Ettal: Mönch beichtet beim Staatsanwalt

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Ettal - In Kloster Ettal bleibt derzeit kein Stein auf dem anderen: Bischöflicher Beauftragter, Ombudsmann, Sonderermittler, Polizei und Staatsanwaltschaft offenbaren, worüber die Mönche jahrzehntelang den Mantel des Schweigens gehüllt hatten.

Das wurde einem weiteren sündigen Geistlichen zu gefährlich. Er rief den Staatsanwalt an und legte die Beichte ab. Der Pater habe sich selbst angezeigt, meldete die Abtei: „Über den Inhalt können derzeit keine weiteren Auskünfte gemacht werden, da es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt.“ Es handele sich zumindest nicht um sexuellen Missbrauch oder Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft wollte dazu keine Stellung nehmen. Was geschah also noch hinter den alten Klostermauern?

Der Skandal wird größer und größer: Die Zahl der Beschuldigten steigt auf fünf! Deswegen waren Staatsanwaltschaft und Polizei am Dienstag zur Razzia vor Ort.

Die Ermittler hätten Unterlagen gesichtet und mitgenommen. Kloster und Sonderermittler, der Münchner Rechtsanwalt Thomas Pfister, hätten die Dokumente „aus freien Stücken“ ausgehändigt, berichtet die Benediktinerabtei. Die Beamten hätten sich besonders für „zwei Tatkomplexe“ interessiert, beide habe die Abtei bereits vergangene Woche bei der Staatsanwaltschaft in München angezeigt.

Mindestens 20 Opfer haben sich bislang gemeldet. Sie beschuldigen vier Geistliche:

- Pater Magnus (76†) hatte seit den 60er-Jahren immer wieder Buben missbraucht, mit ihnen geduscht, sie aufs Unsittlichste angefasst. Trotzdem durfte er bis 2004 Computerkurse am Benediktinergymnasium von Kloster Ettal halten. Pater Magnus starb im April 2009.

- Dem gleichen Vorwurf des Kindesmissbrauchs sieht sich auch ein jüngerer Pater ausgesetzt. Zwei Schüler haben Vorfälle von 2005 gemeldet. Damals musste der Mönch zum Psychiater, aber nicht zum Staatsanwalt. Der Pater wurde eiligst ins Benediktinerkloster Wechselburg in Sachsen versetzt, wo er für die Jugend zuständig war. Der Fall ist nicht verjährt, jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

- Zwei weitere, ältere Pater waren bereits vor rund 20 Jahren nach Sachsen geschickt worden. Mehrere Schüler beschuldigen die beiden der „unangemessenen körperlichen Züchtigung“. Was das bedeutet haben musste, schrieb ein Ehemaliger dem Bischöflichen Beauftragten Monsignore Siegfried Kneißl: „Der Pater hatte mich als Prügelknaben auserkoren.“ Der Schüler erinnerte sich an regelmäßige, „fürchterliche“ Schläge. Die Körperverletzungen sind längst verjährt, durch die Verheimlichung bewahrte das Kloster die Mitbrüder vor ihrer weltlichen Strafe. In Sachsen seien sie nicht auffällig geworden, meldet das Bistum Dresden-Meißen.

Im Kloster der Schande schämen sich die Mönche. Die zurückgetretenen Verantwortlichen, Abt Barnabas und Prior Maurus, schrieben ein umfassendes Schuldeingeständnis und bitten jetzt sogar Papst Benedikt XVI. um Hilfe.

Das Signal ist im Erzbischöflichen Ordinariat angekommen. „Wir haben tiefen Respekt vor einem solch deutlichen Zeichen aus der Mitte der Gemeinschaft“, sagt Bernhard Kellner, Sprecher von Erzbischof Reinhard Marx. Der Oberhirte bekommt wieder Post von Ehemaligen. Die „Altettaler“ stellen sich vor ihr Kloster: Der Eindruck sei falsch, dass Missbrauch seit Jahrzehnten systematisch vertuscht worden sei. Es hätten „Offenheit, Toleranz und Vertrauen“ geherrscht.

Am Freitag will Abtei-Anwalt Thomas Pfister seinen Bericht vorlegen. Kirchen-Kenner gehen davon aus, dass dann neue brisante Vorwürfe bekannt werden.

David Costanzo

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