Avatar: Mit unwiderstehlicher Wucht
München - In seinem fast dreistündiges Spektakel „Avatar - Aufbruch nach Pandora“ zeigt sich Regisseur James Cameron als Kino-Visionär und Romantiker.
Der Held beginnt sein Abenteuer mit geschlossenen Augen und beendet es, in dem er seine Augen öffnet. Ein Augenblick – aber dazwischen liegt eine beschwerliche Reise zum Licht, vom Schlaf zum bewussten Leben. Und der Zuschauer folgt zunehmend fasziniert, wie der Mensch Jake abtrünnig wird, um als Außerirdischer wiedergeboren zu werden – weil es der einzige Weg ist, wahrhaftig zu existieren. „Avatar“ ist der Entwicklungsroman eines Renegaten, der sich von seiner Spezies abwendet, weil er sie nicht mehr sehen kann. Es ist ein harsches Pamphlet gegen die menschliche Zivilisation. Und man kann sich dagegen sträuben, sich wehren – am Ende packt einen diese völlig maßlose, auch anmaßende Art des Kinos doch.
Bilder zum Film-Spektakel Avatar
James Cameron gelingt dieses Kunststück immer wieder, trotz hämischer Unkenrufe und widriger Umstände die Gunst des Publikums zu erobern – im Grunde gegen dessen Willen. Das war bei „Terminator 2“ so, bei „Titanic“ und so wird es wohl auch bei „Avatar“ kommen. Das könnte man mit den schier unglaublichen technischen Innovationen erklären, für die Cameron berühmt geworden ist. Die aberwitzigen digitalen Bilder in 3D. Die spektakulären visuellen Einfälle könnte man anführen und die protzige Materialschlacht, die sich über fast drei Stunden zieht.

All das gibt es zwar auch, aber es erklärt nicht die Wirkung, die unwiderstehliche Wucht des Films. Denn Camerons Stärke ist das klassische Erzählen. Auch „Avatar“ wäre kaum mehr als aufgeblasene Imax-Angeberei, ohne die Geschichte, die bekannte Elemente variiert und wirkungsvoll neu zusammensetzt. „Avatar“ versammelt alle Motive, die Cameron seit jeher verwendet: Der auserwählte Erlöser, die starke Frau (hier sind es drei), die ihn beschützen, die Kritik an der Fortschrittsgläubigkeit, die Entdeckung unbekannter Welten und selbstverständlich die große, reine Liebe.
Cameron ist ein Romantiker der alten Schule. Die Schilderung der Verbundenheit seiner außerirdischen Helden zur Natur schwappt mitunter ins Esoterische über. Fast scheint es, Cameron hätte noch schnell die Dichter der deutschen Romantik gelesen. Die spirituelle Verbindung zwischen den Aliens und ihrem Planeten wird hier handfest: Es gibt Kontakt zur Welt der Geister, wenig überraschend wird er über Bäume hergestellt: Weil Cameron sehr genau weiß, wie er Archetypen, Bilder und Symbole richtig einzusetzen hat, nimmt man das alles hin.
mmt man das alles hin. Überraschend ist, wie grimmig sich der Regisseur auf die Seite dieser Außenseiter schlägt. Ihr Kampf gegen die Menschen, die ihren Planeten seiner Bodenschätze wegen zerstören, ist gerecht. Dass die Menschen diesen Widerstand als „Terror“ definieren, der mit „Terror bekämpft“ wird, ist eine offensichtliche Anspielung auf aktuelle Politik. Doch Cameron geht weiter und bricht Krieg auf das herunter, was er letztlich immer war: ein Verteilungskampf. Es geht um ökonomische Ziele und Cameron vertritt die kulturpessimistische These, dass die Menschen an eben dieser Profitgier zu Grunde gehen werden. Am Ende, und das ist wirklich unbarmherzig, stellt der Film dann das Selbstverständnis der Menschen in Frage: Denn sie sind die Aliens. Und sie müssen scheitern, weil sie keinen Respekt vor dem Andersartigen haben. Das ist es, was Jake vor seinen Artgenossen begreift, deswegen kann es auch kein versöhnliches Happy End geben. Doch das gab es bei Cameron noch nie.
Zoran Gojic
„Avatar“
mit Sam Worthington
Regie: James Cameron
Sehenswert: 4 Sterne