (30) ist Profiboxerin und Lehrerin: „Ich wollte immer voll draufhauen“

Profiboxerin Tiny Tina (30) liebt den harten Kampf. Ende März musste sie ihre erste Niederlage einstecken und den WBC-Weltmeistertitel abgeben. Nebenher arbeitet die Augsburgerin als Lehrerin.
Augsburg – 1,52 Meter und 48 Kilo: Tiny Tina (30) boxt, seit sie ein junges Mädchen ist. Mit zwölf fing sie mit Kickboxen an, der Kampfsport fesselte sie sofort. Sie merkte jedoch schnell, dass das klassische Boxen ihr mehr Spaß macht. „Im Kickboxen hab ich Semi-Kontakt gekämpft, da war nach jedem Schlag Stopp und man darf auch nicht hart schlagen“, erklärt Tina Rupprecht im Gespräch mit Merkur.de. „Das war überhaupt nicht meins, weil ich wollte immer voll draufhauen“, sagt sie lachend. Mit 14 wechselte sie deshalb zum Boxclub Haan, wo sie auch heute noch mit ihrem Trainer Alexander Haan ihre Kämpfe bestreitet. Und das mit Erfolg.
Fünf Jahre verteidigte Tiny Tina ihren WBC-Weltmeistertitel – bis zum Kampf in den USA
Nach sieben Profikämpfen bekam die Augsburgerin im Jahr 2018 ihre erste WM-Chance. Die damals 25-Jährige setzte sich gegen Yokasta Valle aus Costa Rica durch und holte sich den begehrten WBC-Titel in ihrer Gewichtsklasse. Diesen verteidigte sie Jahr für Jahr erfolgreich. Bis zum 25. März 2023. Nach zehn Runden verlor Rupprecht (Tiny Tina) im Kampf gegen die US-Amerikanerin Seniesa Estrada (Super Bad) in den USA mit 90 zu 100 Punkten.

„Ich war natürlich sehr enttäuscht, ich glaube, jeder Sportler will immer gewinnen“, verrät Rupprecht nach der bitteren Niederlage. „Es gibt Tage, da verliert man halt, das gehört genauso dazu, das muss man auch lernen.“ Es war ihr bislang größter Kampf, vor über 10.000 Zuschauern.
Die Stimmung in der Arena in Fresno (Kalifornien) sei „mega“ gewesen. „Als ich aus dem Ring raus bin, hat das Publikum gejubelt und geklatscht“, schildert Rupprecht. Und das, obwohl die meisten Fans ihre Daumen für die Lokalmatadorin drückten. „Man nimmt viel aus so einem Kampf mit und kommt stärker zurück.“
(Übrigens: Unser Bayern-Newsletter informiert Sie über alle wichtigen Geschichten aus dem Freistaat. Melden Sie sich hier an.)
Familie unterstützt Augsburgerin beim Profisport
Zur Unterstützung reisten Oma, Opa, Mama samt Lebensgefährten und ihr Freund mit in die USA. Acht bis zehn Wochen hatte die Profiboxerin für den Kampf trainiert, danach gönnte sie sich erstmal eine Auszeit.
Mittlerweile kann Rupprecht vom Profisport leben, allerdings nur mithilfe von Sponsoren. Es sei ein mühsames Geschäft. „Die Leute denken immer, man steht im Ring und kriegt dann eine fette Gage, das ist aber nicht so“. Man müsse die Kämpfe mitfinanzieren. Sie würde sich in Deutschland ein größeres Interesse am Box-Sport wünschen.
Profiboxerin aus Augsburg ist nebenher Lehrerin: „Ja, ich bin auch kleiner als meine Schüler“
Bis 2018 studierte Rupprecht in Augsburg neben ihrer sportlichen Karriere Grundschullehramt mit Sport im Hauptfach. Derzeit arbeitet sie an einer Augsburger Realschule zwei Tage die Woche nebenher als Sportlehrerin. Ihre Schüler sind ganz begeistert von der Profiboxkarriere ihrer Lehrerin. „Nach dem USA-Kampf haben sie ein Plakat für mich gebastelt und alle geklatscht, als ich gekommen bin“, erzählt Rupprecht. Manchmal erzählen sie ihr auch, dass sie sie gestern im Fernsehen oder der Zeitung gesehen haben. Mit ihren 1,52 Metern ist die Augsburgerin kleiner als die meisten ihrer Schüler. „Bei den 5. Klässler gibts noch ein paar, die ich überrage.“
Ihr Kampfname, Tiny Tina, hat sie einem WBC-Supervisor zu verdanken. Er nannte sie in einem Artikel Tiny Tina und Jahre später sprach man sie auch auf der WBC-Konvention mit diesem Namen an. „So ist das dann hängengeblieben.“ Der Name passe aber auch perfekt zu ihr, weil sie immer auf ihre Größe angesprochen wird. „Ach du Kleine, und du boxt, du siehst ja gar nicht so aus, kann man sich gar nicht vorstellen“, hat sie nicht nur einmal gehört. Stören tut sie das nicht. Wer ihr auf Anhieb nicht glaubt, dem zeigt sie ihren Bizeps oder sagt: „Google mich“.
Ehemalige Box-Weltmeisterin Tiny Tina liebt es im Ring zu stehen
Rupprechts Augen glühen, wenn sie vom Boxen spricht. „Am meisten daran liebe ich den direkten Kampf, ich liebe das direkte Gegenüber, das Eins-gegen-Eins, dass du alleine im Ring bist und dich misst.“ Jeder, der einmal im Ring stand, würde ihr das unbeschreibliche Gefühl bestätigen. Es ist neben ihrer Leidenschaft auch eine Art Persönlichkeitsentwicklung. Sie habe durch den Sport viel über sich selbst gelernt: „Ob es jetzt ist, über seine Grenzen zu gehen oder mit Emotionen umgehen oder Respekt vor dem Gegner zu haben.“
„Mein Freund sagt immer, er erkennt mich nicht im Ring, weil ich da komplett anders bin.“ Im Privaten ist Rupprecht harmoniebedürftig, Streit und Konflikte mag sie nicht. Im Ring liebt sie es, wenn es hart zugeht, wenn es aggressiv wird. „Das ist so ein Schalter bei mir, sobald der Kampf um ist, bin ich wieder die süße, liebe Tina.“ Wenn Rupprecht nicht boxt, verbringt sie ihre Zeit gern mit ihrer Familie, geht reisen oder pflanzt ihren Schrebergarten um.
Tiny Tiny erzählt von Verletzungen beim Kampf: „Boah, da ist irgendwas kaputtgegangen“
Ungefährlich ist der Kampfsport nicht. Ihre Familie habe schon immer noch Angst um sie, wenn sie in den Ring steigt. „Schwellungen oder ein blaues Auge sind ganz normal nach dem Kampf“, erklärt die ehemalige Box-Weltmeisterin. „Ich hatte aber auch schon öfter Cuts.“ Also Platzwunden am Kopf. Einmal sei diese so tief gewesen, dass sie mit sechs Stichen genäht werden musste. Rupprecht habe den Schmerz gespürt und sich gedacht: „Boah, da ist irgendwas kaputtgegangen.“
Ihr „Cutman“ habe ihr in der Ringpause Adrenalin auf die Wunde geträufelt, weil das die Blutung stillt. Der Schnitt war jedoch zu tief und wurde von Rupprechts geflochtenen Zöpfen noch weiter auseinander gezogen. „Tina, ich muss dir jetzt deinen Zopf durchschneiden“, sagte er schließlich zu ihr. Rupprecht trug von dem Kampf daher ein Loch in den Haaren davon. „Das sind halt dann die Opfer, die man mal bringen muss.“ Immerhin konnte sie danach trotz Platzwunde weiterkämpfen – und gewinnen. (tkip)
Alle Nachrichten aus ganz Bayern lesen Sie immer bei uns. News und Geschichten aus dem Freistaat sind nun auch auf unserer brandneuen Facebook-Seite Merkur Bayern zu finden.