Ian McEwan „Lektionen“: Wie uns das Leben und die Moral prägen
Er gehört zu den einflussreichsten und bekanntesten englischen Schriftstellern der Gegenwart. Mit „Lektionen“ legt er ein weiteres Meisterwerk vor. Mein Buchtipp.
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Für die Bücher von McEwan braucht man Zeit. Zeit, die gut angelegt ist. Sie entführen in ihre ganz eigene Stimmung, die von der atmosphärisch dichten Erzählweise des englischen Bestsellerautors leben. Mag „Lektionen“ auf den ersten Blick etwas unspektakulär wirken, entspinnt sich ein Buch, das genau das schildert, was unser eigenes Leben prägt.
Ian McEwan „Lektionen“: Über das Buch

Roland Baines ist noch ein Kind, als er 1959 im Internat der Person begegnet, die sein Leben aus der Bahn werfen wird: der Klavierlehrerin Miriam Cornell. Roland ist junger Vater, als seine deutsche Frau Alissa ihn und das vier Monate alte Baby verlässt. Es ist das Jahr 1986. Während die Welt sich wegen Tschernobyl sorgt, beginnt Roland, nach Antworten zu suchen, zu seiner Herkunft, seinem rastlosen Leben und all dem, was Alissa von ihm fortgetrieben hat.
Es sind die moralischen Fragen, die Ian McEwan in seinen früheren Romanen aufgreift. Auch in „Lektionen“ ist dieses Thema präsent. Die Hauptfigur Roland Baines hat in seinem bisherigen Leben nicht viel selbst entschieden. Seine Eltern schicken ihn von Liben aus, wo sein Vater stationiert ist, auf ein englisches Internat. Im weiteren Verlauf der Geschichte entpuppt sich auch die Beziehung zu seiner Klavierlehrerin als Mischung aus Missbrauchs- und Liebesgeschichte, die ihn für sein weiteres Leben prägen wird. Als es 1986 zu der Havarie des Atomreaktors in Tschernobyl kommt, hinterfragt Baines sein Leben. Was hat er bisher erreicht? Wo sieht er sich?
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Ian McEwan gelingt ein Verweben von historischen Ereignissen mit der Geschichte um Roland und seine Frau Alissa, die ihn mit dem Baby alleine lässt, um Schriftstellerin zu werden. Ob Reaktorunfall in Tschernobyl oder der Berliner Mauerfall, 9/11 oder Corona, McEwan greift es gekonnt in „Lektionen“ auf. Zwischen den Zeilen wirkt es wie eine fiktive Biografie des Autors. Der Aufenthalt in Libyen, das englische Internat und das allgegenwärtige Nachdenken über Literatur und den Lebenssinn sind auch Ian McEwan nicht fremd.
Ian McEwan „Lektionen“: Mein Fazit
Ian McEwan kann es einfach. Über 700 Seiten, die einen hineinziehen in ein fiktives Leben. Es ist ein Buch, das Zeit braucht, einen Leser, der sich einlässt auf Roland Baines und dessen Geschichte. Ein Buch, das viele Fragen des Lebens aufgreift und zu beantworten versucht. Ein Buch, von dem man hofft, es möge noch weitergehen. Großartig.
Ian McEwan „Lektionen“
Aus dem Englischen von Bernhard Robben
2022 Diogenes, ISBN-13 978-3-257-61311-7
Preis: Hardcover 32 €, E-Book 27,99 €, 720 Seiten (abweichend vom Format)
Ian McEwan
Ian McEwan wurde 1948 in Aldershot (Hampshire) geboren. 1998 erhielt er den Booker-Preis und 1999 den Shakespeare-Preis der Alfred-Toepfer-Stiftung. Seit seinem Welterfolg „Abbitte“ (werblicher Link) ist jeder seiner Romane ein Bestseller, viele sind verfilmt. Ian McEwan ist Mitglied der Royal Society of Literature, der Royal Society of Arts, der American Academy of Arts and Sciences und Träger der Goethe-Medaille. Er lebt und arbeitet bei London.