Erstmeldung vom 9. September: Würzburg - Theresa Stahl war 20 Jahre alt, als sie im April 2017 früh um 3 Uhr mit ihrem Freund zu Fuß von einem Weinfest in Untereisenheim bei Würzburg nach Hause ging, da sie nicht mehr fahren wollten. Dabei wurde sie am Straßenrand von einem VW Golf von hinten überrollt und getötet – am Steuer der damals 18-jährige Niclas H. mit über 2,89 Promille im Blut. Unfassbar: Im vergangenen Oktober wurde der Todesfahrer nur zu einer Geldstrafe von 5000 Euro verurteilt. Theresa Stahls Familie und die Staatsanwaltschaft kämpfen für ein härteres Urteil. Am Mittwoch begann der Berufungsprozess.
„Das Leben von meiner Tochter und das für 5000 Euro“, erklärt Ronald Stahl, der Vater der Toten, wieso er einen neuen Prozess wollte. „Ich hatte erhebliche Zweifel an unserem Rechtssystem und dem Rechtsstaat.“ Ein Gutachter hatte den Hauptangeklagten beim Prozess im Herbst als schuldunfähig eingestuft – weil er stark betrunken war. Verurteilt wurde er darum nicht wegen der Tötung der 20-Jährigen, sondern nur noch wegen fahrlässiger Volltrunkenheit.
Ronald Stahl hat die Aktion „Gegen-Alkohol-am-Steuer.de“ gegründet, damit sich Fälle wie der seiner Tochter möglichst nicht wiederholen. Das Symbol der Aktion wurde ein Pfeil, den sich Theresa auf die linke Ferse tätowiert hatte, den ihr Vater auf dem Sterbebett fotografierte und sich selbst tätowieren ließ. Auch Theresa Stahls Schwester Annabell (14) trat in Würzburg als Nebenklägerin auf.
Der Anwalt der Familie, Philipp Schulz-Merkel, zweifelt das alte Gutachten an: „Schwer nachvollziehbar, wie jemand, der sich so stark betrinkt, nur wegen einer Fahrlässigkeit verurteilt wird. Man wird nicht von jetzt auf gleich berauscht, sondern man muss dazu etwas trinken.“ Niclas H. hatte vor der Todesfahrt noch das Ende einer Polizeikontrolle abgewartet, kurvte auf einem Parkplatz herum und fuhr mehrere Kilometer.
Am Mittwoch standen neben Niclas H. auch seine drei Mitfahrer vor Gericht, die keine Erste Hilfe geleistet hatten. Ihre Verteidiger erklärten zunächst, ihre Mandanten würden nicht noch mal aussagen. Der Vorsitzende Richter Reinhold Emmert warnte jedoch, dies würde „einen katastrophalen Eindruck“ machen. Niclas H.s Verteidiger Hans-Jochen Schrepfer sowie Peter Auffermann, Anwalt eines der weiteren Angeklagten, beklagten sich über Beschimpfungen im Internet und dass der Angeklagte einer „medialen Kampagne“ ausgesetzt sei. Dann sagten die drei Mitfahrer aus, machten aber wegen des Alkoholkonsums Filmrisse geltend. Einer sagte, er habe drei Liter Wein getrunken.
Der Freund des Opfers, der an jenem Tag Geburtstag hatte, sagte auch aus: „Für mich war es das Schlimmste, was mir jemals passiert ist.“ Er leide seither unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Im Mittelpunkt der weiteren Verhandlung am 24. September stehen zwei Gutachten über die Schuldfähigkeit des Hauptangeklagten: Eines des Gutachters vom Oktober 2019 und eines des Psychiaters Hans-Ludwig Kröber von der Berliner Charité, der in den Verfahren Peggy Knobloch, Gustl Mollath oder Jörg Kachelmann zu Rate gezogen wurde.
Bei einem Unglück in Südtirol wurden gleich sieben junge Deutsche aus dem Leben gerissen. Der Unfallverursacher wartet in einem Kloster auf die Anklage. Ein tragisches Unglück ereignete sich auch in einer Novembernacht 2019 in München: Ein Schüler wird von einem Raser überfahren, Nun wird Anklage erhoben.
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