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Pflicht für hohe Trinkgelder: Kommt die „Tipflation“ aus den USA bald auch zu uns?

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Finden Sie 30 Prozent Trinkgeld angebracht? Vor dieser Entscheidung stehen täglich Tausende Amerikaner. Doch wäre dieser Betrag auch in Deutschland möglich?

Stellen Sie sich mal vor, Sie gehen ganz normal einkaufen. Beim Bäcker etwa, im Supermarkt oder im Bekleidungsladen. An der Kasse wird dann ein Display zu Ihnen gedreht, auf dem steht „Wie viel Trinkgeld darf es sein: 15 Prozent, 20 Prozent, 25 Prozent?“ Klingt kurios, oder? Vor allem, wenn man bedenkt, dass Sie im Laden ja selbst durch die Gänge gegangen sind, sich selbst alles zusammengesucht haben und der Mitarbeiter am Ende vielleicht nur etwas in eine Tüte packt und kassiert.

In Amerika ist genau diese Situation inzwischen üblich. Laut einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung (SZ) habe sich CNBC kürzlich darüber beschwert, dass das „Tipping“ (engl. für Trinkgeld geben) außer Kontrolle geraten sei. Sie sprächen hier von der Tipflation (zusammengesetzt aus den englischen Wörtern Tip und Inflation).

Tipflation: Trinkgeld in den USA nimmt zu hohe Dimensionen an

Dass in den USA vielerorts das Trinkgeld noch extra auf die Rechnung kommt, und dies in der Regel ein Muss ist, ist vielen Menschen bekannt. Das liegt unter anderem daran, dass Servicemitarbeiter teils sehr schlecht bezahlt werden. Die SZ schreibt von 2,13 Dollar pro Stunde (ca. 2 Euro), wie vom amerikanischen Bundesrecht als Minimum vorgeschrieben. Für Berufe ohne Trinkgeld sind es immerhin 7,25 Dollar (fast 7 Euro). Zum Vergleich: In Deutschland liegt der aktuelle Mindestlohn bei zwölf Euro pro Stunde.

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Die ARD schreibt, dass der Auslöser für die aktuelle Lage wohl die Corona-Pandemie gewesen sei. Man wollte, auch in Amerika, eben die Lieferanten und Restaurants unterstützen. Zu der Zeit waren laut Focus etwa 25 bis 30 Prozent Trinkgeld die Norm. Nur: Als die Normalität zurückkehrte, sanken die Trinkgelder jedoch nicht mit.

Frau bezahlt an Kasse mit Karte
Unter den Augen des Verkäufers das Trinkgeld auswählen? In Amerika keine Seltenheit, in Deutschland (noch) die Ausnahme. (Symbolbild) © Monkey Business 2/Imago

„Trinkgeld nicht als Belohnung für guten Service“, sondern als Charakterstudie

Politikwissenschaftlerin Holona Ochs von der Lehigh Universität in Pennsylvania sagt laut ARD-Beitrag, dass das Trinkgeld in den USA schon immer einen anderen Stellenwert hatte, als in Europa. Und längst wurde aus einer Belohnung für guten Service eine Arte Charakterstudie des Kunden: Wer wolle vor seiner Begleitung schon als geizig dastehen?

Einfacher wurde das Trinkgeld geben auch, da viele Restaurants oder andere Läden auf Touchscreens umstellten, wo Kunden jetzt nur noch auswählen müssen, zwischen 20, 25 oder 30 Prozent Trinkgeld – oder dem sehr klein gedruckten „no tip“ (kein Trinkgeld).

Trinkgeld-Situation in Deutschland

In einigen Läden ist genau dieser Touchscreen mit der Trinkgeldauswahl auch in Deutschland inzwischen an der Tagesordnung. Nur: Da die Angestellten in der Regel besser bezahlt werden als in den USA und es hier einfach nicht so üblich ist, im Klamottenladen oder für einen Kaffee Trinkgeld solcher Art zu geben, wird es häufig ignoriert. Ob sich diese Variante hierzulande etablieren würde, ist deshalb zweifelhaft.

Das Trinkgeld geben an sich ist es jedoch nicht: Sind Service und/oder Essen gut, geben die meisten Verbraucher gerne einen kleinen Obolus. Bei Kleinigkeiten in Cafés oder auch mal beim Bäcker kann man aufrunden. In Restaurants, beim Friseur und bei anderen Gelegenheiten ist man mit der Faustregel zehn Prozent von der Rechnungssumme als Trinkgeld zu geben gut beraten. Das zahlt man dann auch am besten in bar, wenn man ganz sicher gehen möchte, dass der Servicemitarbeiter es auch wirklich behalten kann.

Ganz wichtig aber zu wissen: In Deutschland ist das Trinkgeld nicht verpflichtend, sondern eine freiwillige Geste. Jedem Menschen steht es zu, so viel oder auch so wenig zu geben, wie er möchte.

Übrigens: Trinkgeldregeln gibt es auch in anderen Ländern, zum Beispiel in Dänemark oder Frankreich. Und auch in Italien hat es etwas besonderes mit dem Coperto auf sich.

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