„Fluch der Karibik“: Warum Captain Jack seine Stimme verlor
München - Am Donnerstag kommt "Fluch der Karibik – Fremde Gezeiten" endlich ins Kino. Doch vielen ist die Vorfreude vergangen. Denn Disney hat die deutsche Synchronstimme des kultigen Captain Jack einfach ausgetauscht!
Gewaltige Explosionen, aufregende Seeschlachten, spektakuläre Szenerien – auf den ersten Blick ist in "Fluch der Karibik – Fremde Gezeiten" alles so, wie man es erwartet. Sehnsüchtig hatten die deutschen Fans von Captain Jack Sparrow dem vierten Teil der Piraten-Saga entgegengefiebert. Doch obwohl der erst am Montag in München seine Deutschlandpremiere feiert und am Donnerstag in den Kinos anläuft, ist Tausenden die Vorfreude seit Monaten vergangen. Denn Johnny Depp klingt plötzlich anders, völlig fremd! Der Grund: Die Produktionsfirma Disney hat die gewohnte deutsche Stimme des kultigen Captains über Bord geworfen!
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Ursprünglich sollte einst David Nathan den Piraten geben. Der 40-Jährige hat Depp in über 20 Filmen seine Stimme geliehen. Doch nachdem Nathan 2003 den ersten Teil der Abenteuerreihe eingesprochen hatte, gefiel den Disney-Supervisoren seine Interpretation nicht mehr. Wütend strich der Berliner die Segel: „Wir sind nur Roboter, die reinkommen, mäpmäpmäp machen und wieder rausgehen; völlig austauschbar!“, sagte er einmal über die Art, wie die Filmindustrie seine Zunft behandelt.

Disney holte sich darauf einen anderen Spieler der „Sprecher-Bundesliga“ ins Boot: Marcus Off. Und der meisterte die Aufgabe bravourös: Das versoffene Nuscheln, das angeberische Gehabe – Disney und die Fans waren sich einig: Off ist Captain Jack Sparrow. Also wurde der Schauspieler für die beiden Fortsetzungen verpflichtet. Doch am Ende der Arbeiten zu Fluch der Karibik – Am Ende der Welt fühlte sich der 52-Jährige unfair behandelt: So sollte er unter anderem piratige Klingeltöne einsprechen. Wie vorher Nathan, meuterte jetzt auch Off: „Ich trenne Synchronarbeit und Werbung. Außerdem wollte man mir den niedrigeren Synchron-Tarif zahlen.“
Der Tübinger feuerte dem Konzern zum Abschied noch einen Schuss vor den Bug und forderte eine Nachvergütung für seine bisherige Sychronarbeit. Das Urheberrechtsgesetz verpflichtet die Rechteinhaber zu einer Ausgleichszahlung, wenn ein „auffälliges Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes“ besteht, bei dem jemand eine „künstlerische Tätigkeit“ geleistet hat. Hierzulande hatten immerhin etwa 20 Millionen Zuschauer die Seeräuber-Saga gesehen.
Im folgenden Rechtsstreit feuerte Disney eine volle Breitseite auf die Berufsehre aller Synchronsprecher ab: Die seien „keine ausübenden Künstler“, sondern eher so etwas wie Nachrichtensprecher, denn sie lesen ja auch nur Wörter, die ein anderer geschrieben hat. Offs schöpferischer Beitrag sei sogar noch geringer, denn er „imitiere schlicht die Stimme und Sprache eines Schauspielers, der den Text bereits (…) aufgeführt hat“. Eine außergerichtliche Einigung lehnte Disney ebenso ab wie Offs Angebot, den vierten Teil für den Bruchteil seiner üblichen Gage einzusprechen, „weil das ja bescheuert ist“, wenn der Hauptdarsteller plötzlich mit einer anderen Stimme spricht.
Nach dem Kentern der Zusammenarbeit mit Off wandte sich Disney für Fremde Gezeiten dafür wieder an Nathan. Warum der trotz seiner Kritik am Konzern wieder dort anheuerte, wollte er der tz nicht sagen. Und auch Disney lehnte eine Interviewanfrage ab.
Dass Nathan einen guten Job machen wird, steht außer Frage. Aber für Fans gehört einfach Offs Stimme zu Jack Sparrow. Sie enterten per E-Mail die Agentur, die den Schauspieler vertritt und riefen die Online-Petition „Rettet Jack Sparrows Stimme!“ ins Leben. Seit Dezember trugen sich über 6750 Off-Fans ein. „So eine Wertschätzung meiner Arbeit habe ich noch nie bekommen“, freut sich Off. „Disney ist keine nette, kleine Micky Maus“, stellt er klar, „sondern ein rücksichtsloser Großkonzern“. Die erste Instanz im Prozess hat Off allerdings für sich entschieden.
Haakon Nogge