Zerbricht jetzt der Alpenverein?
Osnabrück - Ein Richtungsstreit erschüttert den "ADAC der Berge". Vor der Hauptversammlung ist der Augsburger DAV-Vize zurückgetreten.
Wie viel Rummel vertragen die Berge? Längst scheinen die in der Minderheit, die in Alpen kommen, weil sie Ruhe und Erholung suchen. Spektakel und Nervenkitzel sind angesagt anstatt Wandern und Klettern. Der Bergfreund von heute fährt mit der Seilbahn und genießt dann vom Alpspix den Blick in den 1000 Meter tiefen Abgrund. Der Deutsche Alpenverein war gegen die Eröffnung der Aussichtsplattform. Die Alpen dürften „nicht zur Kulisse für touristische Attraktionen degradiert werden“, hieß es in einer Stellungnahme. Aber viele Mitglieder halten solche Sätze nur noch für Feigenblätter, kritisieren, dass der größte Bergsportverband der Welt längst ohne Werte dastehe. Dass das benutzen der Natur längst vor deren Schutz gehe. Folge dieses Streits ist der zweite Rücktritt eines Spitzenfunktionärs innerhalb weniger Monate.
Denn nach DAV-Präsident Heinz Röhle, der im Juli die Brocken hinwarf, gab vor der Jahresversammlung in Osnabrück am Samstag auch DAV-Vize Ulrich Kühnl sein Amt auf. In einem Schreiben kritisiert der Augsburger, dass sich der Verband zu einem „ADAC der Berge“ wandle. Man biete zwar viel Service, aber sonst nichts. Als Bespiel dafür sehen viele Mitglieder auch die Haltung zur Münchner Olympiabewerbung. Während Interimspräsident Ludwig Wucherpfennig glaubt, die Winterspiele könnten im Umweltbereich Maßstäbe setzen, sehen viele an der Basis im Engagement für die Spiele einen krassen Widerspruch zum DAV-Grundsatzprogramm. Darin werden beispielsweise Neubauten für Sportwettkämpfe und Beschneiungsanlagen abgelehnt. Aber nicht nur diese unterschiedlichen Standpunkte sind ein Indiz dafür, dass der DAV vor einer Zerreißprobe steht. Heiß diskutiert wird in Zusamenhang mit Kühnls Rücktritt auch der Umgang mit Kritikern in den eigenen Reihen. Der sei „wenig bergkameradschaftlich“ und grenze an „Mobbing“, heißt es in DAV-Foren. Außerdem sei der DAV noch weit davon entfernt, für alle Mitgliedssektionen wirklich transparent zu sein.
Auf der DAV-Hauptversammlung soll nun Josef Kenner zum neuen Präsidenten gewählt werden. Er ist der einzige Kandidat. Der Westfale führte den DAV schon von 1992 bis 2005. Aber genau deshalb gibt es nicht wenige, die bezweifeln, dass er die Lager befrieden kann.
Der Vergleich mit dem ADAC ist übrigens gar nicht so weit hergeholt. Denn: Seit einigen Jahren hat der DAV eine Partnerschaft mit dem Automobilhersteller Toyota, weil der sich so stark für den Klimaschutz einsetze. Auch darüber jubelten nicht alle Mitglieder.
tz
tz-Stichwort: Deutscher Alpenverein
Der Deutsche Alpenverein (DAV) wurde im Jahre 1869 in München gegründet – damals noch unter dem Namen „Bildungsbürgerlicher Bergsteigerverein“. Mit über 815 000 Mitgliedern ist er die größte Bergsteiger-Vereinigung der Welt. Gegliedert ist der Verband in 354 selbstständige Sektionen. Die zwei größten sind München und das Oberland. Das oberste Organ des DAV ist die Hauptversammlung, die einmal jährlich stattfindet. Anträge dürfen nur der Verbandsrat sowie die Sektionen einbringen.