Sechs Tote in Gartenlaube: Rätsel um letzten Facebook-Eintrag
Arnstein - Eine private Feier in einer Gartenlaube bei Würzburg endet in einer Tragödie: Ein besorgter Vater findet dort sechs Leichen, darunter seine eigenen Kinder.
Das Wort Albtraum vermag nicht ansatzweise zu beschreiben, was am Sonntag in Arnstein nördlich von Würzburg geschehen ist. Dort hat ein Vater in seinem Gartenhäuschen die Leichen von sechs jungen Leuten gefunden - darunter seine beiden eigenen Kinder. „Dem betroffenen Vater in die Augen zu sehen - das kann man in keiner Schule lernen“, sagte der zweite Bürgermeister Franz-Josef Sauer am Montag. Warum die Teenager gestorben sind, ist bislang noch nicht geklärt; sie hatten aber in der abgelegenen Laube eine Party gefeiert.
Bei den toten Teenagern handelt es sich um fünf junge Männer und eine junge Frau. „Die kamen größtenteils aus dem Landkreis Main-Spessart, aber nicht alle aus Arnstein. Einer kam aus dem Landkreis Schweinfurt“, sagte ein Polizeisprecher am Sonntagabend.
„Es ist für uns ein schwerer Schicksalsschlag, so viele junge Menschen zu verlieren“, erklärt der zweite Bürgermeister, Franz-Josef Sauer (CSU) am Montag. „Es fehlen oft die richtigen Worte, es sind viele Bilder im Kopf.“ Auch einen Tag nach dem Fund gab das Geschehen den Ermittlern Rätsel auf. „Die Umstände sind nach wie vor unklar“, sagte Polizeisprecher Björn Schmitt am Montag. Eine Obduktion der toten fünf jungen Männer und einer Frau könnte Aufschluss über die Todesursache geben. Das Blut der Opfer wollen die Ermittler „auf etwaige körperfremde Stoffe“ untersuchen, wie die Würzburger Staatsanwaltschaft und die Polizei mitteilten. Die Ermittlungen würden aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Staatsanwaltschaft Würzburg kündigte für den Montag eine Pressemitteilung mit weiteren Informationen an.
Rätsel um letzten Facebook-Post
Das 18-jährige Mädchen, die sich unter den Opfern befindet, hat kurz vor ihrem Tod auf ihrem Facebook-Profil einen Text online gestellt, der wie eine düstere Prophezeiung klingt. „Ich würde mir wünschen, an meinem Grab stehen zu können, nur um die Trauernden zu fragen, wo sie waren, als ich noch lebte“, so zitiert bild.de das Facebook-Profil der 18-Jährigen.
Wie es zu der traurigen Nachricht kommen konnte, wisse in Arnstein niemand, so bild.de. Bekannte beschreiben das Mädchen als lustig, sie habe eine Ausbildung zur Bäckereiverkäuferin gemacht.
Die Laube, in der die sechs Teenager gefunden wurden, steht in einer extrem einsamen Gegend. Mehrere Kilometer sind es bis nach Arnstein, dem nächsten kleineren Städtchen im unterfränkischen Landkreis Main-Spessart bei Würzburg. Auf dem Weg dahin sind vor allem Felder, Wälder, ab und an ein Bauernhof zu sehen. An einem langen holprigen Weg liegt dann das Gartengrundstück, rundum eingewachsen und schon etwas verwildert.
Ist der Ofen die Todesursache?
Das rostige Tor ist mit einem schwarzen Fahrradschloss versperrt, davor flattert ein Absperrband der Polizei. Ein behelfsmäßiger Ausdruck auf Papier in einer Klarsichthülle macht klar: „Tatort - Betreten verboten!“ Zur Sicherheit sind am Sonntagabend auch Polizisten vor Ort, die Scheinwerfer des Streifenwagens eingeschaltet.
Es ist Samstagabend in der kleinen unterfränkischen Gemeinde. Sechs junge Frauen und Männer aus den Landkreisen Main-Spessart und Schweinfurt haben sich verabredet, sie wollen in einem abseits gelegenen Gartenhäuschen eine Party feiern. In der Laube steht ein Holz-Kohle-Ofen, damit ist sichergestellt, dass die Freunde im Alter zwischen 18 und 19 Jahren nicht frieren müssen. Liegt in dem Ofen die Ursache für den späteren Tod der sechs jungen Leute? „An irgendwelchen Spekulationen wollen wir uns nicht beteiligen“, sagte der Polizeisprecher.
Obduktion soll Todesursache klären
Sonntagvormittag, gegen 11 Uhr. Der Besitzer der Laube macht sich Sorgen. Er hat von seiner Tochter und seinem Sohn, die bei der Party dabei waren, noch immer nichts gehört. Auch per Handy sind sie nicht zu erreichen. Also macht der Vater sich auf, um nachzusehen, wo seine Kinder bleiben. Als er die Tür zu seinem Gartenhäuschen öffnet, erstarrt er zur Salzsäule: Auf dem Boden liegen sechs junge Leute, darunter seine beiden Kinder! Der geschockte Mann ruft sofort den Notarzt. Bis zu dessen Eintreffen untersucht er mit fahrigen Händen, ob in den bewegungslos daliegenden Körpern noch Leben ist. Er findet nichts.
Auch der kurz darauf eintreffende Notarzt kann nichts mehr für die jungen Leute tun. Alle sechs Frauen und Männer sind tot; warum, weiß zunächst niemand. Sicher ist, dass der Ofen in der Gartenlaube in Betrieb war, deshalb ist nicht ausgeschlossen, dass daraus in der Nacht tödliches Kohlenmonoxid entwichen ist. Dazu Polizeisprecher Björn Schmitt: „Die Jugendlichen haben mit dem Ofen geheizt, das ist eine Möglichkeit, die in Frage kommen könnte, aber es gibt auch noch andere.“
Der Schauplatz der furchtbaren Tragödie wird von Helfern der Feuerwehr am Mittag mit einem Flatterband großräumig abgesperrt. Die Kriminalpolizei nimmt die Ermittlungen auf. Die Experten der Spurensicherung finden - jedenfalls zunächst - keine Hinweise auf ein Gewaltverbrechen. Die Leichen sollen jetzt obduziert werden, um zu klären, woran die jungen Leute gestorben sind. Die Familien der Toten werden Sonntag Mittag nach und nach verständigt, dabei spielen sich unbeschreibliche Szenen ab. Mehrere Notfallseelsorger und Pfarrer versuchen, den Hinterbliebenen Trost zu spenden, wo es keinen Trost geben kann.
Einwohner schockiert
In Arnstein, einem Städtchen mit gut 8000 Einwohnern, macht die Nachricht von der Tragödie sofort die Runde. Ein Nachbar der Familie, der die Hütte gehört, ist tief betroffen. Er habe die meisten der Opfer gekannt - und die junge Frau habe ihren 18. Geburtstag gefeiert, sagt er.
In der „Brotzeithütte“, wie der alte Gartenschuppen in den ehemaligen Weinbergen mit nachträglich eingebauten Fenstern genannt wird, hätten junge Leute immer wieder mal gefeiert, erzählt ein anderer Einwohner. Wie die anderen Gäste in der Gaststätte im Ortskern kennt auch er heute nur ein Thema. Schon am Mittag, als Rettungskräfte mit Blaulicht durch die Straßen rasten, habe man geahnt, „dass da was Schlimmeres passiert sein muss“. Wie schlimm aber - das hatte sich wohl niemand ausmalen können.
„In die Situation reinversetzen kann sich keiner“, sagt eine Frau im Café in der kleinen Ortsmitte von Arnstein. Sie sitzt mit zwei Freundinnen in einer Ecke des Backshops, die drei Frauen um die 40 haben Kaffee vor sich stehen. „Unsere Kinder sind noch kleiner, aber man überlegt sich schon: Was wäre, wenn das jetzt unsere Kinder wären?“
Montagabend gedenkt die katholische Kirchengemeinde in Arnstein in der Stadtkriche St. Nikolaus den Opfern mit einer Trauerstunde. Allerdings betont die Seelsorgerin der Pfarrgemeinde, dass die Trauerstunde nur für Angehörige und Freunde der Opfer vorgesehen sei. Man wolle die Betroffenen vor der Öffentlichkeit schützen und den Familien den Raum geben, den sie brauchen. Und, wo gewünscht, auch Zuspruch geben. Seelsorger der Diözese Würzburg sollten hinterher Gespräche mit den Familien führen.
mdu/dpa/mt