Kunsthistoriker Stephan Hoppe von der Ludwig-Maximilians-Universität München sieht Eingriffe in Kunst grundsätzlich kritisch: „Man kann die Geschichte ergänzen und kommentieren. Aber man kann sich die Geschichte nicht hinbiegen, wie man sie gerne hätte.“ Für den Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm,sind die Heiligen Drei Könige vor allem „Teil der Faszination der Weihnachtsgeschichte.“ Für ihn sei entscheidend, „ob mit der Darstellung unterschiedlicher Hautfarben implizit oder explizit unterschiedliche Wertigkeiten zugeschrieben werden“, sagt der bayerische Landesbischof. „Bei den Heiligen Drei Königen geht es um hochstehende Persönlichkeiten, die zusammen mit den armen Hirten zur Krippe kommen. Unterschiedliche Wertigkeiten werden hier gerade nicht zugeschrieben. Im Gegenteil.“
Doch die Debatte geht noch weiter: „Es gibt eine vergleichbare Diskussion auch im Blick auf das Sternsingen“, sagt Bärsch. „Ist es angemessen, dass einer der Sternsinger schwarz angemalt wird?“ In Deutschland ziehen rund um den Dreikönigstag am 6. Januar jedes Jahr etwa 300.000 Sternsinger von Haus zu Haus, um Spenden zu sammeln. Die Träger der Aktion Dreikönigssingen - Kindermissionswerk und Bund der Deutschen Katholischen Jugend - empfehlen, kein Kind mehr schwarz zu schminken.
Der Brauch habe nichts mit rassistischem „Blackfacing“ zu tun, heißt es auf der Homepage des Missionswerks. Er gehe darauf zurück, dass Caspar, Melchior und Balthasar die drei früher bekannten Erdteile Asien, Afrika und Europa repräsentierten. Der schwarze König steht dabei für Afrika. „Gleichwohl geht die Gleichsetzung von Hautfarbe und Herkunft heute nicht mehr auf. Wir glauben, dass der ursprüngliche Sinn der Tradition besser deutlich wird, wenn Kinder als Sternsinger so gehen, wie sie eben sind: vielfältig in ihrem Aussehen.“
Auch in Ulm steht eine endgültige Entscheidung zu den Krippenfiguren noch aus, die Gemeinde will sie „in aller Ruhe“ im neuen Jahr treffen, so Dekan Grohl. Er könne sich vorstellen, dass die Figur dennoch gezeigt werde - aber mit Einordnungen und Erklärungen.
Erstmeldung vom 8. Oktober: München - Die evangelische Münstergemeinde in Ulm (Baden-Württemberg) verkündete kürzlich, die Heiligen Drei Könige aus der diesjährigen Weihnachtskrippe zu verbannen. Auch im Nachbar-Bundesland Bayern wir das Thema heißt diskutiert. Als Hintergrund nennt der Ulmer Dekan die andauernde Rassismus-Debatte in Deutschland. „Die Holzfigur des Melchior ist etwa mit seinen dicken Lippen und der unförmigen Statur aus heutiger Sicht eindeutig als rassistisch anzusehen“, erklärt Dekan Ernst-Wilhelm Gohl.
Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nennt Dekan Gohl die aus Kamerun stammende Gospelsängerin Siyou Isabelle Ngnoubamdjum als Beispiel. Ihrer Meinung nach sei die Figur „rassistisch und in keiner Weise wertschätzend“. Stattdessen möchte man in diesem Jahr die Weihnachtsgeschichte nach dem Lukas-Evangelium erzählen. Dort treten die drei Weisen aus dem Morgenland nicht auf.
Im Erzbistum München und Freising würde man die Thematik aktuell behandeln, erklärte eine Sprecherin. Konkrete Maßnahmen seien aber noch nicht bekannt. In Franken, im Erzbistum Bamberg, hingegen ist „von solchen Debatten nichts bekannt“, sagte ein Sprecher. Gleichzeitig verwies er auf die Symbolik der Heiligen Drei Könige. Diese stünden für die drei zur Zeit Jesu bekannten Kontinente. „Dass einer von ihnen also schwarze Hautfarbe hat, ist ein Zeichen dafür, dass Gott alle Menschen, egal welche Herkunft oder Hautfarbe sie haben, einlädt“, so der Sprecher aus Bamberg. Der schwarze König stünde deshalb eher für Toleranz anstatt Rassismus. Laut der Passauer Neuen Presse wäre das Verbannen der Heiligen Drei Könige der „größere Rassismus.“ Man würde so „seine gleichberechtigte Position im Trio der Weisen“ unsichtbar machen.
Eine ähnliche Rassismus-Diskussion spielte sich um ein Augsburger Hotel ab. Aktivisten forderten eine Namensänderung.
Die Südwest Presse hatte über die Nachricht aus der evangelischen Münstergemeinde in Ulm zuerst berichtet. Unter dem Facebook-Beitrag überschlugen sich die Kommentare von „lächerlich!“ bis zu „wir werfen unsere Tradition weg!“ Einige User fragten auch - wohl nicht ganz ernst gemeint - ob die Bibel jetzt neu geschrieben werden müsse.
Alle Nachrichten aus Bayern lesen Sie immer bei uns