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Weil ein Muslim auf Anklagebank sitzt: Richter nimmt Kreuz ab - mit Recht?

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Von: Bastian Huber

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Ein möglicherweise radikaler Muslim sitzt auf der Anklagebank. Der Richter nimmt das Kruzifix von der Wand. Zurecht? Wir haben beim Justizministerium nachgefragt.

Miesbach - Das Amtsgericht Miesbach hatte es jüngst mit einem Fall der heiklen Sorte zu tun. Der Angeklagte, ein 21-jähriger Asylbewerber, der gegenwärtig in Otterfing lebt, soll mit den Taliban sympathisiert haben und zudem einem afghanischen Landsmann mit dem Tod gedroht haben, weil der Sonntags in die Kirche geht. Das sagten zumindest diverse Zeugen aus. 

Richter Klaus-Jürgen Schmid, der den Vorsitz bei der Verhandlung am Amtsgericht Miesbach innehatte, trug den Gerüchten um den 21-Jährigen Rechnung: Er nahm das Kruzifix im Gerichtssaal von der Wand. Eine Aktion mit Signalwirkung, die durchaus polarisiert. 

Laut Thomas Pfeiffer, Pressesprecher am Bayerischen Staatsministerium der Justiz, hat Schmid entsprechend der Vorschrift gehandelt. Denn: „Rechtsvorschriften über die Ausstattung der Sitzungssäle mit Kreuzen gibt es in Bayern nicht.“ Im Leitfaden „Empfehlungen für den Bau von Justizgebäuden“, den die Oberste Baubehörde im Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr und das Staatsministerium der Justiz herausgegeben haben, sei aber „hinsichtlich der baulichen Ausstattung von Sitzungssälen bei Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit ausgeführt, dass an geeigneter Stelle ein abnehmbares Kreuz anzubringen ist.“

Das Vorhandensein von Kreuzen in Gerichtssälen, so Pfeiffer verstoße nicht gegen die Pflicht des Staates zu religiöser-weltanschaulicher Neutralität, zumal diese nicht als Gebot zur Eliminierung des Religiösen aus dem öffentlichen Bereich zu verstehen sei. „Das bloße Vorhandensein eines Kreuzes in Sitzungssälen verlangt von den Parteien, Prozessvertretern, Zeugen oder Besuchern weder eine eigene Identifizierung mit den darin symbolhaft verkörperten Ideen oder Institutionen noch ein irgendwie geartetes aktives Handeln“, teilt der Pressesprecher weiter mit. 

Im Einzelfall obliege nach Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts dem jeweiligen Gericht, zu entscheiden, eine Verhandlung ohne Kreuz zu ermöglichen. Und zwar dann, wenn sich „Verfahrensbeteiligte im Einzelfall durch das Kreuz im Gerichtssaal in ihrer Glaubensfreiheit gleichwohl beeinträchtigt fühlen und darlegen, dass das "Verhandeln unter dem Kreuz" für sie eine unzumutbare innere Belastung darstellt“. 

Zwar haben sich die Taliban-Vorwürfe gegenüber dem Angeklagten im Zuge der Verhandlung am Amtsgericht nicht erhärtet - es stand Aussage gegen Aussage. Stimmen sie tatsächlich, so darf man durchaus von der, in der Stellungnahme angeführten, inneren Belastung seitens des Afghanen ausgehen. 

hb

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