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Unser Film der Woche: „Dämonen und Wunder“

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Vater und Tochter? Nur zum Schein. Illayaal (Claudine Vinasithamby, l.) und Dheepan (Antonythasan Jesuthasan). Weltkino
Vater und Tochter? Nur zum Schein. Illayaal (Claudine Vinasithamby, l.) und Dheepan (Antonythasan Jesuthasan). © dpa

Ein Meisterwerk, das nachhaltig bewegt: „Dämonen und Wunder“ zeigt auf höchst eindrucksvolle Weise das Leben dreier Bürgerkriegsflüchtlinge in Frankreich.

Natürlich ist es auch ein politisches Signal, das Cannes in diesem Jahr gesendet hat, als es „Dämonen und Wunder“ mit der Goldenen Palme ehrte. Dieser Film ist wichtig. Doch vor allem ist es die Auszeichnung für ein Meisterwerk, das nachhaltig bewegt. Dieser Film ist brillant.

Was für starke Bilder, welch umwerfende Schauspieler! Und wie feinsinnig inszeniert von Jacques Audiard, diesem großartigen französischen Regisseur und Menschenfreund. Nichts anderes kann er sein – selten beobachtet einer seine Protagonisten so genau wie er etwa im Vorgängerwerk „Der Geschmack von Rost und Knochen“; deckt ihre verletzlichen Punkte auf, ohne sie bloßzustellen, doch sucht gleichzeitig auch immer ihre Stärken, das, was sie einzigartig macht.

Auch diese drei, deren Kampf durchs Leben wir in „Dämonen und Wunder“ einen kurzen Weg lang begleiten dürfen, sind einzigartig – und isoliert. Vater, Mutter, Kind? Von wegen. Zunächst einmal sind Dheepan (Antonythasan Jesuthasan), Yalini (Kalieaswari Srinivasan) und Illayaal (Claudine Vinasithamby) drei Individuen, jeder verloren in seinem Schicksal, allein, obwohl beisammen. Um aus dem Bürgerkrieg in Sri Lanka nach Europa fliehen zu können, tun sie sich zusammen – pragmatisch, desinteressiert am anderen. Was zählt, ist das eigene Überleben. Sie nutzen Pässe einer verstorbenen Familie, tun so, als seien sie verwandt. Die Marschrichtung ist klar, ihr muss schon die neunjährige Illayaal folgen: „Du weinst nicht und du sagst nichts.“ Bloß nicht auffallen, freundlich grüßen – und im Zweifel lächeln. So macht es Dheepan dem Mädchen und der Frau vor. Jesuthasan spielt diesen gedemütigten Mann, der Frau und Kinder verloren hat, sich seine Würde von den Mördern aber nicht nehmen ließ, eindrucksvoll. Lässt in jeder Minute den tiefsitzenden Schmerz erahnen, von dem er sich nur in wenigen Momenten übermannen lässt – sonst ganz auf Durchhalte-Modus eingestellt.

Frankreich, ihr Zufluchtsort, ist alles andere als der Friede auf Erden. Ausgerechnet in einer Multi-Kulti-Wohnblocksiedlung, in der Drogendealer gewalttätig ihre Macht ausüben, kommen sie unter. Jeder Pistolenschuss lässt alte Kriegstraumata aufbrechen. Und so geht es in Audiards Werk nicht nur um Flucht und Integration. Sondern auch um die Unmenschlichkeiten, die überall da herrschen, wo Menschen nichts mehr zu verlieren haben. Und um die Frage, ob ein Neuanfang gelingen kann, wenn man die schlimmstmöglichen Erinnerungen in seinem Herzen mit sich trägt. Können Wunder, kann Liebe die Dämonen überwinden?

„Dämonen und Wunder“

mit Antonythasan Jesuthasan

Regie: Jacques Audiard

Laufzeit: 109 Minuten

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